Besser weiter denken

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„See it. Feel it.“ Mit diesem Marken-Claim wirft Scheuten Solar die Frage auf, was man denn als Photovoltaikkunde fühlen soll. Und um welche Klasse handelt es sich genau bei „Sun Class – Eine Klasse für sich“? Solarium oder doch eher Sonnenbrillen?
Dies sind nur zwei von vielen Photovoltaik-Claims, die mehr Fragen aufwerfen, als klar die Positionierung zu kom munizieren. „Aufgrund der enormen Marktentwicklung ist man schlichtweg mit dem Markt gewachsen und musste wenig in Markenpositionierung und -strategie investieren“, so Ursula Oeser, Marketingleiterin von Gehrlicher Solar.
Doch die zunehmende Anzahl der Photovoltaikanbieter und der damit einhergehende verschärfte Wettbewerb zwingt Unternehmen zu einer nachhal tigeren und differenzierten Positionierung. Der Aufbau eines starken Markenimages baut den Wettbewerbsvorsprung aus und festigt langfristig die Kundenloyalität.
Dabei treffen Marken-Claims als Erstes auf den Kunden und beeinflussen das weitere Interesse oder Desinteresse. Aber auch Unverständnis oder Verwechselbarkeit der Claims können auf Seiten des Kunden unbewusst zum Nichtkauf führen. Claims werden gerne benutzt, um die Philosophie eines Unternehmens zu vermitteln. Der Kunde sollte das Unternehmen und seinen Claim als unzertrennlich im Gedächtnis speichern.
Sie sind jedoch nicht mit Slogans zu verwechseln, die nur temporär eingesetzt werden oder sich kampagnenbedingt ändern können. In der Praxis kann auch ein erfolgreicher Slogan sich zum Claim entwickeln. „Claims sind ein Extrakt der Markenpositionierung. Sie helfen, die Kernwerte der Marke auf eine einfache und eingängliche Weise in der Zielgruppe zu verankern“, so der Markenexperte Tomasz de Crignis von Brand Rating.

Wenig Einfallsreichtum

Die Praxis in der Photovoltaikindustrie sieht leider noch anders aus. Eintönigkeit und mangelnde Kreativität führen beim Kunden zu einer hohen Verwechslungsgefahr. „AS Solar – Sonne weitergedacht“, „Roto – Besser durchdacht“ und „Donauer Solartechnik – Weiter denken“ zeigen, dass man mit gut gemeintem Denken schnell in der Menge untergehen kann. Die Energie ist unter anderem als die „Energie ohne Ende“ (Parabel), „Energie der Zukunft“ (Sovello) oder „Energie, die gewinnt“ (Franken Solar) vertreten.
Begriffe wie Power und Future kommen ebenfalls nicht zu kurz. Natürlich erlaubt die gebotene Kürze nicht, eine vollständige Unternehmensstrategie zu vermitteln. Doch woran liegt es, dass sich die Unternehmen einer solch jungen und innovativen Branche häufig nicht kreativer verkaufen können? Der Geschäftsführer der Werbeagentur Kreativ Konzept aus Bonn, Klaus Schmuck, nennt zum einen die hohe Erklärungsbedürftigkeit der Solarprodukte und zum anderen die relativ geringe Produktdifferenzierung als wesentliche Gründe. Kreativ Konzept arbeitet seit 15 Jahren mit Solarworld zusammen und hat es mit dem Claim „Mit uns wird Sonne Strom“ geschafft, diese Barrieren gekonnt zu meistern.

Wege zum Erfolg

Wie gelingt es, einen zum Unternehmen passenden und einprägsamen Claim zu entwickeln? Zuerst ist es wichtig, die Kernkompetenz und die strategische Ausrichtung eines Unternehmens für die Markenpositionierung zu bestimmen. Diese muss differenziert, glaubwürdig und relevant für die identifizierten Adressaten sein.
Darauf aufbauend ist die Botschaft abzuleiten, die wiederum im Claim konzentriert nach außen kommuniziert wird. Der Adressat des Claims muss nicht zwingend nur mit dem direkten Kunden wie zum Beispiel dem Installateur übereinstimmen. Auch der Endkunde ist in der Ansprache zu berücksichtigen, um so die von ihm ausgehenden Produktvorlieben gezielt zu beeinflussen. Dieses sogenannte Pull-Marketing, wie „Intel inside“ beim Notebook, stärkt die Nachfrage nach einzelnen Komponenten. Bei der Entwicklung eines Claims ist daher häufig ein sehr heterogener Adressatenkreis zu berücksichtigen.

