Warum Förderungen für erneuerbare Energien mit dem europäischen CO2-Zertifikatehandel unvereinbar sind

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Das zentrale Element der europäischen Klimapolitik ist der CO2-Emissionshandel, genannt EU Emission Trading System (EU ETS). Die Idee dahinter ist simpel. Es wird eine begrenzte Anzahl an Emissionszertifikaten an die im ETS regulierten Firmen ausgegeben. Übersteigt der CO2-Ausstoß einer Firma die Zertifikate, die sie hält, muss sie welche am Markt zukaufen. Firmen, die kostengünstig CO2-Emissionen vermeiden können, werden dies tun, und können so ihre überschüssigen Zertifikate am Markt verkaufen. Der Deckel an Emissionszertifikaten, die jedes Jahr in Umlauf gebracht werden, sinkt kontinuierlich, bis irgendwann der Emissionsausstoß auf null fällt. Schaubild 1 stellt die Wirkungsweise eines ETS schematisch im Zeitverlauf dar.

Schaubild 1. Schematische Darstellung der Emissionswirkung eines Zertifikatehandels über die Zeit
Schaubild 1. Schematische Darstellung der Emissionswirkung eines Zertifikatehandels über die Zeit

Grafik: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg/Mario Liebensteiner

Aus ökonomischer Sicht handelt es sich hierbei um ein marktbasiertes Klimaschutzinstrument, weil der Preis für Emissionszertifikate regelt, welche Anstrengungen die Firmen für die Emissionsvermeidung unternehmen. Ist der Preis für Zertifikate hoch, lohnt es sich mehr, CO2 zu vermeiden. Letztendlich bestimmt aber die Anzahl der Zertifikate im Markt, wie viel CO2 in der EU ausgestoßen wird. Das EU ETS reguliert seit 2005 Emissionen aus der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie, seit 2012 auch die Binnenluftfahrt und seit 2024 auch die Binnenseefahrt. Nach der neoklassischen ökonomischen Theorie würden gewinnorientierte Firmen immer dann CO2 vermeiden, wenn dies für sie günstiger ist, als Zertifikate am Markt zu kaufen, was letztendlich zu kostengünstigster CO2-Vermeidung führt.

Laut ökonomischer Theorie sollte der Emissionshandel aber das einzige Instrument sein, das zur Anwendung kommt, da zusätzliche klimapolitische Instrumente die Wirkung des ETS nur verzerren würden. Komplementäre Klimaschutzmaßnahmen, wie beispielsweise die finanzielle Förderung erneuerbarer Energien, ein freiwilliger Verzicht auf nationale oder EU-Binnenflüge, oder die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf dem eigenen Hausdach, führen in einem bestehenden ETS zu keiner zusätzlichen Emissionsminderung. Diese zusätzlichen Maßnahmen sind also wirkungslos und sparen kein CO2 ein. Eine formale Analyse dieses Problems findet sich in Herweg & Schmidt “How to regulate carbon emissions with climate-conscious consumers”, erschienen 2022 im “The Economic Journal”.

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Schaubild 2 zeigt, dass zusätzliche emissionsreduzierende Maßnahmen zwar die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten senken, aber die Emissionen aufgrund des starren Emissionsdeckels unverändert lassen. Beispielsweise führt die Förderung erneuerbarer Energien dazu, dass die Besitzer von thermischen Kraftwerken weniger CO2 ausstoßen und somit weniger CO2-Zertifikate benötigen, was den Zertifikatepreis sinken lässt – der Emissionsdeckel bleibt jedoch unberührt.

Schaubild 2. Schematische Darstellung zusätzlicher klimapolitischer Maßnahmen in einem bestehenden Zertifikatehandelssystem
Schaubild 2. Schematische Darstellung zusätzlicher klimapolitischer Maßnahmen in einem bestehenden Zertifikatehandelssystem

Grafik: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg/Mario Liebensteiner

Förderungen für erneuerbare Energien können durchaus sinnvoll sein, um technologische Anreize zu setzen, beispielsweise um Fixkostensenkungen zu ermöglichen oder die Produktivität der Anlagen zu erhöhen, oder auch um standortspezifische industriepolitische Impulse zu liefern, beispielsweise durch die Schaffung von Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien. In einem bestehenden Emissionszertifikatehandel, wie im EU ETS, führen Förderungen für erneuerbare Energien jedoch zu keiner zusätzlichen Emissionsminderung. Die Politik muss diese Tatsache endlich anerkennen.

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Fachbereich Wirtschafts -und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Mario Liebensteiner, Juniorprofessor für Energiemärkte und Energiesystemanalyse 25.06.2020 ©Giulia Iannicelli/FAUFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Fachbereich Wirtschafts -und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Mario Liebensteiner, Juniorprofessor für Energiemärkte und Energiesystemanalyse 25.06.2020 ©Giulia Iannicelli/FAU— Der Autor Mario Liebensteiner ist Juniorprofessor (Tenure Track auf W3) für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Energiemärkte und Energiesystemanalyse, an der FAU Erlangen-Nürnberg und Mitglied des wissenschaftlichen Komitees des Energie Campus Nürnberg. Seine Forschungsinteressen liegen in der Analyse und Regulierung von Energiemärkten und Umweltpolitik. Zuvor arbeitete Mario Liebensteiner als Postdoc- und Praedoc-Forscher an der Technischen Universität Kaiserslautern und der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Er absolvierte sein Doktorat in Economics an der WU Wien und sein Diplomstudium in Wirtschaftswissenschaften an der JKU Linz und der City University of Hong Kong. Mario Liebensteiner ist Mitglied des Expertengremiums „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) der deutschen Wissenschaftsakademien. —

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