Das geht mit Photovoltaik

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Auf 600 Quadratmetern mitten in Deutschland hat Friedhelm Widmann eine Insel geschaffen. Der Geschäftsführer von Endreß & Widmann Solar im baden-württembergischen Neuenstadt hat ein Gewerbegebäude gebaut, das sämtlichen Strom und die gesamte Wärme aus einer Photovoltaikanlage und einem mit Biogas betriebenen BHKW bezieht. Er wollte zeigen, wie günstig Solarstrom bereits heute ist und dass sich damit funktionierende Energiesysteme aufbauen lassen, abseits der Diskussion, ob die Netze ausgebaut werden müssen oder ob überhaupt noch Photovoltaik ins Netz passt. Den Miesmachern entgegnet er, dass seine sogenannte Energiefabrik gar keinen Netzanschluss mehr hat.
Dass es technisch möglich ist, ein Inselsystem mit Photovoltaik und Blockheizkraftwerken aufzubauen, dürfte dabei weniger überraschen. Die Leistung von Widmann besteht darin, die dazu passende Haustechnik entwickelt zu haben und die Energie für den Mieter, eine Firma, die mit 30 Mitarbeitern Software und Schaltschränke produziert, günstig anzubieten. Zur Einweihung Ende September ließ sich dann auch der Innenminister von Baden-Württemberg blicken.
Auf dem Dach und an der Fassade des Gebäudes befinden sich eine Photovoltaikanlage, die rund 85.000 Kilowattstunden pro Jahr erzeugen wird. Manche der Solarmodule mit zusammen 112 Kilowatt Leistung zeigen nach Osten oder Westen, um den Ertrag morgens und abends zu erhöhen. Der Solarstrom fließt teilweise direkt zu den Verbrauchern, teilweise in den Blei-Gel-Speicher mit 400 Kilowattstunden, teilweise in eine 60-Kilowatt-Wärmepumpe, die das Gebäude kühlen und heizen kann. Wenn im Winter der Solarstrom nicht ausreicht, springt ein BHKW ein, das mit Biogas betrieben wird. Nach den ersten Abschätzungen wird es rund 28.000 Kilowattstunden Wärme und 14.000 Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren. Wenn es mehr Strom erzeugt, als gebraucht wird oder gespeichert werden kann, schaltet sich zusätzlich wieder die Wärmepumpe dazu.
Widmann hat sich dafür entschieden, sowohl das Blockheizkraftwerk als auch die Wärmepumpe zu installieren. Das liegt daran, dass er ohne BHKW nicht über den Winter kommt, er im Sommer aber unbedingt auch kühlen will, wofür die Wärmepumpe nötig ist. Der Gesamtheizbedarf liegt voraussichtlich bei etwa 62.000 Kilowattstunden, so dass die Wärmepumpe etwas mehr als die Hälfte davon übernimmt. Der Kühlbedarf liegt bei 26.000 Kilowattstunden.
Dadurch, dass er Wärmepumpen und BHKWs einsetzt, schafft Widmann außerdem die Flexibilität in der Verbindung von Strom- und Wärmeversorgung. Läuft das Blockheizkraftwerk, weil Wärme benötigt wird, kann es geschehen, dass die Stromerzeugung über dem Strombedarf liegt. Dann springt die Wärmepumpe an. Das BHKW kann entsprechend früher wieder ausschalten.
Wärmepumpen regelbar machen
Bei den Wärmepumpen hat Widmann, so sagt er, außerdem ein Problem gelöst, das in vielen Systemen den Solarstromanteil an der Wärmepumpen-Stromversorgung limitiert (siehe pv magazine Juni 2014, Seite 68, FAQ Wärmepumpe und Photovoltaik). Auf dem Markt sind zwar sogenannte leistungsgeregelte Wärmepumpen erhältlich. Mit Leistungsregelung ist hier jedoch gemeint, dass die Drehzahl des Kompressors an die Temperaturen im Primär- und Sekundärkreis angepasst wird. Das erhöht zwar die Effizienz, diesen Wärmepumpen kann man aber nicht die Leistung vorgeben, mit der sie arbeiten sollen. Das ist wiederum für die Kombination mit Photovoltaikanlagen wichtig, vor allem in Inselsystemen wie dem Gewerbegebäude von Widmann, damit die Wärmepumpe nicht mehr Strom zieht, als erzeugt wird.
