Die Leiden des Alters

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Wie lange eine Lithium-Ionen-Batterie lebt, ist von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaik-Speichersystemen. Zugleich stellt die Lebensdauer meistens eine große Unbekannte dar, da Herstellerangaben fehlen oder unvollständig sind. Umso wichtiger ist es, die Alterungsmechanismen zu kennen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Alterungseffekten: der Zyklenalterung und der kalendarischen Alterung.
Die kalendarische Alterung beschreibt die Alterung aufgrund der Zyklisierung der Batterie, das heißt der Be- und Entladung. Sie stellt also den Anteil der Alterung dar, der sich durch die Nutzung der Batterie ergibt.
Ursachen für diese Alterung sind chemische und mechanische Abnutzungseffekte, wie beispielsweise die thermische Ausdehnung oder Dendritenwachstum. Die Zyklenalterung hängt primär von der Entladetiefe, dem „Depth of Discharge“, kurz DoD, ab. Je höher die Entladungstiefe, desto geringer die Zahl der möglichen Zyklen, da eine hohe Entladungstiefe eine längere und intensivere chemische und mechanische Beanspruchung des Materials darstellt. Dabei ist dieser Zusammenhang nicht linear, das heißt eine Halbierung der Entladungstiefe erhöht die Zahl der möglichen Zyklen um mehr als das Doppelte. Daher werden nur in sehr wenigen Anwendungen Entladungstiefen von 90 bis 100 Prozent verwendet, da hier die Zyklenalterung besonders hoch ist.
Üblicherweise spricht man von einem Zyklus, wenn eine bestimmte Energiemenge in den Speicher geladen und auch wieder herausgeholt wurde. Mit dieser Definition ist die Entladungstiefe folglich der Anteil dieser Energie in Bezug auf die Gesamtkapazität. In der Anwendung wird dieser Zyklus jedoch durch eine Vielzahl von kleineren Zyklen überlagert. Wird zum Beispiel ein großer Verbraucher kurzzeitig eingeschaltet, dann wird der Ladevorgang der Batterie unter Umständen unterbrochen und die Batterie wird stattdessen entladen, wenn nicht genug Solarstrom zur Verfügung steht. Diese Entladung wird dann im weiteren Tagesablauf wieder kompensiert, das heißt neben dem großen Tageszyklus wird der Speicher mit sehr vielen verschiedenen kleineren Zyklen belastet. Um Aussagen über die reale Alterung zu treffen, sind daher umfangreiche Analysen der Zyklenbelastung unter Berücksichtigung aller Zyklen nötig. Labormessungen haben dabei gezeigt, dass bei hochwertigen Lithium-Ionen-Zellen der Einfluss dieser kleinen Zyklen auf die Alterung eher gering ist und in erster Näherung eine Betrachtung der großen Zyklen für eine erste Abschätzung der Systemlebensdauer sinnvoll ist.

Bedeutung der Messergebnisse

Die Zyklenalterung ist jene Zahl, die von den meisten Herstellern angegeben wird. Sie lässt sich durch systematisches Be- und Endladen in einem relativ überschaubaren Testverfahren ermitteln. Bei Lithium-Ionen-Batterien liegen die Zyklenzahlen bei 500 bis 1.000 Vollzyklen bei Consumerzellen. Bei hochwertigen Industriezellen können Zyklenzahlen von über 7.000 Vollzyklen nachgewiesen werden.
In Abbildung 1 sind Messungen für Industriezellen und Consumerzellen mit einer Entladungstiefe von 100 Prozent dargestellt. Weiterhin sind Messergebnisse von Zellen dargestellt, die im BPT-S 5 Hybrid der Bosch Power Tec verwendet werden. Diese Messungen wurden mit einer Entladungstiefe von 60 Prozent durchgeführt.
Anders als im Automotive-Bereich oder bei Bleibatterien hat es sich bei PV-Speichersystemen mit Lithium-Ionen-Speichern eingebürgert, dass man nicht bei 80 Prozent sondern erst bei Erreichen von 70 Prozent der Ursprungskapazität von einer defekten Zelle spricht. Dies liegt zum einen daran, dass bei diesen Anwendungen mit geringeren Strömen und damit einer geringeren Zellbelastung gerechnet wird und auch Labormessungen nahelegen, dass eine Erweiterung dieser Grenze sinnvoll ist. Denn bei einer Reduzierung der Kapazität auf 80 Prozent verdoppelt sich der interne Widerstand einer Zelle. Bei 70 Prozent kommt es sogar zu einer weiteren Erhöhung, die im Betrieb zu einer zusätzlichen Erwärmung der Zelle führt, was die Zelle massiv schädigen kann. Es macht daher keinen Sinn, das Alterungskriterium noch weiter zu reduzieren.
Die hochwertigen Zellen erreichen die 70 Prozent erst bei mehr als 5.000 Zyklen unter realistischen Testbedingungen, dies entspricht der benötigten Zyklenzahl für eine Systemlebensdauer von 20 Jahren.

