Ende November 2022 war es endlich so weit: die Bundesnetzagentur veröffentlichte ein lang erwartetes Eckpunktepapier zur netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen. Das Papier ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den so genannten §14a des Energiewirtschaftsgesetzes neu zu regeln.
Das aktuell laufende Konsultationsverfahren zu den Vorschlägen der Bundesnetzagentur bildet dabei den vorläufigen Schlusspunkt einer Hängepartie, die seit knapp zwei Jahren andauert. Kurz vor Weihnachten 2020 war eine Novellierung des §14a EnWG in die Verbändeanhörung gegeben worden – diese wurde jedoch kurz darauf von dem damaligen CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gestoppt und der Vorschlag daraufhin komplett zurückgezogen. Danach ist es ruhig um eine Neuregelung geworden – und blieb trotz verschiedenen Ankündigungen auch lange ruhig.
Seit Juli 2022 hat nun die Bundesnetzagentur die Aufgabe, die Novellierung voranzutreiben. Das ist richtig und wichtig, denn die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind ein integraler Bestandteil, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Werden Wärmepumpen und Wallboxen netzdienlich eingesetzt, wird eine wirkliche Sektorenkopplung erreicht. Zudem bietet die intelligente Steuerung der Netzanschlüsse ein großes Potenzial für das Stromnetz, da dadurch sowohl in Engpass- als auch in Überschuss-Situationen die Flexibilität im Verbrauch genutzt werden kann. Dies führt zu weniger Netzengpässen sowie günstigeren Strompreisen und Netzentgelten – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Eine Neuregelung ist in Sicht
Das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur ist ein wichtiger Schritt, um endlich regulatorische Klarheit und verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen. Es ist zu begrüßen, dass sie bundeseinheitliche Regelungen schaffen will. Bislang waren zum Beispiel reduzierte Netzentgelte vom jeweiligen lokalen Netzbetreiber abhängig. Für die Verbraucher war das undurchsichtig und wenig nutzerfreundlich. Außerdem sind bundeseinheitliche Regelungen ein guter Nährboden für Lösungen, die auf steuerbaren Verbrauchseinrichtungen aufsetzen. Die Konvergenz von Strom, Wärme und Mobilität wird somit weiter gestärkt.
Mehr Markt und Flexibilität wagen
Allerdings hat auch das vorliegende Eckpunktepapier noch Verbesserungsbedarf. Aus unserer Sicht sind dabei die folgenden Punkte zentral:
Erstens fokussiert der Entwurf sich auf das Abregeln von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, schlägt aber keine Regelungen und Anreize für den netzdienlichen Verbrauch vor. Dabei ist §14a EnWG doch in dem Geiste einer möglichst netzdienlichen Stromnutzung verfasst worden. Netzdienlichkeit kann auch darin bestehen, in Zeiten von einem Stromüberangebot beispielsweise die Batterie des Elektroautos zu laden. Incentiviert über Preissignale könnten Nutzer ihren Stromverbrauch variabel anpassen und somit Engpässe im Verteilnetz proaktiv verhindern und damit teuren Netzausbau oder Abregelungen verhindern.
Für uns ist die Vermeidung eines Eingriffes in ein Energiesystem immer besser als der eigentliche Eingriff. Dafür braucht es Anreize, um entsprechendes Verhalten zu fördern. Das Papier der Bundesnetzagentur berücksichtigt das Instrument der zeitvariablen Netzentgelte leider nicht ausreichend. Dabei könnte das Laden von Elektroautos damit auf Zeiten verschoben werden, zu denen der Strompreis günstiger ist. Netzengpässe und Steuerungseingriffe würden vermieden.
Zweitens sehen wir es kritisch, dass der Entwurf eine Einzelsteuerung der Verbraucher besserstellt als eine Prosumersteuerung. So wird bei einem Netzanschluss, der Wärmepumpe, Ladesäule und Batterie vereint, mindestens 11 Kilowatt (3 mal3,7 Kilowatt) zugesichert, während bei einer Prosumersteuerung (Steuerung über den gesamten Netzanschluss) lediglich 5 Kilowatt in Summe zugestanden wird. Hier müssten im Sinne eines effizienten Einsatzes der steuerbaren Verbraucher sowohl kapazitätsbezogene als auch finanzielle Vorteile für die Prosumersteuerung vorliegen. Ein koordinierter Netzbezug ist deutlich effizienter als die Betrachtung von einzelnen Verbrauchern. Diese Erfahrung haben wir im Projekt „NetzFlex“ gemeinsam mit Partnern wie Mitnetz Strom, einer Tochtergesellschaft der enviaM, gemacht.
