Das Haus der Zukunft könnte so aussehen: Nachts bezieht Familie Müller den Strom aus ihrer Kleinwindanlage. Am Vormittag springt das BHKW an, die Sonne scheint noch nicht ausreichend, und außerdem wird Duschwasser benötigt. Die Wärmepumpe soll ja schließlich nur mit Solarstrom betrieben werden und bleibt vorerst ausgeschaltet. Mittags sind alle Energieprobleme vergessen. Die Solaranlage liefert. Der Energiemanager schaltet die Waschmaschine an. Auch für den Trockner um 15 Uhr reicht es noch. Zuvor ist sogar so viel Energie da, dass Familie Müller noch ihren Wärmespeicher lädt, mit einer Wärmepumpe, die vor kurzem einen elektrischen Heizstab abgelöst hat. Sohnemann will um 16 Uhr mit dem Elektroauto in die Stadt fahren. Der Energiemanager hat dafür gesorgt, dass es dann geladen ist.
Will man all diese Komponenten intelligent miteinander verbinden, ist das heute noch immer schwierig. Der Grund: Am Markt gibt es unüberschaubar viele Schnittstellen, Protokolle und Standards, sowohl für die Kommunikation innerhalb von Energiesystemen als auch für die Gebäudeautomation. In der Vergangenheit gab es schon mehrere Versuche, sich auf einheitliche Lösungen zu einigen. Eine Entwicklung war zum Beispiel das Kommunikationsprotokoll Modbus. Im Jahr 1979 von Modicon, dem heutigen Schneider Electric, entwickelt, hat es sich als Bussystem für Industriemaschinen im Laufe der Jahre zu einem offenen Quasistandard entwickelt, auf den viele Hersteller aufsprangen. Ein anderer Ansatz war der Europäische Installationsbus (EIB), der heute als KNX-Standard bekannt ist. Um einen offenen Standard für die Gebäudeautomatisierung zu entwickeln, schlossen sich im Jahr 1990 führende Elektronikhersteller zusammen. Noch heute ist der offene KNX-Standard weit verbreitet, Modbus ebenfalls.
Beide Beispiele zeigen im Grunde, wie sich Industrieakteure erfolgreich einander angenähert haben. Trotzdem scheint es nicht gereicht zu haben, denn viele der alten Standards blieben weiterhin erhalten, und es kamen immer wieder neue hinzu. Bekanntere Feldbusse, die heute neben Modbus und KNX im Energiemanagement und der Gebäudeautomatisierung genutzt werden, sind zum Beispiel Bacnet, LON, EHS, SMI, CAN-Bus, SmallCAN und andere. Im Bereich der Funksysteme gibt es zum Beispiel Zigbee, Z-Wave, Enocean, Bluetooth, WLAN oder auch KNX RF. Miteinander kompatibel sind die Systeme in der Regel nicht.
Anwendungsfall entscheidend
Dass es so viele verschiedene Kommunikationslösungen gibt, liegt auch daran, dass im Grunde kein Standard für alle Anwendungen gleichermaßen geeignet ist. Manchmal ist mehr Bandbreite nötig, zum Beispiel bei einer Überwachungskamera. In anderen Fällen, zum Beispiel bei einem Lichtschalter, müssen weniger Informationen ausgetauscht werden. Dann reicht eine geringe Bandbreite, die in der Regel auch mit einem geringeren Stromverbrauch einhergeht. Das ist auch für im Haus verteilte Sensoren sinnvoll. Eine weitere Entscheidung ist, ob man auf kabelgebundene Feldbusse oder auf Funksysteme setzt. Systeme, die über Kabel kommunizieren, werden tendenziell eher bei Neubauten installiert, weil bei einer nachträglichen Verlegung der Kabel hohe zusätzliche Kosten entstehen. Funkbasierte Systeme sind bei Nachrüstungen daher oft im Vorteil.
Wenn man die Historie betrachtet, haben sich auch viele Unternehmen nur innerhalb ihrer jeweiligen Domäne zusammengesetzt. Dann waren nur die Geräte innerhalb des jeweiligen Anwendungsbereichs interoperabel. Manche Standards wie zum Beispiel Modbus sind daher eher für die Kommunikation zwischen Industriemaschinen geeignet. KNX ist speziell für die Gebäudeautomation entwickelt worden. Es gibt auch Lösungen, die sich zum Beispiel nur auf Beleuchtungssysteme (zum Beispiel Philips Hue, Dali) oder Entertainment-Anlagen (zum Beispiel UPnP AV, DLNA) fokussiert haben. Jedes System hat also seine Stärken und Schwächen, die je nach Anwendung individuell abgewogen werden müssen.
