Auf 2.000 Metern Höhe schlängelt sich der Fluss durch das von ihm gegrabene Tal. Kein Staudamm zähmt seine Wildheit. Hier gibt es keine Straßen, nur noch steile, vom Regen glitschige Wege, die das Fortbewegen gefährlich machen. Wenn hier etwas passieren würde, auf fremde Hilfe wäre nicht zu hoffen. Es gibt schon seit vier Tagen kein Mobilfunknetz mehr. Um den Akku zu schonen, habe ich das Handy irgendwann ausgestellt. Auch die Akkus der Kamera gehen zur Neige. Ich bin auf einem Trip in die Steinzeit. Beim Volk der Dani, im Baliental, umgeben von hohen Bergen, in Westpapua. In den Dörfern gibt es keinen Strom, keine Wasserversorgung oder Kanalisation. Wenn es dunkel geworden ist, sitzen die Menschen gemeinsam in der Küchenhütte am offenen Feuer. Während die Jüngeren bereits T-Shirts und Shorts tragen, sind die Älteren noch traditionell bekleidet, das heißt, fast nackt. Ich erzähle meinem Guide, dass ich nachts nicht mehr fotografieren kann, der Blitz verbrauche zu viel Energie. „Morgen kannst du die Akkus aufladen“, sagt Sadrak Asso. „Da gibt es Strom von einer Solaranlage.“ Ich schaue ihn ungläubig an. „Hier, in dieser Gegend? Bei den Dani?“ Nach einem weiteren Trekkingtag kommen wir in dem Dorf Kilise an. Wie die anderen Ansiedlungen auch besteht Kilise aus einer Männerhütte, einer Familienhütte, in der die Frauen und Kinder wohnen, dazu aus einer Hütte mit Kochstelle und Schweinekoben.
Der augenfällige Unterschied von Kilise im Vergleich zu den anderen Ansiedlungen: In der Luft hängen elekt rische Leitungen und an zwei Holzmasten Energiesparlampen für die Außenbeleuchtung. Auch in der Hütte des Chiefs und in der Gästehütte baumeln Energiesparlampen von der Decke. Ich freue mich schon, endlich meine Geräte aufladen zu können. Wie sich bald herausstellt, zu früh. Denn die Hälfte der elektrischen Anlage funktioniert nicht mehr, dazu gehört auch die einzige Steckdose. Der Strom kommt nachts von einer Autobatterie und wird von zwei Wechselrichtern aufbereitet. Jeden Morgen holt Dorfchef Albert Elopore ein Modul aus seiner Hütte und legt es auf die nächste Hecke. Schnell noch ein Kabel zum Laderegler vor der Batterie ziehen – dann kann der Sonnenstrom für die Nacht gespeichert werden. Elopore hat zwei Frauen, drei Kinder. Als Chief wird er von der indonesischen Regierung bezahlt. Die sichert sich damit einen gewissen Einfluss auf die Dörfer und den Chiefs ein monetäres Auskommen. Und Elopore wollte sein Geld klug investieren.
„Letztes Jahr hat mir ein Bekannter aus einem anderen Dorf erzählt, dass er so eine Solaranlage hat. Die hat er im Supermarkt in Wamena gekauft.“ Wamena ist die einzige Stadt im Baliental, lediglich durch Flugverkehr mit der globalen Warenwelt verbunden. Um von Kilise in das 50 Kilometer entfernte Städtchen zu gelangen, braucht der 39-jährige Elopore fast einen ganzen Tag, erst zu Fuß, dann mit verschiedenen Sammeltaxis, die immer wieder an reißenden Bächen mit weggespülten Brücken enden. Mit rund sieben Millionen Rupien im Gepäck, das sind 600 Euro, kaufte er dort im vergangenen Jahr seine Solaranlage: Ein 54-Watt-Modul, einen Laderegler, eine Autobatterie und dazu zwei Wechselrichter. Voller Stolz ließ er die Anlage von seinem Bekannten installieren. Und alles funktionierte auch, zwei Monate lang.
