„Ein beispielloser Angriff auf die Energiewende“: Bürger und Bürgerinnen schlagen zurück

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Vor einigen Tagen haben zwei der größten Energiekonzerne Deutschlands, RWE und E.ON ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in dem sie einen “Neustart” der Energiewende fordern. Man darf fragen, wieso ein Neustart notwendig sein soll, wenn die Energiewende bereits in nie dagewesener Geschwindigkeit voranschreitet und die nationalen Klimaziele dennoch durch jegliches Bremsen bedroht würden? Die Antwort geben RWE und E.ON nur zwischen den Zeilen: Es geht ihnen zu schnell.

Weil dies aber nicht klar gesagt werden darf, findet das Positionspapier der Energieriesen eine spannende Reihe an Wortverdrehungen, um diese Absicht zu verschleiern. Aus dem Erfolg des planvollen Ausbaus der erneuerbaren Energien wird eine “Planverliebtheit”, die dem “Wohl des Ganzen” widerspräche. Statt die konkreten Vorgaben der nationalen Klimaziele als Orientierung zu schätzen, wird gefordert, “Erfüllungsoptionen” nicht mehr “auszubuchstabieren”, und behauptet, die Rechtsnormen stellten den “Erfolg in Frage”.

Das Lockmittel, mit dem die Konzerne nun Politik und Bevölkerung diesen Haken schmackhaft machen möchten, ist das ersatzlose Streichen von Ausgaben für die Transformation des Energiesektors. Im Sprech des Papiers nennt sich das “Kosteneffizienz”. Von “dreistelligen Milliardenbeträgen” über einen Zeitraum von 10 Jahren ist dabei die Rede. Wo genau die eingespart werden sollen? Darüber schweigt sich das Dokument aus. Man könne ja erstmal das EEG abschaffen, “keine fixe Einspeisevergütung” mehr an Solaranlagenbetreiber auszahlen und, falls das ganz überraschend nicht den gewünschten Effekt des weiteren Zubaus von PV hat, “Anfang der 2030er Jahre” mal überlegen, den ”weiteren Weg anzupassen”. Durch solche Forderungen ausgelöste Unsicherheiten sind Gift für die durch Bürgerinnen und Bürger getragene Energiewende. Besonders alarmierend ist dabei die völlige Außerachtlassung der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Energiewende: diese fußt weder rein auf volkswirtschaftlichen Betrachtungsweisen noch ist sie ohne die direkte und finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgern zu erreichen.

Ebenso kontraintuitiv beziehen RWE (rund 50% der Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern) und E.ON (ebenfalls rund 50% der Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern) Position zur Frage der Regelleistung und Flexibilitäten für ein von erneuerbaren Energien dominiertes Energienetz. So fordern sie zwar, dass “Kleinstflexibilitäten” (also kleine Speicher, Wallboxen fürs E-Auto und Wärmepumpen) genutzt werden, setzen aber hierfür die Verwendung von Smart-Metern voraus, welche dann durch die Ersparnisse beim Netzentgelt “mindestens kostenneutral” seien. Zur Klarstellung: „Mindestens kostenneutral“ bedeutet hier, dass bei Haushalten mit eher kleinen Flexibilitäten wie etwa Heimspeichern die gesamte potenzielle Ersparnis durch die Mehrkosten von Smart-Meter und Steuer-Technologie aufgefressen wird. Und nicht nur das: Die kleinen Flexibilitäten sollen zudem noch durch Dachorganisationen, sogenannte “Aggregatoren” gebündelt und gemeinsam vermarktet werden. Dass diese Aggregatoren natürlich für ihre Dienste wiederum einen gehörigen Anteil der insgesamt schon geringen möglichen Ersparnis abgreifen, ist selbsterklärend.

Sieht man aus der Zielperspektive einer dezentralen und von allen Bürgerinnen und Bürgern mitgetragenen Energiewende auf diese Vorschläge, dann sind sie schnell als interessengesteuert zu identifizieren. Man muss dazu nicht einmal die ebenfalls im Papier vorgebrachten Forderungen nach

• mehr Gaskraftwerken und
• kleiner dimensionierten Windparks und PV-Freiflächenanlagen sowie
• deren Verteuerung (“Reservierungsgebühr” für den Netzanschluss),
• dem Streichen der Ausbauziele für die Wasserstoff-Infrastruktur und
• der Abschaffung der Kennzeichnung von klimaschädlicher Erzeugung von Wasserstoff, sowie
• einfachen Möglichkeiten, CO2 ins Erdreich zu verpressen (CCS), um die eigene Klimabilanz mit dieser Hochrisikotechnologie grün zu waschen mit einbeziehen.

Wir, der Bundesverband Steckersolar und die Deutsche Umwelthilfe, sehen hierin einen beispiellosen Angriff auf die Energiewende in Bürgerhand. Aber so einfach lassen sich die Bürgerinnen und Bürger nach einem Vierteljahrhundert erfolgreicher Energiewende in Deutschland nicht mehr blenden und übervorteilen. Die im Positionspapier vorgeschlagenen Umwälzungen der Energiegesetzgebung hätten in der Realität ausschließlich Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger. Diese haben das auch bereits erkannt. So setzt etwa eine aktuelle Petition vor dem deutschen Bundestag – anders als das Papier der Energiekonzerne – nicht auf Ausschluss der Bevölkerung, sondern vielmehr auf deren wesentlich stärkere Beteiligung an der Lösung realer Probleme des Energiesystems und auch an den damit möglichen Kompensationen. Sie fordert die Entbürokratisierung der Nutzung von Kleinspeichern und die Möglichkeit, diese freiwillig und gegen eine angemessene Reduzierung der Netzentgelte sowie ohne hohe Kosten für Smart-Meter zur Netzstabilisierung einsetzen zu dürfen.

Die Petition hat die erforderlichen Stimmen bereits erzielt und wird im Bundestag behandelt werden müssen. Wir fordern ein, dass ihre Forderungen sowie weitere Maßnahmen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wie etwa die Vereinfachung von Mieterstrommodellen und die Ermöglichung von Energy Sharing schnellstmöglich umgesetzt werden.