Proprietär oder offen
Ob sich ein Hersteller für eine proprietäre Kommunikationslösung entscheidet oder eher auf einen offenen Standard setzt, hat in der Regel recht rationale Gründe, meint Christoph Wittwer. „Die Frage ist, ob der Gewinn größer ist, wenn man die Kunden an den eigenen Standard bindet. Dann müssen die Kunden, wenn sie weitere Komponenten in das Gesamtsystem einbinden wollen, immer wieder zum gleichen Hersteller greifen.“ Es könne aber auch sein, dass Kunden von dieser Einschränkung abgeschreckt werden und daher lieber zu Produkten eines Herstellers greifen, der mit offenen Standards arbeitet und so auch mit Produkten anderer Hersteller kompatibel ist. „Dann würde der Hersteller mit den offenen Standards am Ende vielleicht mehr Produkte verkaufen.“
Volker Grinewitschus, Professor für Energiemanagement in der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School in Bochum, findet diese Überlegungen richtig, aber er sieht bei den Herstellern auch eine gewisse Orientierungslosigkeit. „Die Firmen wissen aktuell nicht, ob offene Schnittstellen ein Fluch oder ein Segen sind“, sagt er. Die Angst vor der Disruption geht um, aus der Google und Facebook als Sieger hervorgehen könnten (siehe Interview, Seite 28).
In der Praxis für Installateure, die Photovoltaik anbieten, sieht es so aus: Viele Anbieter, zum Beispiel von Wechselrichtern, Batteriespeichern oder Energiemanagern, versuchen ihren Kunden die Vernetzung zu vereinfachen, indem sie ihre Geräte so konfigurieren, dass sie mit mehreren Kommunikationsstandards zurechtkommen.
Vielfalt der Schnittstellen
Auch der Großhändler und Systemdienstleister für erneuerbare Energien Baywa r.e. hat es im Alltag mit vielen verschiedenen Geräten und Kommunikationsstandards zu tun. „Einheitliche Schnittstellen für Wechselrichter und Speicher gibt es eigentlich nicht“, sagt Elke Dehlinger, Produktmanagerin bei Baywa r.e. Zu den gängigeren Schnittstellen zählt Dehlinger zum Beispiel RS484, CAN-Bus, Modbus oder Ethernet. Auch Bluetooth und die RS232-Schnittstelle seien häufiger zu finden. Hersteller würden zwar innerhalb ihres eigenen Produktportfolios meist die gleichen Schnittstellen verwenden. Dann können die Kunden zum Beispiel große und kleine Wechselrichter kombinieren. Betrachte man aber Geräte unterschiedlicher Marken, gebe es kaum Einigkeit. „Wenn wir nur die Wechselrichterhersteller SMA, Fronius, Solaredge, Delta und ABB anschauen, gibt es keine Schnittstelle, die bei allen Wechselrichtern in der Standardausführung zu finden ist.“
Als Beispiel: Der Wechselrichter Symo Hybrid inklusive Energiemanager von Fronius hat vier digitale Ausgänge, unter anderem zur Ansteuerung des SG-Ready-Eingangs einer Wärmepumpe. Dazu kommen eine Ethernet- und eine WLAN-Schnittstelle mit Modbus TCP und offenem JSON-Protokoll. Mit FTP-Push können Daten vom Wechselrichter an einen beliebigen Server übermittelt werden. Weitere unterstützte Protokolle sind Fronius zufolge HTTP-POST und FTP-Upload.
Speicher und andere Komponenten
Die Vielfalt sorgt zum Beispiel auch beim Anschluss eines Wechselrichters an ein Batteriespeichersystem für Herausforderungen. Deshalb veröffentliche jeder Wechselrichterhersteller eine Liste an Speichersystemen, mit denen das jeweilige Gerät kompatibel sei, meint Dehlinger. „Das hängt eben davon ab, ob die verwendeten Schnittstellen und Kommunikationsstandards zusammenpassen.“ Oft könne man in den Systemen auch noch eine Schnittstelle nachrüsten lassen, das gehe aber auch nicht immer. Für die Zukunft wünscht sich Elke Dehlinger, dass sich die Hersteller auf einen offenen und freien Standard einigen, das könnten dann zum Beispiel EEBus oder Sunspec sein.
