Photovoltaik auf schmalem Fuß

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Es ist Erntezeit und bei Thomas Schmid von der Hofgemeinschaft Heggelbach in der Nähe des Bodensees sogar in doppelter Hinsicht. Nicht nur, dass Kartoffeln, Weizen und Sellerie eingebracht werden, auch die Solarstromernte ist in diesen Tagen besonders reichlich. Auf einem Drittel Hektar erzeugt der Demeter-Landwirt Lebensmittel und Ökostrom in zwei Etagen. Unten wachsen auf dem fruchtbaren Boden die gleichen Pflanzen, wie sie auch großflächig auf den umliegenden Feldern in einer bewährten Fruchtfolge angebaut werden. Darüber, in 5,5 Metern Höhe, sind Photovoltaikmodule angebracht. Zwei Reihen vertikal befestigter bifazialer Glas-Glas-Module bilden immer eine Modulreihe, die dann 9,5 Meter Abstand zur nächsten hat. Insgesamt sind 720 Module verbaut mit einem Neigungswinkel von 20 Grad und südwestlicher Ausrichtung. Zusammen haben sie eine Nennleistung von 194 Kilowattpeak.

Diese Photovoltaikanlage ist ein Forschungsprojekt des Fraunhofer ISE. Sie soll nachweisen, dass Photovoltaikanlagen und die Landwirtschaft nicht um Flächen konkurrieren müssen. Diese Flächenkonkurrenz gilt manchen als Begründung dafür, Freiflächenanlagen nicht mehr im EEG zuzulassen, außer auf wenigen benachteiligten Flächen und nur nach Zuschlag in einer Ausschreibung.

Die Hofgemeinschaft Heggelbach liegt in der Region Bodensee-Oberschwaben. Dort seien erneuerbare Energien noch unterdurchschnittlich vertreten, schreiben die ISE-Forscher. Windkraftanlagen würden nicht gebaut, um das Alpenpanorama zu schützen, ein weiterer Ausbau der Biomassenutzung werde nicht akzeptiert und Konversionsflächen stünden kaum für Photovoltaik zur Verfügung. Daher seien hier Freiflächenanlagen das Mittel der Wahl, um den Ökostromanteil zu erhöhen. Und Agro-Photovoltaik könnte helfen, diese umzusetzen.

Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland im März eine sogenannte Freiflächenöffnungsverordnung verabschiedet. Pro Jahr dürfen dadurch in benachteiligten landwirtschaftlichen Gebieten 200 Hektar Ackerland mit Photovoltaikanlagen bebaut werden, wenn sie in einer Ausschreibung den Zuschlag erhalten. Eine ähnliche Verordnung hat Bayern erlassen; im Saarland wird es demnächst eine geben, Rheinland-Pfalz und Brandenburg prüfen noch. Alle anderen Bundesländer sehen derzeit von solchen Plänen ab, denn der Bauernverband ist vehement gegen eine Ausweitung (siehe Artikel Seite 30).

Die Flächendiskussion

Der Verband befürchtet, dass zu viele Flächen dem Ackerbau entzogen werden und die Konkurrenz um die Flächen die Pachtpreise in die Höhe treibt. Betrachtet man die Pachtpreise, wird klar, dass Landwirte mit der Verpachtung ihrer Flächen an Investoren, ganz ohne Arbeitseinsatz, mehr verdienen können als mit dem Anbau von Lebensmitteln, die unter einem extremen Preisdruck stehen. Für den selbst genutzten oder kurzfristig brachliegenden Acker überweist die EU den Bauern 300 Euro pro Hektar an Subventionen. Mit dem Anbau von Pflanzen verdient er im Schnitt zusätzlich 945 Euro pro Hektar. Projektierer zahlen dagegen Pachtpreise zwischen 800 und 2.000 Euro pro Hektar und Jahr. Allerdings ist es schwierig, die heutigen Preise auf einen Markt zu übertragen, in dem wieder mehr Flächen freigegeben sind. Bei einem größeren Flächenangebot und der Möglichkeit der Doppelnutzung des Bodens müssten die Preise schließlich fallen.