Die große Unbekannte

Der zweite Alterungsmechanismus ist die kalendarische Alterung. Diese beschreibt den Verlust an Kapazität aufgrund reiner Alterungseffekte. Ursache sind hier chemische Zerfallsprozesse, die das Anoden- und Kathodenmaterial oder aber das Elektrolyt angreifen.
Die kalendarische Alterung wird nur in wenigen Fällen von Herstellern genannt. Während bei Commercial-Zellen, die eine Lebensdauer von zwei bis fünf Jahren haben, diese Lebensdauer noch gemessen werden kann, gibt es nur wenige Batteriehersteller, die in der Lage sind, belastbare Aussagen über die kalendarische Lebensdauer zu liefern.
Der Nachweis ist relativ schwierig, da die Messungen über einen sehr langen Zeitraum durchgeführt werden müssen. In Abbildung 2 sind Messungen für Consumerzellen und Industriezellen bei hohen Temperaturen und unterschiedlichen Ladezuständen dargestellt. Zur Auswertung dieser Temperaturtests kann das Arrhenius-Gesetz herangezogen werden. Diese Umrechnung ist zwar unter Experten umstritten, kann aber als eine erste Näherung durchaus verwendet werden. Das Arrhenius-Gesetz besagt, dass jede Reduzierung der Temperatur um zehn Grad mit einer Verdopplung der Lebensdauer einhergeht. Bezogen auf die in Abbildung 2 dargestellten Messungen würden Messungen bei Zimmertemperatur viermal so lange dauern. Die Batterie vom Typ 1 könnte demnach 20 Jahre kalendarisch überdauern. Eine Batterie vom Typ 3 und die im BPT-S Hybrid verwendete Zelle könnten sogar deutlich länger als 20 Jahre kalendarisch halten. Extrapoliert man hier die kalendarische Alterungsdauer, so kommt man auf eine Lebensdauer von über 30 Jahren.

Wirtschaftlichkeit

Wie wirkt sich die Alterung der Zellen auf die Wirtschaftlichkeit des Systems aus? Grundsätzlich führt die Alterung des Speichers zu einer Kapazitätsreduzierung. Wenn nicht mit einer Alterungsreserve gearbeitet wird, die diesen Verlust kompensiert, verringern sich im Lebenszyklus die Eigenverbrauchsquote und die Autarkierate. Gleichzeitig steigen die Strompreise und somit der Wert der gespeicherten Kilowattstunde.
Geht man von einem Strompreis von 28 Cent pro Kilowattstunde aus, so entspricht im Jahr 2013 ein Verlust der nutzbaren Kapazität von 30 Prozent einem Wertverlust von neun Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Strompreis von 43 Cent pro Kilowattstunde, was einer mittleren Preissteigerung von 2,4 Prozent und einer Inflation von zwei Prozent über zehn Jahre entspricht, kostet der Kapazitätsverlust bereits 13 Cent pro Kilowattstunde und bei einem Strompreis von 66 Cent pro Kilowattstunde, das heißt nach 20 Jahren, liegt der Verlust bei 20 Cent pro Kilowattstunde.
Auch wenn der Strompreis vielleicht nicht ganz so stark steigt und Netzgebühren anders umgelegt werden könnten, ist das Prinzip offensichtlich. An dieser Rechnung erkennt man, dass der Speicher am Ende des Lebenszyklus am wertvollsten ist. Vor diesem Hintergrund ist ein vorzeitiger Verlust der Kapazität oder gar der vorzeitige Ausfall zu vermeiden. Es macht daher aus unserer Sicht durchaus Sinn, mit einer großzügiger bemessenen Alterungsreserve beziehungsweise niedrigeren Entladungstiefen zu arbeiten, um möglichst lange Speicherlebensdauern zu gewährleisten. Die umgekehrte Strategie, den Speicher bereits ab dem ersten Betriebsjahr voll zu zyklisieren, führt nach den oben dargestellten Überlegungen eher zu einem Verlust.

