Das US-Managermagazin Forbes hat auch in diesem Jahr wieder die reichsten Menschen der Welt ermittelt. China holt demnach rasant auf. Zählte das Land 2010 nach Forbes 69 Dollar-Milliardäre, so seien es 2011 schon 115. Das wäre immerhin eine Steigerung um 66 Prozent in Jahresfrist. Der erste Solarmilliardär weltweit war und ist übrigens auch ein Chinese, Shi Zhengrong, der Gründer von Suntech, dem größten Modulbauer der Welt.
Die Konjunktur brummt, die Wirtschaftsleistung in China ist allein im zweiten Quartal 2011 um 9,6 Prozent gewachsen. Suntech dagegen hat seine Modulproduktion von 2009 zu 2010 sogar versechsfacht. Andere chinesische Modulproduzenten wachsen ebensorasant: So führen gleich vier von ihnen die Top Ten der größten Modulhersteller an.
Aber produzieren ist das eine, verkaufen das andere. „Wenn ich mir die Entwicklung der Produktionskapazitäten anschaue, wird schnell deutlich: Das ist weit mehr, als wir für die Entwicklung des Bedarfs erwarten“, warnt Christian Rath, Analyst von HSBC Trinkaus in Düsseldorf. „Die Lager sind immer noch voll, und die Ware muss verkauft werden.“ Warum dann nicht einfach die Preise senken? Das passiert momentan, aber die Nachfrage lässt sich nicht so schnell ankurbeln. Bis jetzt haben die Hersteller weiter produziert, erst ab Ende März jedoch damit angefangen, die Preise zu reduzieren. „Das ist eine Situation, diesich von Jahr zu Jahr wiederholt“, erklärt Marktforscher Dirk Morbitzer, Geschäftsführer von Renewable Analytics in San Francisco. „Wenn die Anlage ständig günstiger wird, verdient ein Investor mehr Geld damit, noch eine Woche zu warten. Und wenn es nächste Woche wieder günstiger wird, dann lohnt es sich eben auch noch, diese nächste Woche zu warten. Erst wenn die Preise an einem Punkt angekommen sind, wo die Renditeerwartung stimmt und der Preis über mehrere Wochen stabil ist, dann kehren die Kunden in den Markt zurück und kaufen wieder.“ Morbitzer glaubt, dass diese Situation bei Modulen unmittelbar bevorsteht. „Ich schätze im Moment, dass die Preise noch rund fünf Prozent sinken werden.“Nach unten begrenzt ist die Abwärtsspirale dann beispielsweise auch durch die konjunkturbedingt anziehenden Rohstoffpreise. Steigende Transportkosten wirken sich vor allem für die asiatischen Hersteller negativ aus, weil die Hauptabnehmer für ihre Module immer noch in Europa sitzen und die Anlieferungswege damit für sie lang sind.
Für dieses Jahr prognostiziert der Analyst Henning Wicht von IHS iSuppli in München zwar noch eine Nachfrage von 22 Gigawatt weltweiter Modulproduktion. Aber schon 2012 könnten es nur noch 18 bis 19 Gigawatt sein. Und das bei stark ausgebauten Produktionskapazitäten. „Und dann ist die Kernfrage: Wer hat genug Vertriebsvolumen, um die Fabriken auszulasten? Oder wer ist inzwischen im Downstream-Bereich so aktiv, dass er damit die mangelnde Nachfrage bei den Modulen ausgleichen kann?“ Die chinesischen Hersteller sind Preisführer. Mit ihren Kapazitätserweiterungen haben sie auch die nötigen Mengen, um weiter Skaleneffekte zu erreichen. Unter den Top drei tut es keiner mehr unter einem Gigawatt Jahresproduktion. Das macht die Produktionimmer billiger. „Es werden jetzt schon Produktionskosten um einen Dollar herum zum Ende dieses Jahres genannt“, sagt Wicht. So konnten die Unternehmen aus dem Reich der Mitte weiter Marktanteile hinzugewinnen.