Flächenverluste entstehen durch die vorübergehende Verpachtung eigentlich nur auf dem Papier. Sie verschwinden aus der Landwirtschaftsstatistik, weil sie nicht mehr dem Wirtschaftsbetrieb zugeordnet werden. Außerdem gilt nach einer Bauleitplanung, die das Gelände zur Sondernutzung durch Photovoltaik zulässt, der Boden im rechtlichen Sinne als versiegelt, ohne es wirklich zu sein. Der Bauernverband befürchtet aber, dass selbst nach Rückgabe der Flächen und nach Abbau eines Solarparks kein Feld mehr daraus werden kann, weil üblicherweise Äcker, die länger als fünf Jahre nicht mehr genutzt wurden, automatisch zu Dauergrünland, also zu einer Wiese oder Weide werden. Und Grünland dürfe nach heutiger Rechtsprechung nicht einfach erneut umgebrochen, also gepflügt werden. Eine Sprecherin erklärt: „Die Regelungen zum Grünlandumbruch sind verschachteltes EU-Recht und Landesrecht.“ Der Bauernverband ist daher selbst nicht sicher, ob es auf die Nachnutzung von Solarparks zutrifft.

Der Aufbau des Montagegestells und die Installation in über fünf Metern Höhe lassen die Baukosten steigen und auch die Wartungskosten. Der temporäre Fahrweg wurde nach der Montage wieder entfernt.

Foto: Olivia Schmid, Hofgemeinschaft Heggelbach

Denn in der Bauleitplanung wird regelmäßig die Nachnutzung der Baufläche und der Ausgleichsflächen festgelegt. Das EPC-Unternehmen Maxsolar bestätigte uns, dass in diesen Planungen nach der Nutzungszeit von 25 oder 30 Jahren die Fläche regelmäßig wieder als Ackerfläche genutzt werden soll. „Es ist auch nicht so, dass wir auf den schönsten und fruchtbarsten Feldern bauen“, sagt Christoph Strasser, Vertriebsleiter bei Maxsolar. Stattdessen geben die Landwirte die Flächen ab, die ohnehin schlechte Erträge abwerfen. So sei beispielsweise denkbar, dass in Seenähe gebaut werde, um die Einleitung von Nitraten zu verringern. „Ich denke, der Flächenverbrauch wird übertrieben dargestellt.“

Doch wie stark fällt der bisherige oder der zukünftige Flächenverbrauch durch Photovoltaik wirklich ins Gewicht? Der Bauernverband spricht von 1,1 Millionen Hektar, die seit 1992 der landwirtschaftlichen Nutzung insgesamt entzogen wurden. Das wäre auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche von derzeit 16,7 Millionen Hektar tatsächlich alarmierend. Doch das Statistische Bundesamt kann die Angabe nicht bestätigen. Zunächst geht es von einer reinen Ackerfläche in Höhe von 11,76 Millionen Hektar aus, und die hat seit 1992 sogar um 296.000 Hektar zugenommen. Selbst in der Zeit des stärksten Photovoltaikzubaus in den Jahren 2008 bis 2012 sank die Ackerfläche nur um 57.000 Hektar. Und nur ein kleiner Teil davon dürfte Photovoltaikfläche sein, da die Zahl des Bauernverbands nicht Verluste durch Photovoltaik betrachtet, sondern die Versiegelung insgesamt. Die großen Verluste beklagen die Bauern durch eine stetige Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen. Dieses Problem kann der Bau von Solarparks weder verschärfen noch kann das Vorenthalten von Flächen es mildern. Photovoltaikflächen sind nicht wirklich versiegelt und könnten bei Bedarf erneut landwirtschaftlich genutzt werden.

Was noch mehr für eine Photovoltaiknutzung spricht: Tatsächlich könnten viele Flächen mit Photovoltaik viel effizienter als „Energieflächen“ genutzt werden als heute, führen die ISE-Forscher an. Heute würden nämlich auf 18 Prozent der Ackerflächen Energiepflanzen angebaut. Für die Menge an Solarstrom, mit dem man Deutschland in einem 100-Prozent-Szenario versorgen könnte, bräuchte man dagegen nur weitere 0,7 Prozent der Ackerfläche.

Lösung Agro-Photovoltaik?