Varianz der Zellen

Die in Abbildung 1 und Abbildung 2 dargestellten Messungen bezogen sich auf eine einzelne Zelle. In realen Systemen sind jedoch sehr viele Zellen verbaut. Eine Reihe von Herstellern verwendet kleine Zellen der 18650er-Bauweise. Diese werden oftmals in der 4p10s-Verschaltung zu Modulen zusammengestellt, das heißt in einem Modul werden vier parallele Stränge mit zehn seriell verschalteten Batteriezellen installiert. Ein Speichersystem mit rund vier bis fünf Kilowattstunden installierter Kapazität hat dann circa 120 bis 140 Zellen verbaut.
Alternativ verwenden einige Hersteller Zellen einer größeren Bauweise. Im BPT-S Hybrid von Bosch sind beispielsweise 14 Zellen in einem Modul seriell verschaltet. Ein Speichersystem mit vier bis fünf Kilowattstunden hat somit 28 bis 36 Zellen.
Mit der Zahl der verwendeten Zellen steigt auch die Anforderung an die Qualität in der Herstellung und in der Alterung. Grundsätzlich dominiert in einer seriellen Vorschaltung stets die schwächste Zelle das Verhalten der gesamten Batterie. Sie dominiert die Gesamtkapazität und die Häufigkeit von Ausgleichszyklen, die zu einer fortschreitenden Alterung der Zellen führt. Es ist daher extrem wichtig, dass gerade bei Systemen mit sehr vielen Zellen die Streuung von Kapazität und internem Widerstand in der Herstellung möglichst gering gehalten wird.

Alterungseffekte summieren sich

Die tatsächliche Alterung der Batterie ergibt sich als Summe dieser beiden Alterungseffekte. Daher müssen auch stets beide Effekte beachtet werden. In Abbildung 3 ist dies schematisch dargestellt. Als Maß für die Alterung einer Batterie hat sich der „State of Health“, kurz SoH, etabliert. Er hat einen Wert von eins, wenn die Batterie neu ist, und einen Wert von null, wenn die Batterie eine Kapazität von 70 Prozent der Ausgangskapazität hat. Dieser Wert wird anteilig durch die Zyklenalterung „acyl“ und die kalendarische Alterung „acycl“ reduziert. Da beide Alterungseffekte auf unterschiedlichen physikalisch-chemischen Prozessen basieren, addieren sie sich zur Gesamtalterung.
Angenommen, eine Batterie hätte 2.500 Zyklen und eine kalendarische Lebensdauer von zehn Jahren. Dann hätte die Batterie bereits nach fünf Jahren ihr Lebensende erreicht, denn aufgrund der kalendarischen Alterung hätte die Batterie bereits 15 Prozent der Anfangskapazität verloren, aber in fünf Jahren wären auch 15 Prozent der Anfangskapazität aufgrund der Zyklisierung verloren gegangen. Damit also die Batterie die vollen zehn Jahre hält, müsste die kalendarische Lebensdauer bei 20 Jahren und die Zahl der Zyklen bei 5.000 liegen. Dies impliziert, dass die Qualitätsanforderungen an die Batterie nicht hoch genug sein können. In der Marktübersicht des pv magazine haben viele Hersteller angegeben, dass die kalendarische Lebensdauer 20 Jahre oder weniger ist. Wenn diese Angaben stimmen, müssen diese Geräte dann schon deutlich unter 70 oder 80 Prozent Kapazität gefallen sein.
Abhängig von der Größe des Speichers und der angeschlossenen Photovoltaikanlage liegt bei der derzeitigen Einspeisetarif- und Strompreisstruktur die Rückflussdauer für ein Speichersystem mit Anschaffungskosten von 1.000 bis 2.000 Euro pro Kilowattstunde zwischen 10 und 13 Jahren. Dies impliziert, dass die Batterielebensdauer bei mindestens sieben bis zehn Jahren liegen muss. Nur dann rechnet sich die Investition bereits ab der ersten Batterie. Erst wenn die Kosten der Batterie unter 600 Euro pro Kilowattstunde fallen, könnte man sich auf ein Modell einlassen, das nach zehn Jahren getauscht werden muss.
Natürlich kann man auch mit den gesamten Kosten über 20 Jahre argumentieren. Dann muss sich ein System nur insgesamt rechnen, und ein Batterietausch nach zehn Jahren ist eingepreist. Doch dann wäre es ökonomisch besser, die erste Batterie einfach wegzulassen (es sei denn, die Batterie ist so billig, dass sie sich bereits nach zehn Jahren amortisiert hat). Und zwar unabhängig davon, was eine Batterie in zehn Jahren kosten wird.
Für den Nutzer wie auch den Installateur ist es also von größter Bedeutung, die Herstellerangaben zu hinterfragen und Transparenz einzufordern. Ansonsten kann sich das vermeintliche Schnäppchen sehr schnell als Fehlinvestition erweisen. (Armin U. Schmiegel)

ZumInhaltsverzeichnis der Märzausgabe pv magazine, unter anderem mit News aus der Industrie zu Speichersystemen und einer Marktabschätzung und -prognose für den Speichermarkt.

Der Autor Armin U. Schmiegel ist Portfoliomanager bei der Bosch Power Tec GmbH und dort für Innovation zuständig. Er hat in Physik promoviert und einen Bachelor in Business Administration erworben. Seit 2007 arbeitet er in der Solarbranche in der Entwicklung, Qualitätssicherung und im Bereich Innovation. Seit 2008 begleitet er in verschiedenen Managementfunktionen die Entwicklung und Markteinführung des BPT-S Hybrid, des PV-Speichersystems der Bosch Power Tec.

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