Mobile Minihäuser: Klein, aber frei

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Iris und Christian Vilsmaier träumen, wonach viele junge Paare sich sehnen, von einem eigenen Häuschen im Grünen. Doch das scheint bei der derzeitigen Situation am Münchner Immobilienmarkt aussichtslos. Baugrundstücke und der Hausbau dort sind ausgesprochen teuer. Wer sich dafür entscheidet, sollte schon sicher sein, dass er an diesem Ort alt werden und dafür einen gepfefferten Kredit abzahlen möchte.

Doch das sind die Vilsmaiers nicht. Schließlich könnten berufliche Veränderungen einen Umzug nötig machen. Außerdem sehen sie, welche Umweltprobleme der Bauboom mit sich bringt: rasante Flächenversiegelung, hoher Energieaufwand, Müll und im Ergebnis ein Wohntraum für zwei auf mehr als 100 Quadratmetern, die eingerichtet, beheizt und versorgt werden müssen. Das wollten die beiden nicht und fanden eine kreative Lösung – ein Tiny House auf Rädern.

Seit einigen Jahren ist der Trend zu Tiny Houses, was übersetzt „winzige Häuser“ heißt, auch in Deutschland angekommen. Im Internet findet man unzählige Videos von Singles, Paaren und ganzen Familien, die sich auf Häuser mit wenigen Quadratmetern beschränken und ihren Lebens- und Einrichtungsstil präsentieren.

Die Idee dahinter lautet – wenn ich mich auf einen kleinen Raum beschränke, konzentriere ich mich auf das Wesentliche, verbrauche weniger Ressourcen, entkoppele mich von der Konsumgesellschaft und lebe nachhaltiger im Einklang mit der Natur. Wer noch einen Schritt weiter geht, verzichtet dazu noch auf das eigene Grundstück und entscheidet sich für ein mobiles Minihaus. Das wird direkt auf einen Anhänger gebaut und kann an den unterschiedlichsten Orten abgestellt werden – Wohneigentum to go.

Die Vilsmaiers fanden diese Idee unschlagbar. Sie haben sich deshalb als neues Zuhause einen „Wohnwagon“ bestellt – so heißt das Tiny House des gleichnamigen österreichischen Herstellers. Es hat in der größten Ausführung knapp 32 Quadratmeter und entspricht somit einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung. Inklusive der Autarkielösungen und der Einrichtung kostet es 140.000 Euro. Der Wagen ist zehn Meter lang, aber für den Transport nur 2,50 Meter breit. Am Stellplatz lässt sich ein Erker mit zwei mal 3,30 Metern ausziehen.

Für das Paar, das bislang auf 62 Quadratmetern lebt, bedeutet das zunächst, den Hausstand deutlich zu verkleinern. „Eine Wohnung hat auch viel Lauffläche“, meint Iris Vilsmaier, „wenn ich die reinen Abstände zwischen Möbeln spare und den Schreibtisch hochklappe, sobald ich Platz brauche, kann ich die Wohnfläche schon deutlich reduzieren.“ Gäste könnten künftig im Erker schlafen und ein Arbeitszimmer wäre auch nicht unbedingt nötig, ergänzt ihr Mann. Trotzdem müssten sie sich aber einschränken und von Dingen trennen. Als erstes hat er das Bügeleisen verschenkt.

Eine wichtige Frage bei der Entscheidung für oder gegen ein Gerät ist aber nicht nur der Platzbedarf, sondern auch der Stromverbrauch. Mobile Häuser müssen zumindest zeitweise autark funktionieren. Der „Wohnwagon“ hat den Anspruch, ein fast vollständig energieautarkes Leben zu ermöglichen, das sogar unabhängig von einer Wasserversorgung ist.

