Optimieren in der Cloud

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In der Start-up-Szene schon länger bekannt, wird sich auch die Solarbranche früher oder später mit dem jungen Unternehmen Tado aus München beschäftigen. Angefangen haben die zwei Gründer mit Thermostaten für Heizungen. Wohl die bekannteste Anwendung ist die Smartphone-Kopplung. Ist die App installiert, funkt das Smartphone den aktuellen Ort zum Server und regelt die Heizung hoch, sobald man sich den eigenen vier Wänden nähert.
Man würde das Unternehmen vollkommen unterschätzen, reduzierte man es auf diese Anwendung, die den einen hip erscheint und den anderen, die Bedenken wegen des Datenschutzes haben, Sorgenfalten verursacht – übrigens unbegründeterweise.
Werden die besonderen Sensoren in einem Haus installiert, erlernt Tado innerhalb der ersten Woche die Charakteristika des Gebäudes und der Heizung. Wie lange es dauert, die Temperatur zu verändern. Welche Auswirkungen auf die Temperatur es hat, wenn starker Ostwind weht. Wie stark das Gebäude sich aufheizt, wenn die Sonne scheint. „Wenn sich zeigt, es ist ein träges Haus, regelt die Steuerung früher, als wenn es ein Haus ist, das schnell auf die Heizung reagiert“, erklärt Mitgründer und CEO Christian Deilmann. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik hat Tado attestiert, dass allein die Abwesenheitserkennung in einem realistischen Beispiel 24 Prozent Heizenergie spart, die zusätzliche Optimierung der Heizung mit Wetterdaten weitere sieben Prozent. Deilmann sagt, inzwischen sei eine fünfstellige Anzahl an Geräten installiert.
Die Frage bei solchen Systemen ist, wo die Datenanalyse stattfindet. In der Cloud, also auf entfernten Servern, wo Daten gesammelt werden, oder auf dem in die schicke Box eingebauten lokalen Computer. Bei Tado laufen die Daten, mit denen die Charakteristika eines Hauses erlernt werden, in der Cloud zusammen. „Das hilft, die Algorithmen zu verbessern“, sagt Deilmann. Der zentrale Server schickt die Regelparameter zurück in die einzelnen Häuser, wo dann die eigentliche Regelung stattfindet.

Neue Angebote für Solarstromproduzenten

Vor allem erlaubt dieser Ansatz, wenn Tado ihn auch auf den Stromsektor ausweitet, beim Netzbetrieb zu helfen, zum Beispiel Regelenergie anzubieten. Und zumindest den Schritt in den Stromsektor hat das Münchner Unternehmen bereits getan. „Bei uns sind schon rund 1.000 Häuser mit Wärmepumpen angeschlossen“, sagt Deilmann. „Diese Lasten kann man im Prinzip sieben bis acht Stunden verschieben.“ Das gilt zumindest bis weit in die Übergangsphasen hinein, wenn die Wärmepumpen nicht rund um die Uhr laufen müssen. Regelenergie wirklich anzubieten sei in der Planung.
Das würde das Geschäftsmodell deutlich erweitern. Anders als viele ähnlich aufgestellte Start-ups in den USA verkauft Tado an den Endkunden, und nicht an Netzbetreiber. Der damit erlangte Zugang zu Daten und Steuermöglichkeiten erlaubt es Tado dann, weitere Dienstleistungen anzubieten. Wobei im Falle der Regelenergie der Kunde davon profitieren muss, wird doch in die Steuerung seiner Heizung eingegriffen.
Die andere Erweiterung betrifft die Photovoltaik. Berücksichtigt die Steuerung, wann wie viel Solarstrom produziert wird, und Prognosen dazu, lassen sich die Wärmepumpen so steuern, dass der Eigenverbrauch signifikant erhöht wird. Ebenso steigt der Solarstromanteil der Wärmepumpenversorgung, was die Heizung deutlich umweltfreundlicher macht. So ist es im Prinzip möglich, mit einer Fünf-Kilowattpeak-Anlage bei einem Haus mit 8.000 Kilowattstunden Raumwärme- und Brauchwasserbedarf den Solarstromanteil von rund 15 auf 25 Prozent zu steigern (siehe pv magazine Juni 2014, Seite 82). „Momentan analysieren wir noch die Wärmepumpensteuerungen“, sagt Deilmann. Nächstes Frühjahr will er so weit sein, dass seine Geräte die Aufgabe erfüllen können. Auch da wird man sehen, was es bringt, wenn die Optimierung der Modelle in der Cloud statt im eigenen Haus stattfindet. Andere Anbieter setzen auf selbstlernende Systeme in den eigenen vier Wänden.
Eine Gründungsgeschichte aus dem Bilderbuch Auch Tado ist ein klassisches Start-up, bei dem Christian Deilmann und sein Mitgründer Johannes Schwarz das Geschäftsfeld von Beginn an aufgebaut haben. Während sie noch in einem anderen Job waren, konnten die Energietechniker nicht mehr zusehen, wie sie und ihre Eltern Energie verschwendeten, so Deilmann. Die Häuser mutierten zu ihren Versuchslaboren, als sie 2010 angefangen haben, dort zu messen und zu regeln. Ende September haben sie das Unternehmen gegründet. Anfangs half die LMU München, die Bewerbung für ein kostenloses Büro in der Universität, das sie ein halbes Jahr lang nutzen durften, war erfolgreich. Im November bekamen sie die erste Finanzierung von der Venture-Capital-Firma Target Partners, bei der Deilmann vorher gearbeitet hat. Gerade hat Tado die zweite Runde über zehn Millionen Euro abgeschlossen, insgesamt sind es jetzt 20 Millionen. Das Unternehmen ist immer noch stark entwicklungslastig, etwa die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet als Entwickler – übrigens auch ein Merkmal von Start-ups. Sieben Jahre haben sie laut Deilmann jetzt Zeit, das investierte Geld zu erwirtschaften, zum Beispiel durch einen Börsengang.
Inzwischen expandiert Tado auch in die USA, und zwar mit einem abgewandelten Produkt, das Klimaanlagen ansteuern kann. Für die Kombination mit Photovoltaik dürfte dies das Gerät nochmals interessanter machen. Die Finanzierung kam allerdings nur zum Teil durch das Crowdinvesting, das Tado dazu gestartet hat. Auf der Plattform konnten Interessenten das Produkt kaufen, bevor es produziert war. „Wir wollten wissen, welche Märkte dafür bereit sind“, erzählt Deilmann. Die unkonventionelle Marktforschung ergab, dass 45 Prozent der Bestellungen aus den USA kamen, darauf folgten Singapur und Italien. Diese Märkte hat Deilmann jetzt auch im Visier.
Die Frage nach dem Datenschutz sei übrigens kein Thema in Verkaufsgesprächen, auch nicht in Deutschland. „Wir haben viele Kundenanfragen, aber nicht zu dem Thema“, sagt er. Sie würden auch darauf achten, dass sensible Daten nicht auf den Servern gespeichert würden. Die Kunden, die die Handy-Ortungs-Funktion zur Heizungssteuerung nutzen, haben den Sündenfall sowieso schon hinter sich. Denn als Erstes müsse man ja sein Smartphone ausschalten, wenn man Datenschutz hochhalte.

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