Senec kauft die Leistungselektronik nicht ein, sondern entwirft sie selbst und lässt sie dann produzieren. Warum?
Mathias Hammer: Wir können dadurch sehr schnell auf Marktänderungen reagieren und unsere Produkte besser an die Anforderungen der Kunden anpassen. Das ist wichtig, denn die Speicher werden zu der zentralen Steuerungseinrichtung im Haus für alle wichtigen Verbraucher. Speicher sind mehr als Geräte zum Stromspeichern, sie werden das Tool zur Unabhängigkeit.
Das bedeutet aber auch, dass Sie die Leistungselektronik selbst entwerfen und designen müssen. Wie ist Ihr Entwicklungsteam aufgestellt?
Wir haben acht Hardwareentwickler und 14 Softwareentwickler. Die sind gut beschäftigt.
Früher gab es Qualitätsprobleme. Was ist da passiert?
Wir haben zunächst das Design von Solarwechselrichtern genommen und auf Batteriewechselrichter übertragen. Das hat nicht immer ganz geklappt, weil es eben doch Unterschiede gibt. Ein Speicher läuft 24 Stunden durch, ein Wechselrichter nur acht oder zehn Stunden, von dieser Zeit läuft er drei Stunden auf Volllast. Es gibt noch weitere Unterschiede, daraus ergab sich dann ein Bestückungsfehler. Solarwechselrichter arbeiten mit niedrigeren Strömen. Da kann man eine einfachere Lötqualität zulassen als bei Batteriewechselrichtern. Das haben wir vielleicht am Anfang unterschätzt.
Welche Fehler können auftreten?
Die allermeisten Fehler sind Bauteilfehler durch Lötfehler, für Stromspeicher ungeeignete Bauteiltoleranzen und Frühausfälle. Das sind die wesentlichen Gründe, warum Leistungselektronik nicht den Anforderungen im Speicher gerecht wird. Designfehler kann es auch geben, aber die kann man durch einen Funktionstest und durch Simulationsprogramme fast komplett beseitigen. Bauteilfehler finden wir jetzt mit den sogenannten Flying-Probe-Systemen. Dabei kontrollieren wir jedes einzelne Bauteil. Man merkt dann natürlich auch, wenn ein Bauteil fehlt. Dann gibt es eine automatische optische Inspektion. Diese erfolgt mit einer Kamera und mit einer Röntgenaufnahme. Damit findet man beispielsweise alle Lötprozessfehler. Die Bauteiltoleranzen finden wir jetzt, indem wir an jedem Speicher einen Funktionstest auf Baugruppenebene machen. Zusätzlich führen wir Klimatests durch, vergleichbar dem Automobilbau. Wir setzen die Speicher zum Beispiel hohen Temperaturen aus, um Bauteilausfälle in der Frühphase zu erkennen.
Wie groß ist so eine Stichprobe?
Zwei Wechselrichter aus einer 100-Stück-Charge, also zwei Prozent.
Haben Sie das mit den Wechselrichtern aus alter Produktion auch einmal gemacht, um den Vergleich zu sehen?
Bei den Wechselrichtern aus alter Produktion haben wir das jetzt nachträglich gemacht. Die Fehler waren nicht so schlimm, wie wir befürchtet haben, aber es gab mehr Ausfälle, als wir tolerieren wollen. Das liegt im Wesentlichen am Lötprozess, den der alte Bestücker hatte. Das klingt jetzt schlimmer, als es ist: Wenn die Geräte länger als ein halbes Jahr laufen und es zu keinem Ausfall kommt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass dieses Problem auftritt. Das hat mit der „Fehlerkurve“ zu tun. Danach treten Fehler am Anfang des Lebenszyklus und am Ende auf, aber nicht während der überwiegenden Lebensphase.
Die Fehler, die bei den Geräten aufgetreten sind, sind Garantiefälle?
Ja, selbstverständlich.
Belastet das die Firma sehr?