Um die Leistungsaufnahme danach zu steuern, wie viel Solarstrom gerade zur Verfügung steht, greift Widmann daher in den Sekundärkreis ein. Wann die Wärmepumpe wie stark hochgefahren wird, regelt dann ein von ihm entwickelter Energiemanager.
„Bei der technischen Vorbereitung des Baus musste ich leider feststellen, dass genau diese Konzepte und Energiemanagementsysteme am Markt nicht vorhanden sind“, sagt Widmann. Es werde viel über Einzelkomponenten gesprochen, auch das Smart Grid sei in aller Munde, aber hier sei ein gesamtheitliches Energiemanagementsystem nötig gewesen, das intelligent und technisch stabil Strom- und Wärmeerzeugung und -verbrauch miteinander verknüpfe. „Diese innovative Weiterentwicklung ist meine Antwort auf die öffentliche Diskussion“, sagt er nicht ohne Stolz.
Die Grundlage für das Gebäude schuf eine Masterarbeit. In ihr wurden die Energieflüsse analysiert, die nötig sind, damit in einem Gebäude der Strom trotz fehlenden Netzanschlusses nie ausfällt. Zur Sicherheit hat Widmann sogar zwei BHKWs vorgesehen, von denen eines vielleicht auch eingespart werden könnte. Seine Vision ist, dass es in Zukunft einmal ein Netzwerk aus miteinander verbundenen, fast autarken Inseln geben wird. Dadurch können sich einige Kostenvorteile ergeben. „Dann braucht man das zweite BHKW nicht“, sagt Widmann, da durch den Verbund Fluktuationen in Erzeugung und Last besser ausgeglichen werden können.
Billiger Autarkiestrom
Widmann gibt für den Solarstrom Gestehungskosten von sechs Cent pro Kilowattstunde an (bei 1.000 Euro pro Kilowattpeak Systemkosten). Wenn der Strom zuerst zwischengespeichert wird, kostet er nach Widmanns Abschätzung 14 Cent pro Kilowattstunde. Der BHKW-Strom ist etwas teurer. Wenn er einmal zwischengespeichert wird, kommt Widmann auf 20 Cent pro Kilowattstunde. Das liegt alles im Bereich von Gewerbestromtarifen oder deutlich darunter.
Allerdings gelten diese niedrigen Gestehungskosten nur, wenn auch der gesamte erzeugte Strom sinnvoll verbraucht wird. Wird er abgeregelt – „Ich kann ja nicht einspeisen“, sagt Widmann –, steigen die Gestehungskosten für den restlichen verbrauchten Anteil. Friedhelm Widmann ist zwar vorsichtig mit Prognosen, da er das Verbrauchsverhalten der Mieter noch nicht so gut kennt, er rechnet aber damit, dass 90 Prozent des erzeugten Stroms auch sinnvoll verbraucht werden. Den Strombedarf für das Gebäude schätzt er auf 50.000 Kilowattstunden ein. Der Rest der elektrischen Energie fließt in die drei Elektroautos, die noch vorgesehen sind. Dann würden 100 Kilometer bei Betankung mit Photovoltaikstrom 90 Cent Betriebskosten verursachen, rechnet er vor.
Widmann kalkuliert die Stromgestehungskosten ohne Kapitalverzinsung und Inflation. Er hält für richtig, da er das Gebäude fast selbst finanziert hat. Die Zinsen auf der Bank sind derzeit schließlich nicht hoch. Aber selbst wenn der mittlere Strompreis am Ende etwas höher liegen sollte, zeigt das Beispiel, dass es ökonomische Alternativen zum Netzanschluss gibt (siehe Kommentar).
Gabriel ade
Wenn Widmanns Konzept funktioniert, schafft er damit den Gegenbeweis zu manchen Theoretikern, die in Studien zu zeigen versuchen, dass die Netze massiv ausgebaut werden müssen. Deren Argument ist, dass der Netzausbau der ökonomischste Weg zur Umsetzung der Energiewende sei. Um Widmanns Preise zu erreichen, müssten sie sich aber ziemlich anstrengen. Außerdem hat er ein Beispiel geschaffen, wie innovative Haustechnik aussehen kann. Ein Passivhaus ist das Gebäude übrigens bewusst nicht. Widmann hält es für möglich, dank regenerativer Energieversorgung auch ein Nichtpassivhaus nachhaltig zu betreiben. In der Solarbranche dürften sich nicht wenige darüber freuen, dass Widmann um Gabriels umstrittene EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch herumkommt. Denn diese muss nur zahlen, wer am Netz hängt.

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