In diesem Pilotvorhaben haben wir erarbeitet, wie die Interessen der Kunden und Kundinnen und die Anforderungen des Netzbetreibers an die Integration von erneuerbaren Energien gleichermaßen bedient werden können. Das Projekt hat gezeigt, dass eine zeitlich koordinierte, netzdienliche Nutzung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen die Stromkosten für Endkunden senkt und die Energiewende nutzerfreundlicher macht. In dem aktuellen Entwurf ist die Prosumersteuerung nicht genügend berücksichtigt bzw. die Grenze für den Leistungsbezug von 5 Kilowatt deutlich zu niedrig angesetzt. Wir halten eine Erhöhung daher für zwingend geboten.
Es braucht ambitionierte Regelungen
Die Vorschläge der Bundesnetzagentur gehen in die richtige Richtung. Es ist aber an der Zeit, dass wir noch einen Schritt weiter gehen und einen wirklich ambitionierten Rahmen umsetzen, der die Vorteile von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen voll ausspielt und für das Netz und die Verbraucher sowohl Effizienz als auch Kostenvorteile mitbringt.
—- Der Autor Frank Schlichting ist CEO von Kiwigrid. Er studierte Angewandte Physik an der TH-Darmstadt und der University of California in Berkeley. Nach seinem Abschluss als Diplom-Physiker wechselte er an die TU Berlin und promovierte dort in den Ingenieurwissenschaften. Parallel zum Studium arbeitete er als Softwareentwickler bei DaimlerChrysler InterServices (debis). Seine weiteren beruflichen Stationen führten vom Aufbau der Volkswagen Autostadt über Atmel Semiconductors zum Hightech Start-up Nanotron Technologies. Von 2014 bis 2020 übernahm er die Geschäftsführung und Entwicklungsleitung als CEO/CTO bei Solare Datensysteme im Bereich Erneuerbare Energien, mit Schwerpunkt Produktentwicklung und Internationalisierung. Parallel steuerte er die Unternehmenstransformation im Zuge des M&A Prozesses zum Schweizer Energieversorger BKW AG, wo er zusätzlich auch als Geschäftsführer für die SDS Entwicklung GmbH Berlin (jetzt Proxima Solutions) im Bereich Windenergie verantwortlich zeichnete. —
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Zitat aus dem Artikel.
Seit Juli 2022 hat nun die Bundesnetzagentur die Aufgabe, die Novellierung voranzutreiben. Das ist richtig und wichtig, denn die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind ein integraler Bestandteil, um die Energiewende zum Erfolg zu führen.
Allerdings hat auch das vorliegende Eckpunktepapier noch Verbesserungsbedarf. Zitat Ende.
Für mich hat das Eckpunktepapier nicht nur Verbesserungsbedarf, sondern ist total unvollständig, so lange die.. „Erneuerbaren“.. da nicht wieder „Physisch“ integriert werden, wie das bis 2010 der Fall war, sondern lediglich eine „Virtuelle“ Rolle spielen.
Ein Energiewende taugliches Netz besteht ja nicht nur aus ..„Verbrauchseinrichtungen“.., die flexibel gesteuert werden müssen, sondern auch aus volatilen Erzeugungsarten, deren preis mindernder Merit Order Effekt wieder den Verbrauchern zugute kommen muss.
Ich weiß es klingt für den oberflächlichen Betrachter kompliziert. Wer sich näher dafür interessiert lese meine folgenden Kommentare.
https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/co%e2%82%82-emissionen-2022-in-deutschland-kaum-gesunken/
Besonders die, wo deutlich gemacht ist wie N1 zu N2 und P1 zu P2 wird.
Möglicherweise liest der Autor des Artikels auch hier.
… es geht mir nicht so richtig in meinen Kopf, dass dynamische Stromtarife nicht explizit gefördert werden… in welcher Form auch immer. Das ist doch nun wirklich volkswirtschaftlich betrachtet die allergünstigste Variante, das Netz zu stabilisieren, Speicher von vorneherein zu vermeiden und uns mit Leitungen noch etwas Zeit zu geben. Und das Beste dabei ist, dass wirklich jeder Bürger von so etwas elementar profitieren kann… eine Wende für alle, bis zu jenen, die Mieter sind und/oder keine PV haben. Das ist der spirit, den die Energiewende endlich benötigt.
