Während auf politischer Ebene derzeit intensiv über eine gesetzliche Förderkulisse für dringend benötigte Investitionen in regelbare Kraftwerksleistung diskutiert wird, nimmt die EnBW am Standort Stuttgart-Münster eines der ersten wasserstofffähigen Gasturbinen-Kraftwerke in Deutschland offiziell in Betrieb. Dieses Projekt ist ein wichtiges Signal für weitere Anlagen dieser Art: Schließlich ist gerade im Süden Deutschlands der Bedarf an hochflexiblen Kraftwerken zur Ergänzung der wetterabhängig produzierenden Erneuerbaren Energien und zur Wahrung der Netzstabilität besonders hoch. Dr. Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender der EnBW, dazu: „Allein durch die Stromerlöse aus den wenigen erwarteten Betriebsstunden sind die benötigten Kraftwerke für Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht finanzierbar. Daher ist es notwendig, dass die Bundesregierung mit Priorität einen entsprechenden marktlichen Anreizrahmen für weitere Investitionen schafft.“
Die EnBW baut aktuell auf Grundlage von Fördermechanismen im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz im Rahmen des sogenannten „Fuel Switches“ auch die bislang kohlebefeuerten Standorte in Altbach/Deizisau und Heilbronn auf wasserstofffähige Gaskraftwerke um. Alle drei Projekte haben eine Gesamtkapazität von rund 1,5 GW und ein Gesamtinvestitionsvolumen von rund 1,6 Mrd. Euro. Damit setzt das Unternehmen die laufende Dekarbonisierung seines Kraftwerksportfolios fort. Aktuell haben die Erneuerbaren Energien bereits einen Anteil von rund 59 Prozent Anteil an der installierten Erzeugungskapazität der EnBW. Im Vergleich zu 2022 hat sie im Geschäftsjahr 2024 konzernweit bereits rund 45 Prozent ihrer CO2-Intensität (auf 272g/kWh) reduziert.
Modernisierung des Standortes Stuttgart-Münster
Der Standort Stuttgart-Münster ist im EnBW-Kraftwerkspark eine Besonderheit: Der Schwerpunkt der Anlage liegt auf der thermischen Verwertung von Abfällen, also der Müllverbrennung. Zur optimalen Brennstoffausnutzung werden dabei gleichzeitig Fernwärme und Strom nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) erzeugt. Wenn im Winter die Müllverbrennungsanlage für die Fernwärmeversorgung nicht mehr ausreicht, lieferten bisher drei Kohlekessel die darüber hinaus benötigte Wärme. Diese Kohlekessel werden durch das neue wasserstofffähige Gaskraftwerk künftig ersetzt. Seit April 2024 erzeugt ergänzend eine Großwärmepumpe bis zu 24 Megawatt Fernwärme.
Gemeinsam mit den Heizkraftwerken Stuttgart-Gaisburg und Altbach/Deizisau bildet das Heizkraftwerk den Fernwärme-Verbund Mittlerer Neckar, der über 28.500 Wohnungen, 1.400 Firmen und 380 öffentliche Einrichtungen in Stuttgart und der Region mit Wärme versorgt.
Der Standort Stuttgart-Münster wurde nach rund drei Jahren Planung und Genehmigung sowie zwei Jahren Bauzeit nun durch den Neubau einer Gasturbinenanlage mit einer Bruttoleistung von 2x 62 Megawatt inklusive Abhitze- und Heißwasserkesseln umfassend modernisiert und wird zur Grund- und Spitzenlastversorgung eingesetzt. Damit versorgt die neue Fuel Switch-Anlage die Stadt Stuttgart mit 124 MW elektrischer Leistung (Strom) und 370 MW thermischer Leistung (Wärme). Gemeinsam mit der bestehenden Müllverbrennungsanlage hat der Gesamt-Standort eine thermische Leistung von 450 Megawatt.
Nach erfolgreichem Probebetrieb wird die Anlage in Kürze in den kommerziellen Betrieb übergehen. Peter Heydecker, Vorstand Nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur der EnBW, erklärt: „Es bewegt sich etwas bei der Energietransformation. Die EnBW realisiert aktuell die Hälfte aller im Bau befindlichen Gaskraftwerke in Deutschland. Damit machen wir allein durch den Wechsel von Kohle auf Erdgas die regelbare Erzeugung mit rund 60 Prozent weniger CO2-Emissionen deutlich klimafreundlicher. Voraussichtlich ab Mitte der 2030-er Jahre wollen wir den nächsten Schritt gehen und die Anlage nach einem zweiten Fuel Switch mit bis zu 100 Prozent CO2-armem Wasserstoff betreiben, wenn dieser dann in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht“.
Siemens Energy hat die Gasturbinen für das Projekt geliefert. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Christian Bruch ergänzt: „Ziel muss es sein, Gaskraftwerke effizient und flexibel zu betreiben, und zwar bei geringem Ausstoß von Emissionen. Das macht sie zum Rückgrat einer verlässlichen Energieversorgung. Dieses Projekt zeigt, wie es geht. Mit der Option, die Gasturbinen künftig mit grünem Wasserstoff zu betreiben, ebnen wir auch den Weg in eine CO2-freie Energieerzeugung.“
Bedeutung für die regionale Versorgung
Nach einem kurzen Parallelbetrieb wird der Kohleblock sowie die alten heizölbetriebenen Gasturbinen des alten Heizkraftwerkes am Standort Münster im Frühjahr 2026 vollständig stillgelegt – ein wichtiger Beitrag zu den Klimaschutzbemühungen der Stadt Stuttgart, die bis 2035 Klimaneutralität anstrebt.
Dr. Frank Nopper, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, sagt: „Es ist großartig, dass Stuttgart in diesem Bereich vorne liegt: In Stuttgart wird heute das erste Fuel-Switch-Kraftwerk der EnBW in Betrieb genommen. Und Stuttgart wird zur ersten oder zumindest zu einer der ersten kohlefreien Städte in Deutschland. Die heutige Inbetriebnahme ist ein gutes Beispiel dafür, wie traditionelle Kraftwerksstandorte im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähig gemacht werden können.”
Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, betont: „Baden-Württemberg nimmt eine zentrale Position bei der Wärmewende ein, die kommunale Wärmeplanung war eine Blaupause für das Wärmeplanungsgesetz im Bund. Neue wasserstofffähige Gaskraftwerke wie hier in Stuttgart-Münster können je nach Standort eine Brücke auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung bilden, und im Stromsektor können sie die erneuerbaren Energien perspektivisch mit grünem Wasserstoff zu Spitzenlastzeiten flexibel ergänzen.
Das sogenannte H2-ready Fuel Switch-Kraftwerk ist auch ein wichtiger Baustein beim weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien, denn als hochflexible Anlage kann es aufgrund seiner kurzen Anfahrzeit unmittelbar auf Schwankungen im Stromnetz reagieren, wenn wetterbedingt nicht ausreichend regenerativ erzeugter Strom im Netz ist. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit im Süden Deutschlands.
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