Nein, das liegt alles in dem Bereich, der durch die Rückstellung gedeckt ist. Der Aufwand hierfür beträgt ein Prozent vom Umsatz.
Wie viele Reklamationen gab es?
Bei den ersten 400 Geräten, die wir verkauft haben, hatten wir einen Serienfehler. Die betroffenen Geräte haben wir alle getauscht. Danach hatten wir noch einmal kleinere Anwendungsfehler. Wenn man die Serienpanne weglässt, hatten wir am Anfang bei den ersten 1.000 Geräten eine Fehlerquote von zehn Prozent. Danach konnten wir diese auf ungefähr zwei bis drei Prozent reduzieren, jetzt sind wir bei einem halben bis einem Prozent, seit wir mit dem neuen Bestücker arbeiten. Bei den ganz neuen Geräten, die wir auf der Intersolar vorgestellt haben, haben wir noch höhere Testanforderungen. Die gehen über die im Automobilbau hinaus. Wir vermuten, dass wir damit ungefähr 0,1 Prozent erreichen werden.
Auf welchen Zeitraum beziehen sich die Prozentangaben?
Auf den gesamten Lebenszyklus. Wenn der Speicher die ersten sechs Monate läuft, ist es sehr wahrscheinlich, dass er ohne große Fehler weiterläuft.
Wie haben Sie dann einen neuen Bestücker gesucht?
Wir haben einen Bestücker gesucht, der Erfahrung mit Leistungselektronik hat. Elektronikbestücker auf Mikro-Controller-Ebene gibt es sehr viele. Leistungselektronik können in Deutschland nur ungefähr 30. Das war ein intensiver Auswahlprozess.
Qualität bezieht sich immer auf die Zukunft. Wie bekommen Sie Vertrauen zu einem Bestücker?
Zum Beispiel dass er für andere in der Branche sehr bekannte Firmen arbeitet. Wir arbeiten jetzt mit einer Firma in Greifswald. Sie fertigen nicht nur für andere Firmen im Solarbereich, sondern auch für die Automobilindustrie und sehr große Wärmepumpenhersteller. Außerdem sind sie für Medizintechnik akkreditiert.
Das eine sind Referenzen. Aber was sind die Unterschiede in der Produktion?
Beispielsweise hat der neue Bestücker neuere Maschinen, und er macht umfangreichere Tests als der alte Bestücker. Dazu hat er etwa ein Röntgengerät, mit dem er die Lötstellen überprüft. Jede einzelne Lötstelle, durch die hohe Ströme fließen, wird geröntgt. Eindrucksvoll ist ein Testgerät, das Flying Probe heißt. Zur Messung tastet es die Platine mit den Nadeln ab. Das geht sehr schnell, und damit lässt sich jedes Bauteil vermessen. Solche Geräte hatte der alte Bestücker nicht. Hieran sind Qualitätsunterschiede zu erkennen, die auch ihr Geld kosten. Wir haben uns entschieden, Geld für Qualität auszugeben.
Damit wird wirklich an jeder Platine, die zusammengelötet wird, getestet? Dauert das nicht ewig?
Jede einzelne Platine wird mit einem Flying Probe durchgemessen, jedes einzelne Bauteil. Wir schaffen 120 Bauteile in zehn Sekunden und brauchen für den Flying-Probe-Test des gesamten Wechselrichters mit Steuerplatine drei bis vier Minuten. Also vertretbar, finden wir.
Sie haben Aufnahmen mitgebracht, auf denen man Fehler sieht. Was kann denn alles schiefgehen?
Bild 1 zeigt eine Röntgenaufnahme an einem der Geräte aus alter Produktion. Heute würde die Platine zurückgehen und anschließend verschrottet. Damals war das leider nicht so. Man sieht eine schlechte Lötstelle mit zu geringem Lötdurchstieg, die bei hohen Strömen problematisch ist. Das haben wir damals nicht erkannt.
Was ist der Lötdurchstieg?