Die zehn Solarmodule auf dem Dach haben eine Leistung von etwa drei Kilowatt und produzieren knapp 3.000 Kilowattstunden Strom im Jahr, den zwei Wechselrichter ins Haus einspeisen. Das kleinere Gerät mit 400 Watt Leistung ist dann in Betrieb, wenn der Bedarf im Haus nur sehr gering ist. Steigt die abgerufene Leistung an, arbeitet der große Drei-Kilowatt-Wechselrichter. Das senkt den Eigenverbrauch der Wechselrichter und erhöht die Effizienz. Die mitangebotene DC-gekoppelte Batterie hat maximal eine Kapazität von neun Kilowattstunden und wird über einen Laderegler geladen, wenn der Bedarf im Haus niedriger ist als die zur Verfügung stehende Solarleistung.

Holzheizung ersetzt Sonnenstrom im Winter

Im Winter wird es je nach Wetterlage Tage geben, an denen nicht einmal eine Kilowattstunde vom Dach kommt. Deshalb ist es wichtig, dass der Stromverbrauch im „Wohnwagon“ im Winter zurückgeht. Dazu hat es eine bivalente Heizungsanlage, die außer dem Strom auch Holz nutzt. Das System kombiniert die Heizkörper mit einem 300-Liter-Pufferspeicher und einem Holzofen. Trinkwasser wird mit einem Boiler erwärmt. Im Sommer werden überschüssige Solarerträge für die Trinkwassererwärmung eingesetzt, in der Übergangszeit auch für die Raumheizung. Daher ist der Stromverbrauch im Sommer vergleichsweise hoch.

Im Winter heizen die Bewohner den Holzofen an. Dieser erwärmt sowohl direkt den Raum als auch den Pufferspeicher und das Trinkwasser. Der Pufferspeicher erlaubt den Verzicht auf Strom und erhöht den Komfort. Denn wenn der Ofen einmal ausgeht, entnimmt die Heizung Wärme aus dem Pufferspeicher und springt nahtlos ein.

Nach Angaben von Patrick Röggla und Maximilian Mai, die bei dem Unternehmen als Projektmanager für die Autarkielösungen zuständig sind, benötigt ein durchgängig im Winter bewohnter Wohnwagon drei bis vier Raummeter Scheitholz pro Jahr. Auch die Waschmaschine bezieht Warmwasser aus dem Pufferspeicher und reduziert ihren Strombedarf dadurch erheblich. Außerdem werden Holzöfen mit Kochfläche und Backröhre angeboten. Christian Vilsmaier ist sich noch nicht sicher, ob er mit der angebotenen Batterielösung auskommen wird. Er plant den Speicher, der im Boden des Wagens untergebracht ist, auf 30 Kilowattstunden zu vergrößern, um notfalls auch zwei Wochen ohne Erträge der Photovoltaikanlage zu überstehen. Denn sein Ziel ist es, tatsächlich autark zu sein.

Der „Wohnwagon“ ist mit einer bivalenten Heizungsanlage ausgestattet. Das System kombiniert Heizkörper mit einem 300-Liter-Pufferspeicher und einem Holzofen.

Foto: Christian Vilsmaier

Die Vilsmaiers besitzen kein eigenes Baugrundstück, auf dem das kleine Haus stehen könnte. Sie suchen noch nach einem geeigneten Stellplatz, wenn im Juni ihr bestellter „Wohnwagon“ geliefert wird. Bereits seit Beginn ihrer Planungen versuchen sie, mit der Stadt München zu verhandeln, ob sie ihr Haus auf ungenutzte städtische Flächen stellen können. Eine Nutzung, bei der die Brache nicht bebaut und nicht beschädigt wird, sondern sogar den Pflegeaufwand senkt, könnte doch im Interesse der Stadt sein, argumentiert das Paar. Schließlich würde auch neuer Wohnraum geschaffen und die alte Wohnung für neue Mieter frei.