Warum gibt es nicht schon heute Schnellader-Stationen, die in Abhängigkeit von der EE-Verfügbarkeit die Stundenpreise anbieten? .. ups, das ist ja dann wie bei der fossilen Tankstelle, aber diesmal nachvollziehbar ökologisch belohnend.
@ Detlef K.
Die Energiewende ist von Anfang an ein „Kalter Krieg“ zweier Systeme.
Nach dem die „Altgedienten“ gemerkt haben, dass die Energiewende nicht mehr aufzuhalten ist, versuchen sie mit Hilfe ihrer einflussreichen Lobbyisten, möglichst Viel ihrer gewohnten Pfründe ins neue System mit zunehmen. Daher ist das keine Volks, sondern in erster Linie eine Betriebswirtschaftliche Angelegenheit, und deshalb schwierig in einen Energiewende denkenden Kopf , wie den Ihren, reinzubringen. Damit meine kritischen Kommentare hier nicht falsch verstanden werden, muss ich immer wieder betonen.
Wir brauchen die „Altgedienten“ für die Energiewende. Ich mache lediglich ständig darauf Aufmerksam, wo sie sich zu viel unter den Nagel reisen wollen, und schon haben .
@Hans Diehl, Detlef K.
wir täten besser daran, die Polemik aus der Diskussion herrauszuhalten.
Aber auch nach meinem techn. Sachverstand ist es unergründlich, daß von der Bundesregierung hier nur Teillösungen, in Form einer Flickschusterei mit der Forderung nach der Installation von intelligenten Strommessungen geliefert werden. Ein intelligenter Stromzähler, auch wenn jetzt 3 Systeme hierfür zertifiziert sein mögen, ist von Haus aus noch nicht vorteilhaft, wenn er seine Intelligenz nicht weitergeben kann!
Unser Stromsystem wird zukünftig maßgeblich von nicht stetigen Energieen, wie Wind und PV, gespeist werden. Wäre es da nicht naheliegend einen selbstregelnden Mechanismus beim Verbraucher gegenüber zu stellen, um weiterhin Spannung und Frequenz stabil zu halten?
Als verpennte Orgie sei hier nur der starre Ausbau von Ladekapazitäten für E-KFZ zu nennen, um die E-Mobility vorranzubringen. Es ist nicht damit getan, eine best. E-Leistung dem Verbraucher zu Verfügung zu stellen; ein System sollte auch die Rückwirkung auf deren Versorgung beinhalten.
Ebenso verhält es sich m.E. nach bei WP für die Gebäudebeheizung. Ein erklärtes Ziel der Bundesregierung in nächster Zeit ist die Umrüstung von sehr, sehr vielen Gebäudebeheizungen auf die WP-Technik.
Vollkommen ungeklärt scheint hierbei, woher die E-Energie aus einem später nur noch volantivem Netz hierfür herkommen soll und ob die Vereilungsnetze der Stadtwerke hierfür auch ausreichen werden.
Im Ansatz scheint mir die Notwendigkeit einer verbrauchsbezogenen Steuerung der Verbraucher für die Erhaltung der Netzkapazität dringend angeraten und wirklich geboten.
Im 400 V-Sektor sollten sich die örtlichen Versorger und Stadtwerke mit dem Gedanken befassen, um eine Überlastung der vorh.örtlichen Verteiler-Netze sicher ausschließen zu können.
Mein seit ca. einem Jahr installierter intelligente Stromzähler, wie auch die Wallbox hat leider keinerlei erkennbare Intelligenz, Verbräuche zu steuern und mögliche Spitzen des Netzes abfangen zu können………….
Warum die Verteilungsnetzbetreiber, wie auch Stadtwerke hier nicht aktiv werden, erschließt sich mir nicht!
Thomas I schreibt.
@Hans Diehl, Detlef K.
wir täten besser daran, die Polemik aus der Diskussion herrauszuhalten.
@ Thomas I
Ich bin ja auch gegen Polemik nur als Ersatz, wenn jemand die Argumente ausgehen.In diesem Fall untermauere ich aber lediglich Tatsachen, sprich Argumente, etwas mit Polemik. Oder haben sie den Eindruck die beiden System gingen friedlich, und koordinativ miteinander um.??
Die Polemik ist in diesem Fall so, wie das „Grüne Plättchen“ auf dem Tellerrand im Speiselokal.