Rein, raus, rauf?

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Das Angebot klang verlockend: Module von Siliken, Wechselrichter von SMA, passendes Montagezubehör wie Gestell, Stecker, Kabel, als kompletter Bausatz in verschiedenen Größen lieferbar bis spätestens Anfang Juni. Tobias Rambach aus der Nähe von Kassel, der ein halbes Jahr lang vergeblich nach einer passenden Anlage zur Selbstmontage gesucht hatte, glaubte an eine glückliche Fügung. „Als ich im Prospekt unseres Toom-Baumark tes die Werbung für die Photovoltaik-Bausätze gesehen habe, habe ich direkt zugeschlagen. Denn viele Solarteure haben auf meine Anfrage gar nicht erst geantwortet. Und wenn doch, entsprach entweder die Konfiguration nicht meinen Vorstellungen oder der Preis.“
Glaubt man dem viele Seiten langen Diskussionsthread des Photovoltaikforums zum Thema Toom, geht es etlichen potenziellen Anlagenbetreibern so wie Tobias Rambach. Die Selbstbauer fühlen sich von den Solar-Fachbetrieben als Kunden zweiter Klasse behandelt – bestenfalls. Auch wenn Solarteure im Forum behaupten, fertig konfigurierte Anlagen auf Wunsch „natürlich“ an Heimwerker zu verkaufen: Die Wahrnehmung der Schrauber sieht anders aus. Und die in diesem Zusammenhang oft ins Hitzige abgleitenden Debatten darüber, ob Leistungen von Solarteuren ihr Geld wert sind oder eher mit Pseudo-Kompetenz verbrämte Beutelschneiderei, trägt auch nicht gerade zur Förderung möglicher geschäftlicher Beziehungen bei.