Auch die Kommunikation der Speichersysteme mit Wärmepumpen ist alles andere als klar. Es gibt zwar den SG-Ready-Standard, doch optimal ist dieser nicht. E3/DC hat daher eine Lösung, bei der Speicher Wärmepumpen über das Modbus-Protokoll Leistungsvorgaben machen können (siehe Seite 67). Sonnen-Vertriebschef Phillip Schröder will den Kunden eine weitgehend Protokoll-unabhängige Plattform anbieten, die leicht zu bedienen ist. „Es muss dahin gehen, dass Hardware durch Software einen Zusatznutzen für die Kunden generiert“, sagt er. Auf der Softwareseite bestehe ein viel größeres Potenzial als auf der Hardwareseite durch Kostensenkungen. Ein Beispiel dafür sei die Wetteranalyse, mit der sich der Eigenverbrauchsanteil erhöhen lasse. Daher fokussiere sich Sonnen in Zukunft auch auf den Mehrwert durch das Internet of Things.
Die Senec-Speicher von Deutsche Energieversorgung sollen nach Aussage von Firmenchef Mathias Hammer im Wesentlichen die drei Komponenten Hausstrom, Wärmestrom und Elektromobilität verbinden. Das Unternehmen ist aber nicht nur Speicherhersteller, sondern auch als Energieversorger akkreditiert. „Unsere Kunden können auch Teile eines Windrads oder eines Solarparks bei uns erwerben und daraus Strom beziehen“, sagt Hammer. Die dafür nötige Kommunikation geschehe über das eigene Econamic-Grid-Protokoll.
Aber nicht nur die Vielfalt der Steuerungslösungen von Seiten der Energiebranche nimmt zu. Es zeigt sich, dass auch klassische Hausautomationssysteme in den Bereich Energiemanagement drängen (siehe Seite 34). Die Installateure und Endkunden müssen sich zwischenzeitlich auf dem sich wandelnden Markt zurechtfinden. Insbesondere bei den Kunden ist das Interesse, aber auch das Informationsbedürfnis groß (siehe Seite 30). (Mirco Sieg, Michael Fuhs)
Schnittstellen und Kommunikationsprotokolle von einigen Speichersystemen
SMA – Integrated Storage System und Flexible Storage System
Schnittstellen: Integrated Storage System ISS (Sunny Boy Smart Energy) und Flexible Storage System FSS (Sunny Island): RJ45-Schnittstelle für Ethernet, über die ein Modbus-Protokoll verfügbar ist. Sunny Home Manager: RJ45-Schnittstelle für Ethernet. Kommunikationsprotokolle: SMA-proprietäres SEMP-Protokoll (über die SMA-Developer-Download-Seite für die Nutzung durch Dritte offengelegt).
E3/DC – S10
Schnittstellen: Live-Schnittstelle, Ethernet, USB/Funk, CAN-Bus, Modbus, TCP. Kommunikationsprotokolle: RSCP, Modbus TCP, SG-Ready (vorbereitet).
Sonnen – Sonnenbatterie
Schnittstellen: Ethernet (mit TCP IP), Binär-Schnittstelle (potenzialfreier Kontakt, um Geräte ein- und auszuschalten), Smart-Home-Schnittstelle/Gateway mit physikalischem Sender und Empfänger, Z-Wave für Funksteckdosen. Kommunikationsprotokolle: offengelegte, proprietäre Lösung (unverschlüsselt für lokale Kommunikation und verschlüsselt für Fernzugriff). In Arbeit: VHP-Ready (Virtual Heat and Power), über ein USB-Dongle könnte KNX nachgerüstet werden.
Deutsche Energieversorgung – Senec
Schnittstellen: CAN-Bus, Ethernet, RS485, Econamic Grid, RS232, digitale Ein- und Ausgänge. Kommunikationsprotokolle: proprietäres Econamic-Grid-Protokoll, Modbus TCP, Modbus RTU, SML (Auslesen von Stromzählern), VPN-Protokoll, HTTPS, HTTP, SG-Ready. Wechselrichterprotokolle: SMA, Fronius, Kostal, Delta, Solarinvert, Solaredge in Arbeit.
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