Das ist ein neues Phänomen in der Solarbranche und trifft so auch auf die Zellhersteller das erste Mal zu. Die Kapazitäten werden nicht mehr selbstverständlich von jedem Zellproduzenten alljährlich hochgeschraubt. Die Wachstumskurve bekommt eine Delle. „Grundsätzlich sehen wir sehr viele Projekte, die jetzt abgesagt oder verschoben werden“, berichtet Stefan de Haan, Analyst beim Beratungs-und Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli München. „Der massive Ausbauwahn von 2010 und 2011 ist moderatem Wachstum gewichen.“ Da fällt es schon auf, wenn Unternehmen überhaupt noch Kapazitätserweiterungen ankündigen. Viele wollen im laufenden Jahr überhaupt nicht mehr erweitern.
Dirk Morbitzer, Managing Director von Renewable Analytics in San Francisco, wundert das angesichts der derzeitigen Marktlage kaum. „Es bestehen nach wie vor erhebliche Überkapazitäten, unddie haben einen Preisdruck zur Folge.“ Der zeigt bereits Wirkung. Im letzten Jahr, insbesondere im vierten Quartal, erreichten die Zellhersteller zwar gute Verkaufszahlen. „Das hat den Unternehmen aber bei ihren Bilanzen nicht allzu viel geholfen“, erklärt de Haan, „weil die Preise so stark eingebrochen waren. Das ist schon ein Blutbad, was da im Moment in der Industrie vor sich geht. Manche Firmen treten sehr aggressiv auf und nehmen Verluste in Kauf, um andere aus dem Markt zu drängen.“ In einem konsolidierten Markt werden nur die Stärksten übrig bleiben. Aber wer weiß schon, ob er dazugehört?
Der Photovoltaikmarkt entwickelt sich deutlich schneller und aggressiver, als man es von anderen Märkten kennt. Die Abhängigkeit von Fördermechanismen macht ihn zudem labiler als andere Märkte. Viele Zellhersteller haben längst darauf reagiert, sich stärker integriert oder neue Geschäftsfelder gesucht, wie beispielsweise Q-Cells, vor ein paar Jahren noch Nummer eins unter den Zellherstellern weltweit – jetzt jenseits der Top Ten. Im EPC-Bereich sucht das Unternehmen eine neue Chance.
Suntech, die Nummer eins nach der Menge an produzierter Zellleistung, setzt dagegen ganz auf Integration. Im Jahr 2010 musste der chinesische Hersteller den Platz eins an JA Solar abgeben, um ihn sich dann 2011 wiederzuholen. Koste es, was es wolle? Suntech hat 2011 rund eine Milliarde US-Dollar Verlust eingefahren. Im Verlauf dieses Jahres muss der chinesische Hersteller den aufgelaufenen Verlust dringend abbauen, warnt Morbitzer. „Sie müssen Anfang 2013 eine große Wandelanleihe bedienen“, also eine Verbindlichkeit, die die Gläubiger ansonsten in Aktienanteile umwandeln könnten.
Suntech arbeitet mit einer hohen Auslastung. Das heißt, das Unternehmen nutzt seine Produktionskapazitäten weitgehend aus. Alle hergestellten Zellenwerden intern zu Modulen verarbeitet und diese dank eines effektiv arbeitenden Vertriebs weltweit gut verkauft. Suntechs Geschäft ist internationaler ausgerichtet als das der meisten chinesischen Produzenten. Dies hat wesentlich mit dem Werdegang von Gründer und CEO Zhengrong Shi zu tun, der vorher Forschungsleiter und Direktor von Pacific Solar war, einem australischen Dünnschichthersteller. Davor hatte er schon als Forschungsgruppenleiter der Universität New South Wales in Australien gearbeitet. Auch die anderen Vorstandsmitglieder können großteils auf internationale Erfahrung zurückgreifen. „Sie sind westlich ausgerichtet“, bestätigt Henning Wicht, Principal Analyst bei IHS iSuppli.
