Warum eine Förderung von Solarstrom weiterhin sinnvoll ist

Dachanlage, Enerix

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Die Debatte rund um die vollständige Abschaffung der Einspeisevergütung sorgt derzeit erneut für viel Diskussion unter den Solarhandwerkern. Was für Empörung sorgt, ist wieder einmal eine Aussage des Finanzministers Christian Lindner, der im Rahmen der Haushaltsdebatte Sparmöglichkeiten in der Photovoltaik-Branche sucht und aus seiner Sicht gefunden hat: Die Einspeisevergütung soll weg, da “(…) eine Förderung gar nicht mehr in Breite nötig (ist)”, weil sich Photovoltaik-Anlagen rechnen, so der Minister in einem Interview.

Was steckt hinter der Einspeisevergütung?

Am 1. April 2000 trat der Erneuerbare Energien Gesetzt (EEG) in Kraft. Ziel des Gesetzes war es, die erneuerbaren Energien zu fördern. Investoren sollten über eine 20-jährige Einspeisevergütung ihre Investitionen zuzüglich einem Gewinn rückerstattet bekommen. Bei Photovoltaik-Anlagen lag die Vergütung zunächst noch bei 99 Pfenning pro Kilowattstunde und nach der EEG-Reform 2003 sogar bei 54,7 Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Strompreis lag dagegen bei 20 Cent pro Kilowattstunden für den privaten Verbraucher. Bei den hohen Kosten für die Anlagen war eine derart hohe Einspeisevergütung auch dringend notwendig, um die Technologie schnell und effizient zu etablieren. Das hat das EEG definitiv erreicht.

Die ersten Anlagen mit wenigen Kilowattpeak wurden in den frühen Jahren des Gesetzes fast ausschließlich auf Einfamilienhäuser installiert. Der produzierte Strom wurde nicht selbst verbraucht, sondern komplett in öffentliche Stromnetzt eingespeist. um eine maximale Rendite zu erzielen.

Nach 24 Jahren hat sich der Strommarkt, der Strompreis aber auch die Photovoltaik-Branche gänzlich geändert. Photovoltaikanlagen sind sehr günstig geworden und der Markt wurde von chinesischen Produkten gekapert. Auch die Einspeisevergütung hat sich diesem veränderten Markt über die Jahre angepasst.

Für Photovoltaik-Anlagen auf Industriedächern oder Freilandanlagen über 100 Kilowatt gibt es bereits seit einiger Zeit keine feste Einspeisevergütung mehr, hier muss der Betreiber selbst für die Vermarktung des produzierten Stroms sorgen. Zwar sind in der Direktvermarktung auch Förderwerte festgelegt, die Praxis hat aber gezeigt, dass der Weg in die Direktvermarktung für viele noch zu kompliziert ist. Für Anlagen unter 100 Kilowatt auf Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetrieben wird noch eine Einspeisevergütung gezahlt. Für typische Einfamilienhausanlagen von circa 10 Kilowatt erhält der Betreiber bei Teileinspeisung eine Vergütung von gerade mal 8,2 Cent pro Kilowattstunde. Zwar erhalten Volleinspeiser mit 12,7 Cent pro Kilowattstunde etwas mehr, wirklichen Profit können Betreiber aber nicht daraus ziehen.

Das Interesse ist trotz dieser geringen Vergütung nach wie vor vorhanden, was vor allem am hohen Eigenverbrauch von durchschnittlich 60 bis 70 Prozent liegt. Die Refinanzierung erfolgt somit nicht über die Einspeisevergütung, vielmehr über die Stromkosteneinsparung. Je höher die Stromkosten, welche ich als Anlagenbetreiber umgehe, desto attraktiver meine Photovoltaik-Anlage. Nur der Überschuss landet im Netz und wird vergütet. Über diese Kombination ist es Deutschland in vergangenen Jahren gelungenen die weltweit höchste Solarstromproduktion auf Einfamilienhäusern zu erreichen. Genau hier ist es, wo auch die Energiewende stattfindet.

Die Einspeisevergütung darf nicht ad hoc beendet werden, da sie einen Anreiz für Kunden bietet, sich für größere Anlagen zu entscheiden, die nicht nur auf den Eigenverbrauch ausgelegt sind. Die Abschaffung hätte zur Folge, dass Photovoltaik-Anlagen eher kleiner gebaut werden, um möglichst wenig Überschuss ins Netz einzuspeisen. Damit geht Sonnenenergie verloren, die dringend benötigt wird, um die Energiewende voranzutreiben.

Die Gesamtzubauzahlen zeigen es. Der große Photovoltaik-Zubau findet derzeit bereits im Groß- und Freilandanlagen-Segment statt, während wir bei kleinen Anlagen, im Einfamilienhaussegment einen Nachfrageeinbruch erleben, der nicht auf ein Sommerloch zurückzuführen ist. Derzeit ist die Nachfrage nach Anlagen auf Einfamilienhäusern bereits auf das Niveau von 2021 zurückgegangen. Aber genau dieser Sektor ist es, der die Energiewende eigentlich voranbringt, indem er die Netze entlastet. Während bei Freilandanlagen der erzeugte Strom erst verteilt werden muss, sieht es bei privaten Photovoltaik-Anlagen anders aus. Private Anlagen produzieren dort die Energie, wo sie verbraucht wird. Wer sich aber für Sonnenstrom entscheidet, der denkt auch weiter und informiert sich über Elektromobilität und Heizen mit erneuerbaren Energien. Die eigene Anlage muss also größer werden. Bekommen Betreiber aber keine Einspeisevergütung, so werden sie ihre Photovoltaik-Anlage wohl oder übel kleiner dimensionieren und auf Wallbox und Wärmepumpe verzichten.