Ohne Handwerker geht es nicht

Dabei ist eines klar: Ohne Handwerker geht es nicht. Denn den Anschluss einer Photovoltaikanlage an das öffentliche Stromnetz beispielsweise darf nur ein Elektriker mit Zulassung des betreffenden Energieversorgers vornehmen. Und oft holen sich Käufer von Bausätzen schon früher kompetente Hilfe. „Wir schätzen, dass etwa die Hälfte unserer Kunden ihre Anlagen tatsächlich auch selbst aufs Dach bringt. Die anderen beauftragen mit der Montage einen Fachhandwerker oder bekommen zumindest Nachbarschaftshilfe“, sagt Heinz Reusch.Der promovierte Ingenieur, früher Entwicklungschef bei Stiebel Eltron und nach eigenen Worten „Solar-Urgestein“, hat für Toom mit seiner Firma MGR Marketing die technische Hotline für die Photovoltaikkunden sowie die regelmäßigen Schulungen der Fachverkäufer übernommen. „Wer handwerklich geschickt ist, kann seine Photovoltaikanlage durchaus selbst montieren, da die Bausätze komplett, die Anleitungen sehr ausführlich und alle Teile gut gekennzeichnet sind“, meint Reusch. Wer sich überfordert fühlt, muss aber nicht mit dem Bausatz unter dem Arm auf Handwerkersuche gehen. Toom-Baumärkte bieten ihren Photovoltaikkunden gegen Aufpreis auch Montage und Service-Leistungen an.
Das Thema Photovoltaik ist für die Baumarkt-Tochter der Kölner Rewe-Gruppe nichts Neues: Die Toom-Baumärkte – nicht zu verwechseln mit den Toom-Verbrauchermärkten – haben bereits seit 2004 entsprechende Bausätze im Sortiment, die laut Pressestelle zusammen mit den Modul- und Wechselrichter-Herstellern konfiguriert werden.
Die Bausätze laufen unter der Bezeichnung ESOL (für Elektro-Solarnutzung) mit einer Typennummer, die sich an der Kilowatt-Nennleistung orientiert. Fünf Pakete zwischen 2,3 und 10,12 Kilowatt sind derzeit im Angebot. Ein Beispiel: Das Paket ESOL 3.2 mit 3,22 Kilowatt umfasst 14 Siliken-Module vom Typ SLK60P6L mit 230 Watt, einen SMA-Wechselrichter SB 3000 TL, ein Aufdach-Montageset für senkrechte Anordnung auf Dachziegeln, zwei mal 30 Meter Kabel mit vier Quadratmillimeter Querschnitt und alle Stecker. Der Prospektpreis inklusive Mehrwertsteuer liegt bei 8.659 Euro (also 7.276,47 Euro netto). Bei Bedarf sind außerdem Montage-Gestelle für die Flachdach- oder Freilandaufstellung für einen Mehrpreis von 320 Euro brutto zu haben, Montage und Inbetriebnahme ab 1.385 Euro brutto.
Bei Eva Schubert, Projektleiterin Engineering der Solarpraxis AG, sorgt der Bausatz ESOL 3.2 für gemischte Gefühle. Gegen SMA-Wechselrichter und Siliken-Module hat sie nichts einzuwenden: deut sche beziehungsweise spanische Produktion, guter Stand der Technik. Allerdings steht im Toom-Prospekt mit 16 Prozent Modul-Wirkungsgrad ein falscher Wert: Laut Datenblatt des Standardmoduls mit der Bezeichnung SKL60P6L 230 Wp auf der Webseite des Herstellers sind es 14,2 Prozent. Ungünstig ist aus Schuberts Sicht, dass der beworbene dreireihige Aufbau mit 14 Modulen bei diesem Paket und auch bei ESOL 4.6 nur unregelmäßig möglich ist. Sie lassen sich nicht auf drei gleiche Reihen verteilen. „Außerdem stimmt die Angabe für den Reihenabstand von 1,5 Metern für eine aufgeständerte Montage nur für Südbayern. Je weiter im Norden Deutschlands die Anlagen aufgebaut werden, desto höher sind die Ertragseinbußen durch Eigenverschattung. Und der bei optimaler Ausrichtung angegebene Ertrag an Kilowattstunden im Jahr ist zwar im Süden Deutschlands durchaus zu übertreffen, aber in Berlin beispielsweise nicht zu erreichen.“
Irritiert ist Eva Schubert außerdem bei der Aufdachmontage vom Begriff „normale Dachziegel“: „Welcher Dachziegel ist normal und welcher nicht? Es gibt doch klare Bezeichnungen, und welcher Dachstein am häufigsten verwendet wird, hängt von der Gegend ab.“ Von den anderen ESOL-Paketen 2.3, 4.6, 5.5 und 10.1 sollten Kunden laut Eva Schubert übrigens Abstand nehmen, wenn die Anlage optimal ausgerichtet und in einer einstrahlungsreichen Gegend montiert wird: Die Wechselrichter sind bis zu 20 Prozent kleiner als der PV-Generator gewählt, was Ertragseinbußen durch Leistungsabregelung zur Folge hat.

Toom von Nachfrage überrollt

Auch aus einem anderen Grund nehmen gerade einige Toom-Kunden wieder Abstand von ihren Bestellungen: Statt der ursprünglich beworbenen SMA-Wechselrichter bestückt der Baumarkt die Photovoltaik-Pakete inzwischen mit Sirio-Invertern des italienischen Herstellers Aros. Zu der Frage, wie viele Bausätze nach Erscheinen des Prospekts Mitte März verkauft wurden, macht Toom keine Angaben. Heinz Reusch zufolge hat die positive Resonanz das Unternehmen förmlich überrollt, das geplante Anlagen-Kontingent mit SMA-Wechselrichtern war daher schon nach wenigen Tagen verkauft. „Um jedoch die Kunden weiterhin bedienen zu können, mussten wir auf technisch gleichwertige PV-Wechselrichter ausweichen“, heißt es in der Kölner Rewe-Zentrale. Auch wenn sich Aros-Wechselrichter grundsätzlich in Tests gut behaupten: Ganz gleichwertig sind sie nicht. Tobias Rambach beispielsweise stellte die Änderung vor Probleme. „Mein Dach hat zwei verschiedene Neigungen und abends eine Verschattung. Bei den SMA-Wechselrichtern hätte ich bei den geplanten 7,8 Kilowatt jeden String einzeln anschließen können – ideal für ein Dach mit solchen Macken. Bei den Sirio-Modellen von Aros kann ich das nicht.“ Ein Blick in die diversen Datenblätter bestätigt diese Einschätzung. Dass Aros zudem in Deutschland kaum bekannt und auch gerade erst dabei ist, hierzulande einen Vertrieb aufzubauen, sind für Rambach weitere Minuspunkte.

