Böblingen, 09. Dezember 2013. Deutschlands Mittelstand sollte sich in Sachen Energiekosten nicht auf Politik und Energiekonzerne verlassen. „Der Einstieg in ein eigenes Energiemanagement ist das Gebot der Stunde“, erklärt Thomas Denk, Geschäftsführer des Energieeffizienz-Spezialisten 2b-green. „Damit bleiben Unternehmen auch unter Rahmenbedingungen flexibel, die ganz offensichtlich nicht in ihrem Interesse gestaltet werden.“
Thomas Denk ist sauer: „Die Regulierungswut unserer Politik ist nicht nur ungebrochen – sie ist offensichtlich auch blind. Wer sich davon in Zukunft wenigstens ein Stück weit unabhängig machen und seine Kosten einigermaßen verlässlich planen will, muss jetzt in ein eigenes Energiemanagement einsteigen.“ Die Flexibilität der Energiemärkte werde in den nächsten Jahren deutlich steigen. „Profitieren werden davon allerdings nur Unternehmen, die ihren Energiehaushalt kennen und steuern können.“
Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD habe die Unfähigkeit der Politiker, notwendige Schnitte vorzunehmen, einmal mehr ans Licht gebracht. „Nicht nur Fachleute wissen, dass der Strom für energieintensive Industrien durch die Einspeisung erneuerbarer Energien in den vergangen Jahren nicht teurer, sondern im europäischen Vergleich sogar niedriger geworden ist.“
Der Grund liegt im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es schreibt vor, dass Strom, der aus erneuerbaren Ressourcen wie Wind, Sonne oder Bioabfällen gewonnen wird, vorrangig in das Stromnetz einzuspeisen und somit allen Verbrauchern zuzuführen ist. Da wir bereits eine beachtliche Zahl von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen im Betrieb haben und diese mittlerweile sehr viel Strom einspeisen – an manchen Tagen mehr als wir benötigen –, fällt zwangsläufig der Strompreis an den Börsen.
Zusätzlich regelt das EEG die bevorzugte Einspeisung erneuerbarer Energien vor konventionell erzeugten, etwa aus Öl- oder Gaskraftwerken. Dies senkt die Nachfrage nach konventionell erzeugtem, weniger subventioniertem, teurerem Strom. Dieser sogenannte Merit-Order-Effekt führt zu einer zusätzlichen Senkung des Börsenstrompreises. Zur Erklärung: Öl- und Gaskraftwerke werden zur Spitzenlastabdeckung eingesetzt und sind daher vergleichsweise teure Kraftwerke, auch weil Öl und Gas immer teurer werden.
Ein weiterer Effekt ist, dass die niedrigeren Börsenpreise höhere EEG-Differenzkosten bedingen, unter anderem, weil bestehende Kraftwerke nicht in Betrieb sind, aber dennoch Gestehungskosten verursachen. Dadurch ergibt sich eine höhere EEG-Umlage für den Endverbraucher.
Großindustrie profitiert doppelt – Mittelstand bleibt ohne verlässliche Kalkulationsbasis
Kurz, so Thomas Denk: „Die Energiepreispolitik ist längst aus dem Ruder gelaufen.“ Viele Industriebetriebe profitieren von sinkenden Börsenpreisen für Strom und werden zusätzlich von der EEG-Umlage befreit. Demgegenüber werden Privatverbraucher und mittelständische Unternehmen weiter zur Kasse gebeten, um die EEG-Förderpolitik zu bezahlen. Thomas Denk: „Die von Bundesumweltminister Peter Altmaier vorgeschlagene Strompreisbremse bekämpft also nicht die Ursache, sondern nur die Auswirkung einer verfehlten Förderpolitik. Hier hätte die sich abzeichnende Koalition deutliche Zeichen setzen und Privilegien abschmelzen müssen.“
Stattdessen streite die Koalition darüber, wie der Ausbau von Ökostrom gebremst werden soll. „Vor allem die Union drängt auf verbindliche Obergrenzen“, so der 2b-green-Geschäftsführer. Weiterhin unklar sei dagegen, wie die Ausnahmen bei der EEG-Umlage für die Industrie begrenzt werden sollen. „Hier blockiert vor allem die SPD. So wird Brüssel allein entscheiden, ob die deutsche Förderpolitik rechtskonform ist oder nicht. Das ist gefährlich – nicht nur für die Energiewende, sondern für alle Unternehmen, vor allem im Mittelstand, die heute auf der Basis relativ niedriger geförderter Strompreise kalkulieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Energieverbrauch transparent machen
Nicht neue Subventionen für Kohlekraftwerke sollten nach Ansicht von Thomas Denk das Ziel sein, sondern die Nutzung zukunftsweisender Techniken wie effiziente und flexible Gaskraftwerke, ein innovatives Lastmanagement sowie der Aufbau neuer Speichermöglichkeiten.