Wie auch immer man zu der Flächendiskussion steht, bei der aktuellen politischen Lage könnte Agro-Photovoltaik helfen, Widerstände für einen weiteren Ausbau zu überwinden. Sowohl auf politischer als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene. Je schneller sich Agro-Photovoltaikanlagen rechnen, desto interessierter werden die Landwirte daran sein, diese Technik der herkömmlichen Freiflächenanlage vorzuziehen. Damit es schnell geht, müsste sie jedoch gefördert werden. Hier wären weitere Forschungsanlagen denkbar oder die Ausschreibung eines begrenzten Kontingents, um die Preisentwicklung, die Anwendungsmöglichkeiten und die Auswirkungen auf die Ernte besser abschätzen zu können. Doch an eine derartige Unterstützung ist derzeit nicht zu denken. „Es muss ja nicht gleich ein neues Gesetz her“, sagt Maximilian Trommsdorff, der am Fraunhofer ISE an dem Projekt arbeitet, „auch ein Förderprogramm wäre schon eine gute Option.“ Doch an eine derartige Unterstützung ist derzeit nicht zu denken.

Auf eine Anfrage von pv magazine beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft antwortete ein Sprecher, dass vor einer Förderung und Unterstützung der Agro-Photovoltaik zunächst viel mehr Anlagen den Beweis der Machbarkeit erbringen müssten. Diese Pilot- und Referenzanlagen sollten sich aber auf die Förderung aus dem EEG beschränken, eine weitere Förderung durch das Ministerium sei nicht möglich. Leider gibt das EEG gerade diese Förderung nicht her.

Die Benachteiligungen häufen sich

Solarstrom aus einer Agro-Photovoltaikanlage wie in Heggelbach wird nicht gefördert, denn die Kategorie Freiflächen auf Ackerland zwischen 100 und 750 Kilowattpeak ist im EEG nicht vorgesehen. Immerhin wird der Strom von den Elektrizitätswerken Schönau für 5,5 Cent pro Kilowattstunde aufgekauft, was häufig mehr als der Börsenstrompreis ist. Es ist aber weniger als die Zuschläge in der letzten Ausschreibungsrunde. Dem stehen aber erheblich höhere Kosten als bei einer herkömmlichen Freiflächenanlage gegenüber. Schmid rechnet mit etwa zwölf Cent pro Kilowattstunde Stromgestehungskosten. Für die schonende Installation wurde auf dem Feld ein temporärer Fahrweg verlegt, auf dem der Kran fahren konnte, ohne den Boden zu verdichten. Außerdem sind Kosten enthalten, die durch einen weiter entfernten Netzanschlusspunkt zustande kamen. Der war nötig, weil der Strom über den Hof geleitet werden musste.

Schmid versucht nämlich, möglichst viel Strom selbst zu verbrauchen und dadurch Strombezugskosten in Höhe von 25 Cent pro Kilowattstunde zu sparen. Bisher könne er 40 Prozent direkt verwenden, sagt Schmid. Längerfristig möchte er durch Optimierung des Verbrauchsverhaltens und mit einem Speicher sogar 70 Prozent schaffen. Leider muss er für den Eigenverbrauch noch die volle EEG-Umlage zahlen und die 300 Euro EU-Flächenprämie entgehen ihm, ob seiner rechtlich gesehen versiegelten Sondernutzungsfläche, auch noch. Der doppelt und dreifach gestrafte Betreiber ist dennoch optimistisch: „Natürlich wäre es einfacher, normale Freiflächenanlagen zu bauen. Wenn ich alle meine Felder mit Photovoltaik zupflastern würde, hätte ich höhere Erträge und weniger Arbeit“, sagt Schmid. Aber als Landwirt sei er der Nahrungsproduktion verpflichtet. „Deshalb ist die Doppelnutzung so faszinierend.“ Man könne den Strombedarf aus der Fläche decken und trotzdem wirtschaften wie bisher. Und diese Faszination teilen seiner Erfahrung nach auch die vielen Besucher der Anlage.

Hans-Josef Fell von den Grünen hat kürzlich sogar damit argumentiert, das unter Photovoltaik erzeugte Bioeier sogar wettbewerbsfähig mit konventionellen Eiern werden könnten (siehe pv magazine online).