Doch solch eine Anfrage außerhalb der regulären Prozesse ist langwierig und schwierig. Ein Tiny House benötigt meist unabhängig von der tatsächlichen Größe und von seiner Beweglichkeit eine Baugenehmigung, da es zum Wohnen gedacht ist und somit Aufenthaltsräume, eine Toilette und oft auch eine Feuerstelle enthält. Ohne Baugrundstück wird es schwierig. Die Vilsmaiers haben nicht nur viele konkrete Grundstücke bei der Stadt angefragt, sondern auch ihre Absichten dargelegt und nun hoffen sie, dass die Verwaltung eine Grundsatzentscheidung zu Minihäusern fällt, denn inzwischen gebe es bereits mehrere Anfragen auch von anderen Bauherren dazu. „Im besten Fall gibt die Stadt ein kleines Grundstück frei, das für ein echtes Haus zu klein wäre“, hofft Christian Vilsmaier.

Anschlusszwang statt autarker Wasserversorgung

Neben der Autarkie im Strom- und Wärmebereich stellt sich auch die Frage nach dem Wasser- und Abwasseranschluss. Prinzipiell ermuntert das österreichische Unternehmen die Käufer, auch hier eine autarke Lösung zu wählen. So vertreibt es eine Pflanzenkläranlage und eine Wasseraufbereitung für Regenwasser. Regenwasser wird in einem Vorratsbehälter aufgefangen und mit einer Pumpe zum Verbraucher gepumpt, wo es gefiltert und mit UV-Licht auf Trinkwasserqualität gebracht wird. Falls es einmal nicht regnet, kann der Vorrat natürlich aus anderen Quellen aufgefüllt werden. Grauwasser, zum Beispiel aus der Dusche oder der Waschmaschine, aber nicht aus der Toilette, kann dann in der Pflanzenkläranlage durch Wurzelaktivität und Mikroorganismen wiederaufbereitet und in die Natur entlassen werden.

Die Pflanzenkläranlage auf dem Dach des Wohnwagons sei an 95 Prozent der Tage nutzbar, sagt Röggla. Nur an fünf Prozent der Tage sei es zu kalt für eine effiziente Reinigung. Auch ein Kreislauf sei möglich, aber während man beispielsweise in der Schweiz nur nachweisen müsse, dass das Trinkwasser keine Schadstoffe enthalte, dürfe in Deutschland prinzipiell kein Grauwasser aufbereitet werden, so Mai.

Seit 2017 im eigenen kleinen Haus

Doch keine Regel ohne Ausnahme. 2016 gewann das Ein-Kilowatt-Tiny-House von Ownworld den pv magazine Award für das damals noch im Bau befindliche autarke Haus und sein Energiekonzept (pv magazine September 2016, Seite 6). Inzwischen wohnt Klemens Jakob, damals der Gründer von Ownworld, seit mehr als zwei Jahren in seinem Minihaus. Lange genug, um eine Bilanz zu ziehen. Gerade das Thema der Wasseraufbereitung hat auch ihn sehr beschäftigt. Das Haus hat keinen Wasseranschluss, sondern einen Kreislauf, der aus Grauwasser in einer biologischen Kläranlage mit Pflanzen und Mikroorganismen Trinkwasser aufbereitet. Die letzte Stufe der Reinigung ist dabei eine Osmose-Umkehranlage. Eine Masterarbeit habe sich bereits mit seinem Wasserkreislauf beschäftigt und er habe 5.000 Euro für Tests ausgegeben, um dem Gesundheitsamt schließlich eine Genehmigung abzuringen, erzählt Jakob. Aber er verstehe auch die Position der Behörde, denn der Nutzer ist selbst dafür verantwortlich, sein Wasser sauber zu halten und das könne man schlecht verallgemeinern.