Dort, wo es schwarz ist, fehlt Lötzinn. Der Begriff Lötdurchstieg beschreibt, wie gut das Lötzinn den durchkontaktierten Raum gefüllt hat, wo der Draht durch die Platine verläuft. Bei normalen Photovoltaikwechselrichtern würden vielleicht 30 Prozent reichen. Im Batteriewechselrichterbereich brauchen wir eher 60 oder 70 Prozent. Bei uns waren es 50 Prozent. Das hat nicht gereicht, um die hohen Ströme zu leiten. Durch einen schlechten Lötdurchstieg kam es zum Beispiel zu Verbrennungen am Relais, was man auf Bild 2 sieht, da der Sockel heiß wurde. Wenn ein Relais geschädigt wird, kann das aber auch andere Ursachen haben, zum Beispiel Überspannung. Aber hier lag es eben an einer schlechten Lötung.
Spielen die Lötfehler auch bei der Regeltechnik eine Rolle?
Bei den Chips sind die Ströme nur gering. Trotzdem passiert es bei einer schlechten Lötstelle, dass Fehler auftreten. Zum Beispiel wenn wir ein Software-Update machen. Bei 5.000 Geräten funktioniert es und bei fünf dann eben nicht. In Zukunft werden wir das Problem nicht mehr haben.
Garantiert der Bestücker dann auch eine bestimmte Haltbarkeit?
Ja, klar. Es darf nur einen Fehler bei einer Million Bauteile geben, ähnlich wie in der Auomoibilindustrie. Deswegen belasten uns die Garantiefälle auch relativ wenig. Wir können das den Bestückern dann logischerweise in Rechnung stellen.
Wie lange geben Sie dem Kunden Garantie?
Das kommt auf das Paket an, das man kauft. Es gibt zwischen 10 und 16 Jahren Garantie.
Wie ist die Beweislast, zum Beispiel um auszuschließen, dass ein Fehler durch Überspannung entstanden ist, was ja kein Garantiefall wäre?
Ja, das wäre dann kein Garantiefall. Wenn ein Gerät nicht funktioniert, schickt der Kunde oder der Installateur das fragliche Bauteil zu uns. Dann prüfen wir es und lesen den Chip aus. Bei den neuen können wir das jetzt aus der Ferne machen. Wenn uns der Chip einen Fehler meldet, sehen wir ja sofort, woran es lag. Wenn nicht, testen wir das Gerät. Dann erklären wir den Kunden, was passiert ist. Ist es ein Bauteilfehler, ist es Garantie. Ist es eine Überspannung, ist es keine Garantie. Der Installateur kann schon, wenn er das alte Bauteil ausbaut, ein neues einbauen, sodass er nicht zweimal hinmuss.
Wie oft gibt es denn Fehler bei der Batterie?
Bei Panasonic hatten wir jetzt noch gar keinen Fehler. Wenn man Blei mit Lithium vergleicht, ist Blei etwas fehleranfälliger als Lithium. Das liegt aber nicht an der Technologie. Bleispeicher zu installieren ist schon sehr komplex, und es müssen viele Details beachtet werden. Wir haben das in der Vergangenheit unterschätzt und vielleicht auch zu wenig Service-Unterstützung geboten. Den Servicebereich haben wir personell stark aufgestockt und sind da jetzt gut aufgestellt.
Sie wollen die Fertigungstiefe in Zukunft noch weiter erhöhen und auch die Batterien selber entwerfen und bauen lassen. Warum?
Aus dem gleichen Grund wie bei der Elektronik. Zum einen um Kosten zu senken, zum anderen werden wir noch andere Applikationen anbieten. So können wir uns Multi-Megawatt-Speicher vorstellen oder auch Kleinstspeicher. Diese Flexibilität haben wir nur, wenn wir die Hoheit über die Entwicklung haben. Für jede Anwendung brauchen wir ein eigenes Produkt, und das können wir bei einer eigenen Batterieproduktion besser designen.
Das Gespräch führte Michael Fuhs.
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