Viel dazugelernt
Suntech, der weltgrößte Modulhersteller, verkauft teurer als die anderen Chinesen und kann sich dabei auf seinen Markennamen verlassen. Der Modulhersteller hatte jedoch versucht, regionalspezifische Preise bei seinen Kunden durchzusetzen, beispielsweise durch ein hohes Preisniveau in Italien. „Aber besonders die großen Kunden haben klargemacht, dass sie sich 2011 nicht auf regionalspezifische Preise einlassen“, so Morbitzer. Ein Großhändler, der in mehreren Ländern tätig sei, wisse am Anfang des Jahres oder im Laufe des Vorjahres, wenn er den Vertag unterschreibe, nicht, wo er das Modul hinliefere. Wenn er es weiß, möchte er das seinem Lieferanten gegenüber nicht offenlegen, erklärt Morbitzer. „Ich glaube, Suntech hat in den letzten drei Monaten sehr viel dazugelernt, was mit den Kunden machbar ist und was nicht.“ Mit derStrategie, sich nicht nur downstream, sondern auch upstream zu orientieren, schert Suntech bei den chinesischen Mainstream-Produzenten etwas aus und kann sich mit der eigenen Waferproduktion von Marktschwankungen bei Zulieferern unabhängiger machen.
Suntech hatte sich im vergangenen Jahr auch mit Dünnschichtproduktion versucht, aber die neue Technologie inzwischen schon wieder aufgegeben. „Es waren relativ spezielle Produkte für gebäudeintegrierte Photovoltaik, und das ist ein Nischengeschäft“, sagt Wicht. Das habe sich wohl nicht gelohnt, wenn jemand die Nummer eins bei den kristallinen Modulen sein möchte. „Dann sollte er sein ganzes Geld in die Modulfertigung investieren.“ Das macht Suntech künftig auch so, wie am geplanten Kapazitätsausbau für 2011 zu sehen ist. So könnte nur LDK mit noch ehrgeizigeren Plänen der Nummer eins am Ende dieses Jahres gefährlich werden.
Yingli Green Energy, die Nummer zwei, wenn die ausgelagerte Fertigung mit einbezogen wird, hat einen riesigen Sprung gemacht und ist in Italien sehr stark. Der voll integrierte Herstellerproduziert sowohl Wafer als auch Zellen und Module in einem gleich großen Volumen. Außerdem hat Yingli aber noch eine eigene Siliziumfertigung, die sich langsam entwickelt. Auf der Intersolar im vergangenen Jahr stellte der chinesische Hersteller die neuen Panda-Module vor. „Sie sind etwas effizienter zu nur geringfügig höheren Preisen“, lobtMorbitzer. Mit der Bandenwerbung zur letzten Fußballweltmeisterschaft und als Sponsor des Bundesliga-Fußballclubs Bayern München steigert Yingli seinen Bekanntheitsgrad. Praktischerweise liegt die Europazentrale in München. Unternehmensgründer Miao Liansheng, übrigens auch ein Pionier der chinesischen Solarindustrie, ist mittlerweile Milliardär und möchte seinen Lebensabend in Bayern verbringen.
„Qualität und Preis stimmen“, urteilt Dirk Morbitzer über Trina Solar. Der Modulhersteller fertigt ebenfalls Wafer und Zellen, und das alles an einem Ort im chinesischen Changzhou. Das senkt die Kosten. So kann sich das Unternehmen weiter voll auf Wachstumkonzentrieren. Trina ist mittlerweile in die Top drei aufgerutscht. Ein genauerer Blick zeigt schon: Der Modulproduzent lässt weniger Module extern produzieren als Yingli und hat schon jetzt mehr eigene Fertigung als die Nummer zwei. Die Pläne zum Ausbau der Kapazität sind ambitioniert.
Präsenz in Ontario
Canadian Solar würde bei einem Ranking ausschließlich nach dem Kriterium Inhouse-Produktion schon jetzt auf dem zweiten Platz stehen. Das chinesische Unternehmen ist im vergangenen Jahr einer der schnellen Aufsteiger gewesen. Henning Wicht schätzt die Gewinnsituation ein: „Mit sieben Prozent Marge, die wir errechnet haben, liegt Canadian Solar nicht schlecht und nur etwas niedriger als die Nummer eins, Suntech.“ Durch den anteilsmäßig noch stärkeren Ausbau der Kapazitäten war die Produktionsauslastung etwas niedriger als bei Suntech. Aber das ist für den Analysten kein Problem. Wichtig sei es jetzt, den entsprechenden Vertrieb aufzubauen, um die Ware, die zu produzieren möglich ist, dann auch loszuwerden. Und das gehe eben nicht ganz so schnell: „Insofern würde ich Suntech, Yingli und Trina durchaus noch einen gewissen Vorsprung einräumen.“ Canadian Solar baut derzeit im kanadischen Ontario eine neue Fertigung mit 200 Megawatt Kapazität zum Jahresende 2011 auf und nutzt so den förderpolitischen Vorteil, mit der dortansässigen Produktion den lokalen Markt bevorzugt zu bedienen. „Diese Position könnten sie noch stärker ausbauen, wenn sie dort weitere Marktanteile gewinnen“, sagt Wicht.
