Mit zwei gut besuchten Vortragsabenden am 16. und 17. September 2024 rund um das Thema „Hochgradig energieautarke Gebäude“ hat das Sauerlacher Unternehmen Moonich sein neues Kompetenzzentrum „3lectrify“ für die vollelektrische Energieversorgung von Neubauten und Bestandsgebäuden vorgestellt. Damit bietet Moonich zusammen mit einem regionalen Partnernetzwerk ab sofort Konzepte für hohe Energieunabhängigkeit in Neubauten und Bestandsgebäuden inklusive der Planung, Beratung, Unterstützung bei der Finanzierung sowie Installation an. Die hohe Energieunabhängigkeit in den Bereichen Haushaltsstrom, Komfort (Heizung, Warmwasser und Kühlung im Sommer) sowie Elektromobilität ermöglichen große Photovoltaikanlagen auf Dächern und an Fassaden, Stromspeicher, Autarkieboiler sowie Infrarotheizungen. Einzugsbereiche von 3lectrify werden zunächst München, der Landkreis München und Oberbayern sein.
Höhere Mietrendite durch Pauschalmiete mit Energieflatrate
In seinem einführenden Vortrag erläuterte Lars Keussen, Geschäftsführer von Moonich, die Motivation von Eigentümern, das solare Energiekonzept umzusetzen, dies vor allem mit Blick auf Wohnungsunternehmen, die Wohnraum errichten oder sanieren und anschließend vermieten. Sie sind mit steigenden Bau- und Energiekosten konfrontiert und müssen gesetzliche Vorgaben zur CO2-Reduktion einhalten. Mit dem neuen Konzept und vor allem durch den hohen Solarstrom-Anteil in der Energieversorgung von circa 50 bis 70 Prozent können sie Kosten reduzieren und die Mietrendite steigern, führte Keussen aus. Zudem steigt der Wert ihrer Immobilie durch das zukunftsfähige Energiekonzept, das dem Beschluss der Bundesregierung Rechnung trägt, dass die Energieversorgung künftig weitgehend elektrisch erfolgen soll und Gebäude sich soweit wie möglich selbst mit Energie versorgen sollen. Weiterhin erreichen Immobilienbesitzer und ihre Mieter weitgehende Unabhängigkeit von Energieversorgern und Energiepreisschwankungen, wenn die durch das Konzept mögliche Pauschalmiete mit Energieflatrate umgesetzt wird.
Keussen betonte, dass die Ökonomie beziehungsweise Wirtschaftlichkeit bei allen von 3lectrify entwickelten Konzepten im Mittelpunkt stehe und auf dieser Basis umfangreiche Vorteile für die Umwelt und das Klima erreicht werden können. So sei beispielsweise Sanieren in vielen Fällen besser als Neubau, unter anderem wegen der Kosteneinsparung durch die Weiternutzung von wertvollen Baumaterialien. Auf Infrarotheizungen setzt Keussen, da sie vergleichsweise kostengünstig sind sowie einfach und schnell zu installieren. Zudem reagieren die Heizgeräte sehr schnell und sie können einzelne Bereiche in Räumen effizient beheizen. Die von ihnen emittierte Strahlungswärme erinnert an die behagliche Wärme eines Kachelofens.
Enttechnisierung und radikale Vereinfachung als Ziel
Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld aus Freiberg bei Dresden gilt als der Urheber dieses Bau- und Energiekonzeptes für hohe Energieautarkie. Der Ingenieur, der zunächst einen Handwerksberuf gelernt hatte, ist seit rund 30 Jahren in der Energiebranche tätig. Nachdem er viele Jahre mit dem eigenen Betrieb Solarthermieanlagen installiert hat und ab circa 2010 Energiekonzepte mit großen Solarthermie- und Photovoltaikanlagen plante, beschloss er vor vier Jahren, das Energiekonzept zu verändern. Seither integriert er anstelle von Solarthermieanlagen hocheffiziente Infrarotheizungen in die Konzepte für hohe Energieautarkie. Die Enttechnisierung und radikale Vereinfachung der Technik sei sein Ziel, betonte er in Sauerlach und begründete dies unter anderem mit dem Handwerkermangel und der sinkenden Kaufkraft von Mietern.
„Wir müssen dringend den technischen Aufwand und damit die Kosten auf der Hardware-Seite reduzieren“, appellierte Leukefeld. „Damit werden die Systeme auch sicherer, langlebiger und widerstandsfähiger – Stichwort Resilienz. Ich arbeite bei meinen Projekten mit einer Kombination aus Infrarotheizungen – das ist ein Low-Tech-Produkt, wartungsfrei, günstig und mit mehreren Jahrzehnten Lebensdauer extrem langlebig – und dezentralen Warmwasserboilern, die den überschüssigen Solarstrom in Wärme wandeln und über einen längeren Zeitraum speichern können.“ Mit seinem Hauptvortrag mit vielen Praxisbeispielen begeisterte Leukefeld die Gäste auf den Vortragsabenden.