Mit seiner Pluto-Technologie setzt Suntech schon seit Jahren auf kristalline Zellen mit hohen Wirkungsgraden. „Jetzt haben sie sich einen Zellwirkungsgrad von 20,3 Prozent zertifizieren lassen“, berichtet Wicht. Es habe jedoch zu lange gedauert, bis die Pluto-Zelle in genügender Stückzahl und preisgünstig auf dem Markt zu haben war, kritisiert Morbitzer. „Ich glaube, es wäre an dieser Stelle besser gewesen, etwas länger zu forschen und dann plötzlich damit rauszukommen, was dann den Wettbewerb überrascht hätte.“ Insgesamt hält Morbitzer die Overheadkosten bei Suntech für recht hoch. Jetzt geht es darum, Kosten zu sparen. „Sie fahren ihre Ausgaben für neues Equipment um rund 60 Prozent zurück“, sagt Wicht. Dabei bleibt die Zellproduktion weiter das Kerngeschäft, in dem die höchste Wertschöpfung erzielt wird.
Trick zur Kostenreduktion
Die Nummer zwei, JA Solar, ist mit 600 Megawatt Waferkapazität und 800 Megawatt Modulkapazität zwar teilweise integriert, setzt aber mit 3.000 Megawatt Zellproduktion immer noch weitgehend auf Spezialisierung. Seine kristallinen Zellen verkauft der chinesische Produzent vor allem an die Modulhersteller im eigenen Land. Mit einer angekündigten Jahresendkapazität von 3.250 Megawatt stellt JA Solar bei den Ausbauplänen für die Zellproduktion die Nummer eins weit in den Schatten.
Die Maple-Zelle wird als Quasi-Monozelle bezeichnet und kommt auf einen Wirkungsgrad von 18 Prozent, allerdings ohne den aufwendigen Prozess der monokristallinen Zellproduktion. Das bringt Kostenvorteile. JA Solar hat angekündigt, die Maple-Zellen 2012 in größeren Mengen zu produzieren. „Was das heißt, ist schwer abzuschätzen“, so Wicht. „Wenn sie jedoch 25 Prozent ihrer Produktion mit diesem Prozess fahren, dann wären das auf die Produktion von 2011 gerechnet 400 bis 500 Megawatt. Das wäre schon ganz ordentlich.“ Mit einem operativen Verlust von 68,8 Millionen US-Dollar für 2011 steht JA Solar aber weit besser da als Suntech. So kann sich JA Solar auch leisten, für das zweite Halbjahr 2012 jetzt schon weitere deutliche Preissenkungen anzukündigen. Das kommt gut an bei den Kunden.
Trina Solar hat einen Satz nach vorn gemacht. Im Jahr 2010 noch auf Platz sechs, konnte sich der integrierte chinesische Hersteller 2011 auf Platz drei katapultieren. Und 2012 will Trina die Kapazität für die Zellproduktion nochmals um 500 Megawatt erweitern. Damit spielt das Unternehmen dann in einer Liga mit den zwei anderen großen integrierten chinesischen Herstellern Suntech und Yingli. Dabei steht Trina mit einemknappen Verlust von 37,8 Millionen US-Dollar immer noch gut da. „Mit den Produktionskosten, die sie angeben, ziehen sie die Konkurrenten am Nasenring durch die Arena“, so de Haan. Um das zu erreichen, verzichtet Trina auf einen Teil der teureren eigenen Waferherstellung und kauft nach dem massiven Preisverfall die Hälfte der Wafer zu.