Sharp ist das einzige japanische Unternehmen in der Top Ten der kristallinen Modulhersteller. Rath rechnet damit, dass der Technologiekonzern dadurch besonders von dem energiepolitischen Umdenken profitieren wird, das nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima begonnen hat. Sharp hat in Europa ein gutes Vertriebssystem und baut es in Ost- und Südeuropa gerade weiter aus. Gegen die großen kristallinen Modulhersteller aus China haben die Japaner aber hinsichtlich der Größe an Rang verloren. Kein Wunder, die Wachstumsziele waren und sind im Vergleich zu den Chinesen verhalten. Stattdessen forciert Sharp seine mikromorphe Dünnschichtproduktion.
Der chinesische Hersteller Hanwha Solar One, ehemals Solarfun, hat von 2009 auf 2010 seine Produktionskapazität nahezu verdoppelt und von 2010 zu 2011 mehr als verdoppelt. „Sie nehmen momentan sehr viel Geld in die Hand, um ihre Produktion auszubauen“, sagt Morbitzer. „Allerdings haben sie nicht den großen Markennamen.“ Hanwhas bisherige Stärke ist die Auftragsfertigung für andere große Hersteller von Modulen.
LDK, wiederum ein chinesischer Hersteller, hat bisher ebenfalls gewaltigeInvestitionen gestemmt, um seine Kapazitäten auszubauen. Nach Kapazitäten wird das Unternehmen in diesem Jahr wohl die Nummer eins. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie solch eine Produktion durch den Vertrieb abgesichert werden kann. „Eine Modulfertigung aufzubauen, kostet letztendlich nicht so viel Geld“, so Rath. „Ob man das dann auch verkauft bekommt, ist eine andere Frage.“ LDK ist in der Hauptabnehmerregion Europa beispielsweise noch lange nicht so bekannt wie die höher Platzierten. Gegenüber der Nummer eins, Suntech, habe LDK jedoch den Vorteil, selbst Silizium und Wafer herzustellen, sagt Wicht. „Sie sind damit von den gesamten Marktschwankungen bei den Zulieferern unabhängig.“
Neue Herausforderungen
Der US-Hersteller Sunpower ist kürzlich von dem französischen Mineralölkonzern Total übernommen worden. Sunpower steht mit seinen Modulen für hohe Qualität, allerdings auch zu hohen Preisen. Mit Total im Rücken wird der finanzielle Spielraum größer. Die Franzosen haben damit auf der anderen Seite einen guten Zugang zum amerikanischen Markt. Auch in den USA ansässig ist das Unternehmen Jabil Circuit. Die Kalifornier sind kaum bekannt, weil sie sich wie Hanwha auf die Auftragsfertigung spezialisiert haben. Sie lassen an Standorten wie Mexiko und Polen preiswert fertigen. Auf Platz zehn kommt schließlich mit Solarworld noch ein deutsches Unternehmen, das im US-amerikanischen Markt mittlerweile ebenfalls mitmischt, in Italien dazu. Als bekannte Marke bleibt Deutschland aber immer noch die Basis.
Gegenüber den chinesischen Herstellern haben die anderen Produzenten aber künftig kaum noch eine Chance auf die ersten Plätze. Allerdings müssen sich auch die Chinesen neuen Herausforderungen stellen. „Ein Problem wird die Steigerung der Arbeitskosten sein, ein anderes die Wechselkursentwicklung“, sagt Dirk Morbitzer. China wertet seine Währung auf, die Modulhersteller leben aber vor allem von den Exporten. Spätestens wenn diese einbrechen, muss die Regierung den Solarstrom im eigenen Land stärker fördern, um eine Branchenkrise zu vermeiden. Darüber würden sich dann auch die chinesischen Solarmilliardäre freuen.
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