Nahezu-Null-Grenzkosten-Ansatz als Basis
Leukefeld beschäftigt sich intensiv mit zukunftsfähigen Konzepten für das Bauen und Wohnen und er hat erkannt, dass die Wohnungswirtschaft, Energieversorger und auch Geldinstitute auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen sind. Den Fokus auf Solarstromanlage als Hauptenergiequelle begründet er mit dem Nahezu-Null-Grenzkosten-Ansatz des US-amerikanischen Ökonomen und Politikberaters Jeremy Rifkin. Dieser geht davon aus, dass die Produktionskosten vieler Güter und Dienstleistungen durch die Digitalisierung und die „Share Economy“, bei der das Teilen, Tauschen und Teilnehmen im Mittelpunkt steht, immer weiter sinken werden. Die Produktivität werde dermaßen steigen, dass die Grenzkosten gegen Null gehen, was sie praktisch kostenlos mache. „Dadurch macht eine einst auf Knappheit gegründete Ökonomie immer mehr einer Ökonomie des Überflusses Platz“, so Leukefeld.
Timo Leukefeld überträgt dies auf die Energie. Schon jetzt könne Solarstrom aus großen Solarparks für 3 Cent je Kilowattstunde erzeugt werden. In zehn bis 15 Jahren werde Solarstrom noch günstiger sein, die Kosten auch für Solarstrom vom eigenen Hausdach würden gegen 1 bis 2 Cent gehen, prognostiziert der Energieexperte, der auch im Zukunftsinstitut mitarbeitet und weltweit nach Trends für das Bauen und Wohnen recherchiert. Wenn Immobilienbesitzer einen Großteil der Energie für Wärme, Strom und Mobilität aus eigenen Photovoltaikanlagen auf und an dem Gebäude decken, können sie diesen Preisvorteil Kunden weitergeben.
Für die Mieterinnen und Mieter von Wohnungsunternehmen kann dies eine Pauschalmiete mit Energieflatrate inklusive aller Nebenkosten sein. Die Vermieter andererseits haben deutlich weniger Aufwand für die Nebenkostenabrechnungen, da unter anderem die Zählerablesungen entfallen. Außerdem steigern sie ihr Image als innovatives, umweltbewusstes Immobilienunternehmen.
Beispiele aus dem Neubau und Bestand
Seitdem er sich auf dieses Konzept spezialisiert hat, hat Leukefeld Energiekonzepte für Gebäude mit rund 1.000 Wohnungen erstellt, berichtete er und stellte Projekte vor. Im Neubau ist das Mehrfamilienhaus von Rössler Wohnbau in Ehingen bei Augsburg ein herausragendes Beispiel. Es wurde im Winter 2022 fertiggestellt. Eine erste Jahresenergiebilanz ergab, dass der Vermieter für die fünf Wohnungen in einem Jahr lediglich noch Energiekosten von rund 50 Euro für das gesamte Haus bezahlen musste. Den restlichen Energiebedarf für den Haushalts- und Technikstrom, die Infrarotheizungen und Autarkieboiler für das Warmwasser deckten die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und an der Fassade.
Im Bestand hat die Sanierung eines Plattenbaus aus der DDR-Zeit in Aschersleben in Sachsen-Anhalt für viele Schlagzeilen gesorgt. Hier hat das städtische Wohnungsunternehmen, die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft (AGW) mbH, einen Plattenbau mit dem Energiekonzept von Leukefeld saniert. 60 Prozent des Energiebedarfs für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom in den 22 Wohnungen können mit Solarstrom gedeckt werden. Die Mieterinnen und Mieter zahlen eine auf fünf Jahre garantierte Flatrate-Miete von 11,50 Euro/m² inklusive Kaltmiete, Energie für Wärme und Strom und Elektromobilität und anderer Nebenkosten. Nach dem ersten erfolgreichen Bauvorhaben hat die AGW den zweiten Plattenbau direkt dahinter mit dem gleichen Konzept saniert, ab November ziehen die Mieter ein. Nun kommt der dritte an die Reihe.
Dazu kommen zahlreiche weitere Mehrfamilienhäuser, aber auch Gewerbegebäude wie eine Bäckerei und Funktionsgebäude wie ein Feuerwehrhaus und Kindergärten, für die Leukefeld Energiekonzepte erstellt hat. Aktuell arbeitet er unter anderem an einer Quartierslösung, bei der mehrere Wohnhäuser in einem Quartier energetisch vernetzt werden sollen.
Da die Photovoltaik eine tragende Rolle in dem Energiekonzept spielt, verstärkt Ingo Martin, Geschäftsführer der Adsol GmbH und Premiumpartner von HagerEnergy für das E3/DC-Hauskraftkwerk, das 3lectrify-Netzwerk mit der Planung und Installation von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern. Basierend auf 25 Jahren Erfahrung in der Solarbranche, rundete Martin mit seinem Vortrag über eine hohe Energieunabhängigkeit durch Photovoltaik und Solarstrom den Vortragsabend ab.
„Wir sind überwältigt von dem großartigen Feedback, das wir erhalten haben“, sagt Lars Keussen. „Es ist für viele noch ein neues Konzept, aber es trifft einen Nerv und kann den Wunsch nach weitgehender Energieunabhängigkeit von Unternehmen und Privatleuten erfüllen.“ Keussen plant, weitere Vortragsveranstaltungen rund um hohe Energieautarkie anzubieten. Wer sich vor Ort informieren möchte, ist eingeladen, in der Kramergasse 32 in Sauerlach bei München mit oder ohne Termin zu den üblichen Geschäftszeiten vorbeizukommen.
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.