Eine „nicht unerhebliche Überrumpelung“ sowie den Willen, Kunden und Wettbewerber vor vollendete Tatsachen zu stellen, attestiert ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Dortmund dem Stromnetzbetreiber Westnetz. Das Unternehmen, das in Deutschland mehr als vier Millionen Kundenanschlüsse betreut, hatte in Essen eine gesetzliche Informationsfrist beim Einbau digitaler Zähler missachtet und wurde zur Unterlassung verpflichtet (Az 25 O 282/18). Geklagt hatte die Verbraucherzentrale NRW. Gegen das Urteil hat der Netzbetreiber Berufung eingelegt.
Westnetz hatte im Jahr 2017 Privathaushalte nur rund zwei Wochen vor einem geplanten Zählerwechsel zum ersten Mal über diesen informiert. Das Messstellenbetriebsgesetz, das den flächendeckenden Einbau sogenannter moderner Messeinrichtungen bis 2032 vorsieht, enthält hierzu aber eine eindeutige Frist: Mindestens drei Monate müssen zwischen der ersten Mitteilung über den Zähleraustausch und dem tatsächlichen Einbautermin liegen.
„Kerngedanke der Drei-Monats-Frist ist, den Wettbewerb um die Messstelle zu stärken. Kunden soll es möglich sein, vor dem Einbau eines neuen Zählers ein anderes Unternehmen als den Netzbetreiber mit dem Messstellenbetrieb zu beauftragen“, erklärt Bettina Cebulla, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Der Betrieb der modernen Messeinrichtungen sei schließlich liberalisiert, auch wenn die Zahl der alternativen Messstellenbetreiber für Privathaushalte noch verschwindend gering sei. Westnetz und andere, bekanntermaßen ähnlich vorgehende Netzbetreiber versuchten anscheinend, sich mit den kurzfristigen Terminankündigungen ihre Pfründe zu sichern.
Das sah im konkreten Fall auch das Dortmunder Landgericht so: Zwar hatte Westnetz in seinem Schreiben auf die Drei-Monats-Frist hingewiesen und die Betroffenen hätten der Festlegung des vorgezogenen Termins widersprechen können. Das Gericht sah es aber als wahrscheinlich an, dass die meisten Kunden angesichts des kurzen Vorlaufs den Austausch am angekündigten Tag hinnehmen würden, ohne sich über Alternativen zu informieren. Sei der Zähler dann erst einmal ausgetauscht, sei in der Regel auch nicht damit zu rechnen, dass kurzfristig ein Betreiberwechsel angedacht werde.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW trägt das beanstandete Vorgehen zu einem insgesamt desolaten Bild der Zählermodernisierung in Deutschland bei. Im Zentrum steht hier die gesetzlich geregelte Verbreitung sogenannter Smart Meter, die nicht nur digital, sondern auch vernetzt sind. „Bei den Smart Metern wird Kunden ihr Wahlrecht durch einen unzureichend begründeten Zwangs-Rollout genommen. Wenn dann solche ärgerlichen Verstöße beim Zählertausch dazukommen, schafft das nicht gerade Vertrauen in die wichtige Digitalisierung der Energiewelt“, fasst Cebulla zusammen. Mittelfristig werde allerdings auch an den digitalen Messstellen echter Wettbewerb herrschen. Aktionen wie diese würden Verbraucher dann mit erhöhter Wechselbereitschaft zu neuen Anbietern sanktionieren.
Den Rechtsstreit gegen Westnetz führt die Verbraucherzentrale NRW im Rahmen ihres EU- und landesgeförderten Projekts Energie2020.
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