Neben dem Wasserkreislauf hätten sich auch die anderen Lösungen im Haus sehr gut bewährt: das sparsame Gleichstromnetz, die Geräte ohne Stromanschluss, wie die pedalbetriebene Waschmaschine, die kleine Batterie und das Phasenwechselmaterial in der Zwischendecke zur Heizungsunterstützung. Nur die 200 Kilogramm unter dem Fußboden hätte er wieder entfernt, da er sich nur selten ausreichend aufgewärmt hatte, um das Material zu regenerieren. „Ich habe noch nie besser gelebt“, betont Jakob. Aber froh ist er doch, dass sein Haus fest auf dem Boden steht und nicht herumfahren kann, denn das führe zu Qualitätsmängeln, glaubt er.

Der Stromverbrauch im „Wohnwagon“ sinkt im Winter deutlich, da der Solarstrom nicht mehr für die Heizung und Trinkwassererwärmung verwendet wird. Trotz Inselbetrieb bleibt der Ladestand der Batterie das ganze Jahr über hoch.

Grafik: pv magazine/Harald Schütt

Das A und O sind Qualität und Nachhaltigkeit

Mobile Tiny Houses sind im Trend und werden von vielen verschiedenen Herstellern angeboten. Einige dieser Anbieter beschränken das Gewicht ihrer Häuser, um sie auf Anhänger zu bauen, die für 3,5 Tonnen zugelassen sind. Somit besteht die Versuchung, an der Dämmung oder am Baumaterial Gewicht zu sparen. Doch Plastik und Styropor werden dem Wunsch nach Nachhaltigkeit nicht gerecht.

Ein häufiger Transport der leichten Häuser setzt zudem eine hohe Stabilität in der Konstruktion voraus und wird sich nachteilig auf die Langlebigkeit auswirken, die voraussichtlich nicht mit stationären Häusern mithalten kann. Die ausgeklügelten Autarkiekonzepte erfordern nicht nur hohen technischen Sachverstand, es ist auch zweifelhaft, ob beispielsweise eine Pflanzenkläranlage häufige Umzüge toleriert.

Eines der leichteren Tiny Houses ist beispielsweise das „Etiny“ von Eco Tinyhouse. Auch hier wird auf Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft gesetzt, auf Lehm- oder Kalkfarbe und Dämmstoffe aus Flachs, Wolle und Holzfaser. Auf dem Pultdach kann eine Solaranlage mit bis zu 4,6 Kilowattpeak installiert werden. Für die Autarkie sorgt optional ein Batteriespeicher. Die Kunden können außerdem zwischen Pellet- und Kaminofen oder einer Gastherme entscheiden. Das Gas würden die Bewohner als Gasflasche oder Flüssiggasbehälter mitführen. Auch Module zur Regenwassernutzung und zur Brauchwasserreinigung sind verfügbar. Ein Clou war im letzten Jahr auch das Tiny House von Diekmann, das Tchibo verkauft hat. Das Häuschen war mit zehn Quadratmetern ab 39.999 Euro erhältlich und kann auch als mobiles Büro oder Wochenendhaus eingerichtet werden.

Ganz bewusst hat sich Klemens Jakob gegen den kommerziellen Verkauf von Ownworld-Häusern entschieden. Er wollte die Idee zwar teilen, aber keinen Gewinn damit erwirtschaften. Nun stehen er und seine Mitstreiter als Verein Interessenten mit Erfahrungen und Plänen, mit Rat und Tat zur Seite.

Vilsmaiers treffen sich regelmäßig mit Gleichgesinnten zum Tiny-House-Stammtisch und sie haben sich eine Domain reserviert und wollen über ihre Erfahrungen im autarken Minihaus bloggen. „Solche Beispiele sind gut“, sagt Maximilian Mai von Wohnwagon, „denn sie zeigen, dass Autarkie nichts ist, wovor man Angst haben muss. Sie zeigen, dass es funktioniert.“ Er ist überzeugt, dass man die Autarkiekonzepte, die er und seine Kollegen im Minihaus erproben, auch auf größere Häuser übertragen kann. Den Energiebedarf senken, in Kreisläufen denken und Solarstrom selbst erzeugen und speichern, sind die Mittel zum Ziel.

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