Signallampe auf rot
Dann war plötzlich die Hälfte dunkel, und so blieb es seitdem. Der Bekannte versprach mehrmals, mal vorbeizuschauen, aber bis heute hat er sich nicht wieder blicken lassen. Dorfchef Elopore kann zwar ein bisschen lesen und schreiben, was bei den Älteren unter den Dani immer noch die Ausnahme ist. Aber ihm fehlt das rudimentärste physikalische Wissen, also auch alles, was irgendwie mit Elektrik zu tun hat. Alle Augen richten sich auf mich.
Nun bin ich zwar ein solarerfahrener Journalist, der weiß, wo er welche Informationen am besten bekommt. Aber ohne Internet und Telefon eine Inselanlage zu reparieren, das wollte ich den Dorfbewohnern und mir selbst nicht zumuten. Aber ich merke an ihren Augen und Gesten: Sie erwarteten zumindest, dass ich es versuche. Ich will darüber schlafen. Der Raum ist zu dunkel, und im Kegel der Taschenlampe kann ich sowieso nichts mehr erkennen.
„Gibt es einen Plan für die Elektrik“, frage ich am nächsten Morgen. Nein. Will es trotzdem versuchen. Also fange ich an, mich in dem Gewirr der wild umherhängenden Leitungen zu orientieren und lerne langsam, wie so eine Inselanlage geschaltet ist. Hinter der Batterie hängen zwei Wechselrichter. Einer warnt konstant mit seiner roten LED-Lampe vor einem „Overload“, der andere leuchtet beruhigend grün. Offensichtlich gehen die Kabel von dem einen Wechselrichter in die eine Hälfte, von dem anderen in die andere Hälfte des kleinen Dorfs. Ich stelle fest, dass der „Overload“ warnende Wechselrichter mit der stromlosen Seite und der Mehrfachsteckdose verbunden ist, an der ich meine Kamera aufladen wollte. Schnell sind die beiden Wechselrichter vertauscht. Und siehe da: Die andere Hälfte ist dunkel. Offensichtlich habe ich die schadhafte Stelle gefunden.
Falsch dimensioniert
Ich frage mich nun, was ich mit dem verbleibenden funktionierenden Wechselrichter anstellen kann, und sehe dabei, dass die Anlage falsch dimensioniert ist. Die beiden Wechselrichter sind für je 500 Watt Dauerbelastung ausgelegt. An jedem hängen jedoch nur sechs Energiesparlampen mit je elf Watt Verbrauch. Ich versuche, herauszufinden, was es mit der Fehldimensionierung auf sich hat und ob dahinter vielleicht eine Idee steckt. Aber niemand kann mir etwas sagen, und ich kann dafür auch keinen Grund finden. So hänge ich beide Verbrauchernetze an den verbleibenden Wechselrichter. Es dauert ein bisschen, aber dann klappt es schließlich. Die Dorfbewohner sind sofort in Partylaune. Und als kleine Belohnung kann ich jetzt auch noch eine funktionierende Steckdose für meinen Kameraakku finden und anschließend gleich ein paar Fotos vom Partyvolk und von meiner ersten selbst reparierten Solaranlage machen.
Später rate ich Chief Elopore, den defekten Wechselrichter umzutauschen oder auf Garantie reparieren zu lassen. Dann hätte er Ersatz oder könnte den nicht gebrauchten verkaufen. Aber er hat keine Garantieurkunde und behauptet, so etwas würde es auf Westpapua nicht geben. Ich werde nicht mehr herausbekommen, ob das wirklich so ist, denn am nächsten Abend, als ich in Wamena zurück bin, ist es Samstag, am Sonntag hat der Supermarkt zu, und am Montagmorgen muss ich die Insel schon wieder verlassen.
Neben meinem Stolz auf die erste selbst reparierte Anlage sind Fragen geblieben. Albert Elopore hatte die Anlage vor allem gekauft, um fremden Besuchern Licht zu bieten, die dadurch künftig häufiger aus der Zivilisation in das einsame Dorf in den Bergen kommen sollen. Mich haben gerade die flüsternden Abende im Schein des offenen Feuers verzaubert, ohne elektrisches Licht oder gar lärmenden Fernseher. Mögen die Dani ihre Photovoltaik künftig sinnvoll für sich selbst nutzen. Die Fremden brauchen sie lediglich für ihre Kameras.
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