Nicht zu vergessen: Industrielle Verbraucher müssten aktiver in das Ökosystem der Stromerzeugung und des Stromverbrauches eingebunden werden. Oder sich selbst einbringen.
„Das muss zuerst im eigenen Umfeld geschehen. Nur wer Verbraucher und Verbräuche innerhalb des Unternehmens kennt, kann in den Dialog mit dem Energieversorger und der Politik einsteigen und diesen Dialog aktiv und zielgerichtet mitgestalten. Die Strommärkte und ihre Angebote werden zunehmend flexibler. Ein Unternehmen, das den Kostenfaktor Energie auch künftig im Griff haben will, muss darauf reagieren können. Dazu aber muss es diese Kosten transparent machen. So müssen zum Beispiel die Zeitpunkte der Stromverbräuche, der Lastspitzen und die veränderbaren Lasten bekannt sein.“
Ziel müsse der Aufbau eines „aktiven Energiemanagements“ beziehungsweise die Ergänzung der vorhandenen Management-Systeme um einen solchen Sektor sein.
Ein funktionierendes Energiemanagementsystem (EnMS) versetzt ein Unternehmen in die Lage, seinen Energiebedarf entlang seiner Wertschöpfungskette systematisch und kontinuierlich zu verbessern. Grundlage dafür ist ein aktueller Datenbestand, für den alle Komponenten in den Unternehmens-Facilities, im Data Center, im Office-Bereich und in der Produktion erfasst werden.
Ganzheitliche Systematik – Fehlanzeige
Die meisten Unternehmen scheuen nach Aussage von Thomas Denk bislangselbst geringe Investitionen in diesem Bereich. Der Grund dafür sei ebenso einfach wie kurzsichtig: „Es mangelt an einer Systematik, die das ganze Unternehmen umfasst. So arbeiten Gebäudemanagement, IT und Unternehmensleitung heute kaum irgendwo zusammen. Einsparungen beim Energieverbrauch fallen dem Gebäudemanagement beziehungsweise dem Controlling zu.“ Eine gerechte Verteilung der Einsparungen und somit die Schaffung weiterer Anreize bleibe damit aus. Die Chancen, die mehr Energieeffizienz bringen, werden schlicht aus strukturellen Gründen nicht ergriffen.
„Ich behaupte: Kein Unternehmen in Deutschland ist heute in der Lage, die Wechselwirkung in Sachen Energieverbrauch zwischen IT, Produktion, Gebäude und Mitarbeitern darzustellen. Genau hier liegen aber in Zukunft die eigentlichen Potenziale. Erst wenn die Wirkung einer Maßnahme klar mess- und nachweisbar ist, lassen sich die eingesparten Mittel gerecht verteilen – und erst dann beginnen die Beteiligten, systematisch Energie zu sparen. Das aber erfordert ein Umdenken.“
Je näher das Jahr 2020 rücke, umso mehr einschneidende Auflagen für Unternehmen seien aus Brüssel oder von der Bundesregierung zu erwarten, um die Energiewende wenigstens im Ansatz zu retten. „Dafür sollten sich die Unternehmen wappnen. Das Etablieren eines systematischen Energiemanagements ist ein erster wichtiger Schritt, um sich gegenüber Politik und Energieversorgern neu aufzustellen. Sich auf deren Vernunft zu verlassen, ist eindeutig zu wenig.“
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.