Einfamilienhäuser sind ein wichtiger Teil der Energie- und Mobilitätswende, welcher mit dem Wegfall der Einspeisevergütung verloren ginge und auf keinen Fall vergessen werden darf.

Planungssicherheit für Handwerksbetriebe

Das ständige Hin und Her in der Branche führt bereits zu zahlreichen Insolvenzen bei Anbietern im Privatsegment. War die Anfrage 2022 noch so hoch wie noch nie, so ist diese aktuell eher gering. Wurde 2022 noch händeringend vor allem Monteure gesucht, so haben diese aktuell wieder viele freie Kapazitäten. Wird die Vergütung abgeschafft, so entscheiden sich Anlagenbesitzer nun für kleinere Anlagen. Das führt, dazu dass weniger Handwerker benötigt werden und das Segment einbricht. Die Folge: Ein riesiger Stellenabbau aufgrund der geringen Nachfrage. Handwerksbetriebe werden ihre Mitarbeitenden nicht mehr halten können.

Eine wertgerechte Vermarktung des Überschusses

Wie bereits erwähnt spielt der Eigenverbrauch für den Endkunden eine übergeordnete Rolle. Dennoch ist es sinnvoll auch seinen Überschussstrom in einer für den Kunden attraktiven Form zu vergüten. Nur so entscheiden sich Kunden dann auch für Anlagen, die über den Eigenverbrauch hinausgehen. Es braucht also passende und unkomplizierte Rahmenbedingungen. Diese findet man mit einem kurzen Blick nach Süden in den Alpenstaat Österreich. Hier gibt es seit einiger Zeit das Modell der Energiegemeinschaften. Eine Energiegemeinschaft ist eine lokal organisierte Gruppe von Einzelpersonen, Unternehmen und/oder Institutionen, die zusammenarbeiten, um erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraft zu erzeugen, zu speichern, zu verwalten und zu teilen. Das muss nicht auf demselben Grundstück passieren, sondern ist grundstücksunabhängig und -übergreifend. Das bedeutet also, dass eine andere Person als man selbst Solarstrom erzeugt und ich ihn, ohne selbst eine Anlage besitzen zu müssen, nutzen kann. Dadurch werden Anlagenbetreiber zu Erzeugern, die in Absprache mit dem Verbraucher zu einem zuvor festgelegten Preis, der meist über dem der Einspeisevergütung, aber unter dem Kilowattstundenpreis des Netzbetreibers liegt, ihren Strom vermarkten. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Die Energiewende findet auch auf dem Eigenheim statt

Die Energiewende findet nicht nur auf Groß- und Freilandanlagen, sondern auch auf dem Einfamilienhaus statt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Förderung nur dann gestrichen wird, wenn der Markt wirklich so weit ist. Leider sieht es in der Praxis anders aus und es gibt fast nur Beispiele wie man es nicht machen sollte. Von der E-Auto-Förderung über die Wallbox-Förderung vor drei Jahren bis hin zur KfW 442 Förderung im Herbst letzten Jahres häufen sich die Negativbeispiele, wie man es nicht tun sollte. Eine Förderung muss immer mit Blick auf ihr Auslaufen geplant und nicht ad hoc und ohne Anschlussregelung gekappt werden.

Sollte dies bei der Einspeisevergütung geschehen, wird die Nachfrage im Segment der Einfamilienhäuser komplett einbrechen. Wichtige Energie für das Elektroauto und die Wärmepumpe wird dann nicht mehr produziert und schlussendlich wird auch das Handwerk Stellen streichen müssen. Das macht sich dann spätestens nächstes Jahr bemerkbar, nachdem der Run auf die letzten Anlagen mit derzeitiger Einspeisevergütung abgeebbt ist.  Ohne Alternativen wird der Markt am Stichtag des Vergütungsstopps, wie schon mehr als einmal in den letzten 20 Jahren, einbrechen.

Peter Knuth, Gründer und Geschäftsführer von Enerix

— Der Autor Peter Knuth ist Geschäftsführer und Mitbegründer von Enerix. Die Technik rund um die Photovoltaik hat er von der Pike auf gelernt, Photovoltaik-Anlagen auf Dächern selbst montiert und elektrisch ans Netz angeschlossen. 2007 fiel zusammen mit seinem Geschäftspartner und engem Freund Stefan Jakob der Entschluss zur Gründung von Enerix.  Die vielfach ausgezeichnete Fachbetriebskette für Photovoltaik-Anlagen, Stromspeicher und Wärmepumpen wurde in Bayern als erstes Franchisesystem in der Energiebranche gegründet. Die beiden Gründer gelten als echte Solarpioniere und sind seit über 20 Jahren in der Solarbranche tätig. https://www.enerix.de/ —

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