Photovoltaikvertrieb via Tchibo

Mit einem Minuspunkt hat auch ein anderer Anbieter zu kämpfen, dessen Solar-Engagement in der Branche für Überraschung sorgte: Tchibo. Vom 23. März bis zum 19. April hatte der Online-Shop des Hamburger Versandhauses Photovoltaikanlagen der deutschen Sig Solar GmbH im Angebot – und in der zeitgleich erschienenen April-Ausgabe der Zeitschrift Ökotest erntete ein Sun-Earth-Modul von Sig Solar ein „mangelhaft“. Marius Wäsch, bei Sig Solar verantwortlich für den Modulhandel, ist auf Ökotest nicht gut zu sprechen. „Mit dem Sun Earth TDB125X125-72-P wurde ein Modul aus dem Jahr 2008 getestet, das wir gar nicht mehr im Lieferprogramm haben. Glücklicherweise haben das auch die Tchibo-Kunden bemerkt, die Reaktion auf den Test war daher relativ gemäßigt.“
Was unter Umständen auch daran liegt, dass Photovoltaik-Interessenten über Tchibo keine kompletten Pakete kaufen mussten beziehungsweise konnten: Im Gegensatz zu Toom vermittelte Tchibo im Rahmen der Photovoltaik-Aktion keine Bausätze, sondern ein individuelles Beratungsgespräch mit der Sig Solar GmbH. Im Rahmen dieses Beratungsgespräches werden dann für jeden Kunden Größe, Kosten und Amortisationsdauer einer geeigneten Photovoltaik-Anlage ermittelt, außerdem übernimmt die Sig Solar GmbH über ihr bundesweites Netzwerk aus Handwerks- und Großhandelspartnern die Installation und Inbetriebnahme der Anlagen und unterstützt den Kunden bei allen erforderlichen behördlichen Schritten.
Diese Leistungen könnten Kunden eigentlich auch ohne den Umweg über Tchibo direkt bei Sig Solar in Anspruch nehmen. Als Bonus für diesen Umweg erhalten sie jedoch eine zehnjährige Herstellergarantie auf die Module, die Unterkonstruktion und den Wechselrichter sowie gratis ein Monitoring-System zur laufenden Kontrolle der Energie-Erträge, das sonst laut Tchibo 350 Euro kosten würde. Ein Marketing-Konstrukt: „Wir wollten Tchibo als Hebel benutzen, um uns und unser Angebot bekannter zu machen“, sagt Wäsch. Und auch Tchibo profitiert: „Sig Solar ist für Tchibo ein neuer starker Partner im Bereich der nachhaltigen, klimaschonenden Energiegewinnung, und Solarstrom ist ein nachhaltiger Trend“, sagt Tchibo-Sprecherin Angelika Scholz.
Das Konzept scheint aufzugehen: Schon zwei Wochen nach Start der Aktion verzeichnete Sig Solar über 9.000 Registrierungen für ein Beratungsgespräch. Nicht jedes Gespräch wird mit dem Verkauf einer Anlage enden. Trotzdem ist Marius Wäsch mit der Resonanz mehr als zufrieden. Die Zusammenarbeit zwischen Tchibo und Sig Solar ist übrigens kein Zufall: Sig Solar, 2005 speziell für den Import und die Vermarktung von Sun-Earth-Modulen gegründet, ist eine 100-prozentige Tochter der Schröder Import GmbH. Und diese ist seit mehr als 20 Jahren auf Produktion, Qualitätskontrolle und Import von Textilien für große Handelsketten spezialisiert – Karstadt, Lidl, Aldi und eben Tchibo.