Vielfältige Anwendungen denkbar

Eine Variante, Landwirtschaft und Photovoltaik auf der gleichen Fläche zu ermöglichen, ist das Konzept von Next2Sun. Das Start-up will bifaziale Module senkrecht montieren und in Ost-West-Richtung aufstellen (siehe Artikel Seite 8). Hier wäre zwischen den Reihen weiterhin eine Beweidung durch Rinder oder Gartenbau möglich. Sinnvoll wäre auch eine Beschattung von zu sonnigen Obstplantagen oder Weinbergen oder die Kombination des Photovoltaik-Ständerwerkes mit rankenden Pflanzen wie Hopfen. Während sich Next2Sun Hoffnungen macht, den bereits bei einer Ausschreibung gewonnenen Zuschlag in den nächsten zwei Jahren wirtschaftlich tragfähig umzusetzen, scheitern die Ideen zur Überdachung der Flächen nach dem ISE-Konzept noch an den Kosten. Die ISE-Forscher sehen ihre Errichtungskosten von etwa 3.000 Euro pro Kilowattstunde zwar nicht als repräsentativ an und sehen noch vielfältige Optimierungsmöglichkeiten sowie Preissenkungen durch eine Lernkurve. Die Teilnahme an einer Ausschreibung mit der nötigen Mindestgröße der Anlage halten sie derzeit aber für unrealistisch.

Die bifazialen, halbtransparenten Module sind rückseitig mit Sicherheitsglas verkapselt. Das erhöht nicht nur die Lebensdauer, sondern auch die Sicherheit der Menschen, die darunter arbeiten.

Foto: Olivia Schmid, Hofgemeinschaft Heggelbach

Es ist ungewiss, wie sehr sich diese Kosten in Zukunft reduzieren lassen, da allein der Materialwert der Unterkonstruktion deutlich über dem von Standardanlagen liegen dürfte. So wird der Markt für dieses Konzept vermutlich nur in größerem Maßstab realisiert werden, wenn aus politischen Gründen ein Agro-Photovoltaikzubau gewünscht und gefördert wird oder alternative Flächen für Photovoltaik knapp werden.

Während in Deutschland die Sorge um den Flächenverbrauch im Vordergrund steht, werden in anderen Ländern schon neue Ackerflächen durch die Agro-Photovoltaik erschlossen. So wird in China der Anbau in kargen Steppen oder gar Wüsten möglich. Wenn unter das Photovoltaikdach Netze gespannt werden, lassen sich dort auch Hühner, geschützt von Raubvögeln, im Freiland halten. In Australien gibt es eine große Tomatenfarm in der Wüste. Ganzjährig gedeihen die Früchte unter Glas und werden im Kreislauf mit Meerwasser versorgt, das mithilfe einer Konzentrator-Solaranlage entsalzt worden ist.

Wenn Thomas Schmid mit seinen Maschinen unter der Agro-Photovoltaikanlage durchfährt, ist er immer besonders vorsichtig. „Es ist schon ein Unterschied zur sonstigen Fahrt über die Felder“, sagt er. Es sei so, als ob man auf einer Autobahn plötzlich zwischen Betonpfeilern fahren müsste. Beim Pflanzenwachstum sieht er dagegen kaum einen Unterschied. Die ISE-Forscher haben sich vorgenommen, dass man unter ihrer Anlage mindestens 80 Prozent der Erträge des unbeschatteten Nachbarfelds erzielen soll.

Die Ausrichtung der Modulreihen wurde so gewählt, dass die Schatten gleichmäßig über den Boden wandern und mindestens 60 Prozent der verfügbaren für die Photosynthese relevanten Strahlung durchkommen. Die Höhe und Weite der Ständer ermöglicht die Durchfahrt von großen Mähdreschern und verbraucht nur fünf Prozent der überbauten Fläche. Die Ständer sind mithilfe von Spinnaker-Ankern bis zu acht Meter tief im Boden verschraubt und können rückstandslos wieder entfernt werden. Zur Sicherheit sind vor die Ständer noch Abstandshalter montiert, damit kleinere Unaufmerksamkeiten nach einem langen Arbeitstag keine Schäden an der Konstruktion verursachen. In den nächsten Jahren wird die Ernte gewogen und genauestens aufgezeichnet, bevor ein wissenschaftlicher Abschlussbericht vorliegt.

In einer früheren Version hieß es, dass der örtliche Energieversorger den Strom der Photovoltaikanlage in Heggelbach vergütet. Tatsächlich kaufen aber die Elektrizitätswerke Schönau den Strom.

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