Yingli ist unter den Top Ten der Zellhersteller um einen Platz aufgerückt und kommt nach produzierter Zellleistung auf Platz vier. Mit 500 Millionen Dollaroperativem Jahresverlust steht das Unternehmen finanziell nicht so gut da wie Trina. Die Rückzahlung der Verbindlichkeiten drängt jedoch nicht. „Yingli muss erst 2014 Anleihen bezahlen“, so Morbitzer. „2012 und 2013 stehen nur kleinere Beträge an, die zurückgezahlt werden müssen. Das sind noch zwei Jahre, in denen sich das Unternehmen im Markt konsolidieren, weiter wachsen und damit auch Einnahmen generieren kann.“ Mit Motech folgt ein teilintegrierter Zellhersteller auf Platz fünf. Motech willseine Kapazitäten in diesem Jahr gegenüber 2011 überhaupt nicht erweitern.
Folgen des Handelsstreits
Die Zukunft des taiwanesischen Produzenten hängt nach Morbitzers Meinung wesentlich vom Verlauf des Handelsstreits zwischen den USA und Europa auf der einen und China auf der anderen Seite ab. China wird von den Kontrahenten vorgeworfen, die Photovoltaik mit versteckten staatlichen Subventionen zu unterstützen, damit Dumpingpreise zuermöglichen und den Wettbewerb zu verzerren. Am 20. März hat die US-Regierung Antisubventionszölle gegen chinesische Photovoltaik festgelegt. Weit höhere Antidumpingzölle sollen folgen. „Dann stehen die taiwanesischen Produzenten positiv da“, prognostiziert Morbitzer. Das würde dann also auch Motech nützen. Ansonsten sieht der Analyst aus San Francisco für spezialisierte Zellproduzenten eher schwarz. Sollten künftig kleinere Abnehmer unter den Modulproduzenten wegen des Preiskampfs aufgeben müssen, kommen auch die unabhängigen Zellproduzenten unter Druck.
Der chinesische Hersteller Canadian Solar hat seine Zellproduktion 2011 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt und baut die Kapazitäten 2012 weiter aus. Im Jahr 2011 auf Platz sechs, war der integrierte chinesische Hersteller 2010 noch nicht einmal unter den Top Ten. „Sie haben aggressive Expansionspläne im Bereich der Zellen und Module“, sagt de Haan. „Die Produktion in einem stagnierenden Markt derart zu erweitern, das wird schwer werden.“ Canadian Solar produziert seine Zellen vor allem für die eigene Modulproduktion.
Die wichtigsten Trends
Sunpower hat erhebliche Verluste angehäuft und hängt weiterhin an der Nabelschnur von Total. Es darf die Frage erlaubt sein, wie lange der französische Mineralölkonzern sich das anschaut in Zeiten, wo sich andere Großkonzerne gerade aus dem Photovoltaikgeschäft zurückziehen. Ihre Zellen und Module seien nicht wettbewerbsfähig, kritisieren die Analysten. Das reißen die hohen Wirkungsgrade der Sunpower-Zellen auch nicht heraus. Im Ranking nach verkaufter Leistung 2011 ist Sunpower dennoch einen Platz aufgestiegen und will auch 2012 seine Kapazitäten moderat erweitern. Sharp leidet wie andere Unternehmen weltweit unter dem Preisdruck bei Zellen und Modulen, ist aber dennoch im Ranking leicht aufgestiegen. Hanwha Solar setzt deutlich auf Expansion, ist aber noch nicht so bekannt und kosteneffizient wie andere chinesische Hersteller, beispielsweise Trina. Jinko ist neu in den Top Ten, kommt ebenfalls aus China und ist integriert, verkauft aber auch noch Zellen am Markt.
Höhere Wirkungsgrade bei niedrigen Kosten und eine Ausdifferenzierung der Zellen, um sich unterscheidbar zu machen, das sind momentan die wichtigsten Trends unter den Zellherstellern. Ob die Entwicklung künftig weiter in Richtung Integration oder Spezialisierung geht, hängt von den Margen in den einzelnen Wertschöpfungsstufen ab. Es gibt keine abgesicherte Zukunftsstrategie für die Zellhersteller.
Wer die Konsolidierung überleben wird, lässt sich daher momentan kaum prognostizieren.
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