Herr Kelber, ein Kernpunkt des kürzlich verabschiedeten Klimapakets der Bundesregierung ist die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Umstritten ist unter anderem die Senkung der Vergütung von Solarstrom. Sehen Sie hier Nachbesserungsbedarf?
Die Novelle trifft in eine Phase sich völlig verändernder Rohstoffpreise. Wir haben uns deshalb vorgenommen, sämtliche Festlegungen nochmals aufgrund der Preissituation Anfang 2008 zu prüfen. Das heißt, wir vergleichen die vorher festgestellten Preise, die dann zu den Vergütungsvorschlägen geführt haben, mit der realen Situation heute. Ich glaube es ist richtig, dass wir für Strom aus Geothermie, Biomasse und Offshore-Wind etwas drauflegen, um Bewegung in die Geschichte zu bekommen. Dagegen kann man bei der Photovoltaik den Druck erhöhen, preisgünstiger und effizienter zu werden.
Die Solarbranche kritisiert auch den vorgesehenen unsteten Verlauf der Degression, weil hierdurch das konstante Marktwachstum und vor allem Arbeitsplätze im Handwerk gefährdet würden. So soll ja die Vergütung für Solarstrom von neuen Dachanlagen im Jahr 2009 um neun Prozent gesenkt werden, ab 2010 um sieben Prozent und ab 2011 um acht Prozent jährlich.
Ob es richtig ist, im Jahr 2009 schon so einen großen Sprung zu machen, das bezweifle ich. Es ist immer besser, schritt
Dagegen gehen dem Rheinisch-Westfälischen-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) die Kürzungen für die Solarstromvergütung noch nicht weit genug. Es sieht in der Photovoltaikförderung durch das EEG ein Milliardengrab, das selbst die Subventionen für den Steinkohlebergbau in den Schatten stelle…
Da sollte man genau schauen, von welchen Annahmen solche Prognosen ausgehen. Die RWI-Studien der vergangenen Jahre sind meist von zu niedrigen Preisen für fossil erzeugten Strom ausgegangen. Und das ist der entscheidende Faktor, wie viel Mehrkosten denn Photovoltaikstrom tatsächlich verursacht. Zudem sollte man schauen, ob mit der bisherigen oder der verschärften Degression gerechnet wurde. Selbst wenn sich das RWI nicht verrechnet hat, ist der Vergleich in sich schon widersinnig: Bei Steinkohle handelt es sich um die Finanzierung einer sterbenden Technologie. Photovoltaik ist eine Technologie, die künftig die Grundlage einer preisgünstigen Energieversorgung sein soll und bei der wir einen Exportboom deutscher Technologie erleben. Zudem hinterlässt die Kohleförderung bisher nicht gedeckte Ewigkeitskosten in erheblichem Umfang.
Diskutiert werden derzeit auch stärkere Anreize für eine bedarfsgerechte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, um die Grundlast zu sichern und das Netz zu stabilisieren. Ist dies im EEG-Entwurf genügend berücksichtigt?
Bei Windstrom ist ein Bonus vorgesehen, um eine netzstabilisierende Systemdienstleistung der Anlagen anzureizen. Die Vergütungspflicht besteht auch für Strom, der zunächst zwischengespeichert wird. Zudem werden die Netzbetreiber zur Anpassung der Netzkapazitäten verpflichtet. Systemstabilität ist keineswegs nur eine Bringschuld der Anlagenbetreiber. Darüber hinaus sind Ermächtigungen für die Bundesregierung vorgesehen, um beispielsweise Einzelheiten für die Bündelung von Lastprofilen festzulegen. Darüber hinaus müssen wir Aspekte beachten wie die Mehrkosten, die dem Betreiber entstehen, wenn er beispielsweise in Speicher investiert, um Spitzenlaststrom bereitzustellen. Wir sollten in diesem Bereich aus meiner Sicht schon im Gesetz selbst klare Signale setzen. Das wird ein Teil der Debatten in der Koalition werden.
Während hierzulande um die Ausgestaltung des EEG gerungen wird, bereitet Brüssel die Einführung eines Ökostromhandels vor, um europäische Ausbauziele für erneuerbare Energien zu erreichen. Branchenvertreter befürch
ten hierdurch eine Zerschlagung des EEG und Experten des Fraunhofer Instituts kalkulieren allein für Deutschland Mehrkosten von 30 Milliarden Euro bis 2020. Wie ist ihre Einschätzung?
Wenn der Vorschlag eines verpflichtenden Ökostromhandels umgesetzt würde, wären alle nationalen Einspeiseregelungen in Europa gefährdet – auch das EEG. Das kommt mir vor, wie ein brutales Über-Bande-Spielen von denen, die eigentlich schon immer die erneuerbaren Energien nicht voranbringen wollten. Für Deutschland hieße das, dass unser erfolgreiches Modell sehr viel teurer würde. Ein verpflichtender Zertifikatshandel mit Ökostrom ist also völlig inakzeptabel. Es muss Deutschland andererseits auch klar sein, dass wir ohne eine europäische Gesamtregelung nicht aus den Verhandlungen herauskommen werden.
Als Kompromiss könnte ein Brüsseler Richtlinien-Vorschlag für einen freiwilligen Ökostromhandel herauskommen. Der Bundesverband Erneuerbare Energien sieht das EEG jedoch auch dann noch gefährdet, und zwar über die Hintertür des europäischen Wettbewerbrechts…
„Wehrtet den Anfängen“ ist angesagt, Wir müssen klar machen, dass wir sämtliche juristischen und sonstigen Möglichkeiten ausschöpfen werden, um das EEG und damit den europaweit schnellsten Ausbau der erneuerbaren Energien zu sichern. Wir werden uns nicht Milliarden-Kosten aufbürden lassen, um unsere eigene Industriebasis, in die wir eine Menge Geld der Gesellschaft gesteckt haben, schwächen zu lassen und die erneuerbaren Energien nicht weiter auszubauen. Da müssen andere schon früher aufstehen, um dies zu erreichen.
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