Von Ebay bis Obi

Individuelle Photovoltaik-Lösungen gibt es übrigens nicht nur über Tchibo, sondern auch bei anderen großen Ketten. Beispiel Obi: Über ein Formular aus dem Lieferantenkatalog können Kunden ihren Bedarf melden, ein Lieferant erstellt daraufhin ein passendes Angebot. Wie Tchibo hat allerdings auch Obi weniger die Selbstbauer im Blick. „Die Montage sollte stets über lokale Handwerker erfolgen, die wir oder der Lieferant gerne vermitteln“, sagt Sprecherin Elena Ottaviano. So könne die Gewährleistung, die der Handwerker bei der Montage zu tragen habe, besser durch den Kunden nachvollzogen werden und er habe einen Ansprechpartner für die Wartung direkt vor Ort.
Manche Kunden legen auf dieses Mehr bei Betreuung und Service allerdings keinen Wert. Nicht von ungefähr finden sich auch bei Ebay etliche Photovoltaik-Bausätze, allerdings zu Festpreisen und nicht zur Versteigerung. „Ich habe über Ebay schon Anlagen verkauft“, sagt Thorsten Labuske, der im münsterländischen Gescher eine Handelsvertretung für erneuerbare Energien betreibt. „Ich bin selbst Ebay-Fan und habe es einfach mal ausprobiert.“ Wohl mit Erfolg, denn mehr verraten will Labuske nicht: „Ich will nicht zu viele Leute auf diese Absatzmöglichkeit aufmerksam machen.“
Kein Wunder: Die verschiedenen Vertriebs- und Absatzmöglichkeiten werden von der Branche genau beobachtet, und auch die Baumärkte und Handelsketten haben die Aktivitäten der Konkurrenz immer im Blick. Vier Wochen nach der Werbeaktion von Toom bewarb beispielsweise auch die Baumarktkette Globus zwei Photovoltaik-Bausätze. Das allerdings sehr unspezifisch – ein Beispiel: 60 Dünnschicht-Solarmodule mit insgesamt 3,6 Kilowatt und 20 Jahren Leis tungsgarantie, Wechselrichter mit 95 Prozent Wirkungsgrad und sieben Jahren Garantie, 150 Meter Solarkabel mit 1,5 Quadratmillimeter Querschnitt und 25 Meter mit 2,5 Quadratmillimeter, Unterkonstruktion zur Aufdachmontage für alle Standard-Dachpfannen. Preis: 10.999 Euro inklusive Mehrwertsteuer (also 9.242,86 Euro netto). Auf Wunsch übernimmt Globus die Montage und die Anmeldung beim Energieversorger, Kosten je nach Aufwand.

Peinlicher Druckfehler

Spezifikationen zum Angebot stellte die Unternehmenszentrale übrigens auch auf Anfrage nicht zur Verfügung. Aber vielleicht sollten die Kunden auf jeden Fall zuschlagen – beispielsweise wenn sie nicht nur ein Wohnhaus, sondern eine Lagerhalle ihr Eigen nennen: Globus hat im Prospekt Punkt und Komma verwechselt und verspricht daher zu dem Preis eine Anlage mit 3.600 statt 3,6 Kilowatt Nennleistung, eine 1.920-Kilowatt- Anlage gibt es dank des gleichen Druckfehlers für 5.999 Euro brutto.
Tobias Rambach würde bei diesem Angebot wohl eher nicht zugreifen. Aber er wird auch keine Toom-Anlage auf sein Dach montieren, er hat seine Bestellung eines Bausatzes mit 7,8 Kilowatt storniert. Nur zum Teil wegen technischer Bedenken: Zu sehr hat Rambach sich darüber geärgert, dass er statt der beworbenen SMA-Wechselrichter mit Sirio-Modellen von Aros vorlieb nehmen sollte. „Wenn das eine versprochen und das andere geliefert wird, kaufe ich nicht. Aus Prinzip.“

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