Kurz und einfach

Der Claim bringt die einzelnen Komponenten der Marke mit Hilfe rhetorischer, dichterischer und phonetischer Mittel auf den Punkt. Zudem soll er die Kernelemente der Marke möglichst langfristig widerspiegeln, gleichzeitig aber nicht das Unternehmen in seiner Entwicklung einschränken. Sprachlich ist das in der Marketingbranche gepriesene KISS-Prinzip – Keep it short and simple – zu empfehlen. Zu lange Claims überschreiten das dreisekündige Gegenwartsfenster des Menschen, welches den Zeitraum der wahrgenommenen Gegenwart und Vergangenheit bestimmt. Wenn es länger dauert, einen Claim auszusprechen, werden nur die letzten drei Sekunden als gegenwärtig im Gehirn vermerkt. Beispielsweise katapultiert sich „Inventux solar technologies – energize the earth, buy the sun“ mit seinem Slogan eher jenseits des Wahrnehmungsrahmens in die Vergangenheit und gerät somit schnell in Vergessenheit.
Der Gebrauch von Reimen und Alliterationen kann zudem bei langen Claims den Redefluss und die Aufnahmefähig keit fördern. Im Gegensatz dazu setzte Johanna Solar Technology mit dem Anglizismus „Just Sun“ auf einen prägnanten, einprägsamen Claim und schaffte zugleich auf internationalem Terrain Verständnis.
Zudem stimmt der Claim mit der goldenen „Fünf-Wörter-Regel“ des britischen Rhetorikexperten Nick Padmore überein, der appelliert, keinen Claim diese Wortanzahl überschreiten zu lassen. Vielleicht hatte sich Johanna Solar von dem großen Erfolg des sich ähnelnden Nike-Claims „Just Do It“ ein wenig inspirieren lassen. Nichtsdestotrotz regt „Just Sun“ aufgrund der Kürze und den harten Konsonantenlauten sowohl das Gedächtnis als auch das Handeln der Kunden an.
Eine grundlegende Eigenschaft eines Claims ist es, dass die Botschaft für den Kunden relevant ist. Großhändler und Installateure erwarten bevorzugt ein technisches Markenimage („Avancis – Advanced Solar Power“), wogegen Endkunden vermehrt auf ein nachhaltiges und persönliches Unternehmensbild anspringen, wie zum Beispiel: „Alpine Energie – Für ein Leben voller Energie“. Das Schlagwort „Leben“ verschafft sofort ein persönliches Verhältnis zum Kunden. Andererseits spielen Installateure und Großhändler als Produktfilter und damit Meinungsmacher häufig eine bedeutende Rolle.

Der Konkurrenz voraus

Bei der Entwicklung eines unverwechselbaren Claims sind die Claims des Wettbewerbs zu untersuchen. Welche stilistischen Mittel und Schlagwörter werden benutzt? Gibt es Ähnlichkeiten? Wichtig ist es, ein Konzept zu entwickeln, das möglichst wenig Bezug zum Wettbewerb herstellt. Zum Beispiel gibt der Claim „Energie der Zukunft“ sowohl die Branche als auch die nachhaltige Unternehmenskultur von Sovello wieder und ist deshalb passend für das Unternehmen. Passend, ja. Heraushebend, nein.

Um von der wachsenden Nachfrage profitieren zu können, ist es besonders für deutsche Photovoltaikunternehmen wichtig, mit einem Claim die Marke positiv aufzuladen, ehe sie noch stärker unter den Preisdruck der asiatischen Anbieter geraten. Denn mit einem starken Markenimage verbinden Kunden Eigenschaften wie Qualität, Zuverlässigkeit und Erfahrung und sind eher bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Heckert Solar verweist mit seinem Claim „energy meets quality“ explizit auf seine deutsche Qualitätsproduktion und schafft es mit seiner Botschaft, Kundenbedürfnisse gekonnt anzusprechen.

Der Aufwand lohnt

Schott Solar: „Egal was kommt“ – das weiß man leider momentan in der Photovoltaikindustrie nicht. Eines steht jedoch fest: Kein Claim ist besser als ein schlechter Claim, denn nur ein erfolgreicher Claim kann Wettbewerber langfristig in den Schatten stellen. Somit sollten Unternehmen gegen den Strom schwimmen und in der Photovoltaikbranche mit einer originellen Marketingstrategie und einem unverwechselbaren Claim ein Zeichen setzen. Dabei empfiehlt es sich, konsequent auf professionelle Methoden und Erfahrung zurückzugreifen. Der schnell auf einer Papierserviette entwickelte Claim ist nur selten wirklich gut. Der mit einem umfassenden Entwicklungsprozess verbundene Aufwand lohnt sich langfristig für Unternehmen.
„Dass die Notwendigkeit eines exzellenten Markenimages in der Photo-voltaikindustrie erkannt wurde“, bestätigt auch Ursula Oeser von der Gehrlicher Solar AG und fügt hinzu: „Auch wir werden unsere Marke jetzt stärker positionieren.“
Der Kunde kann also gespannt sein, mit welchen Claims er fortan überrascht wird, um ihn zu nachhaltigerer Lebensweise zu motivieren. Also, wie Solon sagen würde: „Don’t leave the planet to the stupid!“Der schnell auf eine Serviette gekritzelte erfolgreiche Claim ist die Ausnahme. Claimszu kreieren ist harte Arbeit.
Die Autoren

Florian Kaiser ist Branchenverantwortlicher Regenerative Energie bei Dr. Wieselhuber & Partner. Die Unternehmensberatung berät seit 25 Jahren namhafte Unternehmen in strategischen und operativen Fragen der Unternehmensentwicklung, zum Beispiel auch in der Entwicklung und Umsetzung von Marken- und Marktbearbeitungsstrategien.
Janet Cacciatore ist Beraterin im Team Regenerative Energie bei Dr. Wieselhuber & Partner.

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