Rückseitenfolien haben die wichtige Aufgabe, Solarmodule vor UV-Strahlung, Feuchtigkeit, Diffusion, chemischen Substanzen, mechanischer Beschädigung und Abrasion zu schützen und ihre elektrische Leitfähigkeit zu gewährleisten. Diese Schutzfunktion sollte möglichst lange, zumindest jedoch während der garantierten Lebensdauer, aufrechterhalten bleiben. Damit die Photovoltaik ihrer Aufgabe in einer zukünftigen Energieversorgung gewachsen ist, muss sie möglichst störungsfrei und langlebig sein. Auch unter dem immer dringlicheren Aspekt der Ressourcenknappheit müssen alle Komponenten hochwertig sein, nur so können diese möglichst dauerhaft funktionieren.
Problem erkannt
In den letzten Jahren ist in der Photovoltaik jedoch ein Problem zu Tage getreten, dass sich in einem deutlichen Anstieg an Modulfehlern äußert. Hintergrund ist ein Versagen von einzelnen Rückseitenfolien (Backsheets) und einem damit verbundenen Verlust der Isolationsfestigkeit von Solarmodulen. Zunächst wurde der Effekt vor allem in feuchteren Klimazonen beobachtet, doch auch in gemäßigten Gebieten, wie in Deutschland, werden mittlerweile vermehrt Schäden publik. Durch diesen Vorgang treten immer häufiger Isolationsfehler auf, welche letztlich die Wechselrichter dazu veranlassen, die Photovoltaik-Anlage aus Sicherheitsgründen nicht mehr einzuschalten. Unter besonderen Wetter- und Umweltbedingungen kann eine Gefahr für Leib und Leben infolge eines Stromschlags nicht ausgeschlossen werden.
Im Zusammenhang mit geschädigten Rückseitenfolien sind diverse Schadensbilder dokumentiert; unter anderem kommt es vermehrt zu Korrosion bei Zellverbindern, Auskreiden der Rückseitenfolien, Delamination, Rissbildung oder Braunfärbung. Im schlimmsten Fall können diese Schäden dazu führen, dass die Betriebssicherheit der Photovoltaik-Anlagen nicht mehr gewährleistet ist. Bisher wurden diese Fehler vermehrt bei Solarmodulen beobachtet, die im Zeitraum von 2010 bis 2012 verbaut wurden. In dieser Periode wurden von einigen Herstellern Folien aus Polyamid oder mit fluorhaltigem Coating eingesetzt. Module mit schadhaften Rückseitenfolien, welche auch bereits in größeren Solarparks verbaut wurden, stellen durchaus ein Sicherheitsrisiko dar, da sie die Anforderungen der Schutzklasse II nicht mehr erfüllen.
Die „Modulflüsterer“ vom HI ERN
Bislang konzentrierte sich die Sichtung vor allem auf augenfällige Exemplare, da häufig nur Module mit besorgniserregenden Rissen im Labor untersucht wurden. Um schneller Fortschritte zu erzielen, hat das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg (HI ERN) den Blick aus dem Labor heraus direkt ins Feld gerichtet.
Also machten sich die Experten und Expertinnen auf den Weg und begannen Informationen zusammenzutragen und Zusammenhänge zu identifizieren. Dazu musste, auch wenn das jetzt auf den ersten Blick alles andere als eine rein wissenschaftliche Herangehensweise ist, eine gewisse Beobachtungsgabe entwickelt werden. Denn nur eine solche ermöglicht ein besseres Verständnis und Erkennen. Mit einer Portion Geduld und Ausdauer, unter Berücksichtigung aller nur denkbaren Standortbedingungen, konnte durch ein ganzheitliches Gespür für die gesammelten Daten ein Zusammenhang zwischen Degradation und Backsheet hergestellt werden. Das mag jetzt fast schon ein wenig esoterisch klingen, jedoch ist es nur ein Versuch zu beschreiben, was alles hinter einer nicht rein nüchternen wissenschaftlichen Vorgehensweise steckt: Eben alles andere als dröge Wissenschaft.
Neue Messmethoden mit tiefen Einblicken
Zur Bestimmung der verschiedenen Schichten der Rückseitenfolien wurden vom Helmholtz-Institut (siehe Kasten) mehrere Messmethoden kombiniert. Dabei muss man zwischen langwierigen Labormessungen, die mit hohem Aufwand für eine sehr hohe Genauigkeit sorgen, und Feldmessungen mit großem Durchsatz unterscheiden. Die Kombination dieser zwei Ansätze ist der entscheidende Ansatz.
Zum einen konnten mittels einer sogenannten FTIR-Spektroskopie [FTIR steht hier für „Fourier-Transformations-Infrarot“] zerstörungsfrei die Oberflächenschichten erfasst und anschließend charakterisiert werden. Auch wurden die Module nach äußerlichen Merkmalen klassifiziert. Hier lag das Augenmerk auf optischen Veränderungen hinsichtlich Verfärbungen, Delamination, Rissbildungen, Adhäsionsverlusten sowie Korrosionserscheinungen innerhalb von Solarmodulen. Zum anderen wurde mithilfe von NIRA-Spektroskopie [NIRA steht hier für „Nahinfrarot-Absorptionsspektroskopie“] zerstörungsfreie Analysen von der Außenseite durchgeführt. Dank der großen Eindringtiefe von NIRA (mehrerer 100 μm je nach Material) konnten auch die inneren Schichten und deren Dicken erfasst werden. Ebenso wurden im Feld sowie auch im Labor durch UV-Fluoreszenzmessungen Veränderungen der Folien, wie sie unter anderem bei Single-Fluoropolymer-Folienpaketen, zusätzlich zu BS-Vielfalt, auftreten können, visualisiert. Schließlich wurden mithilfe von Materialproben Referenzmessungen -etwa durch sogenannte Raman-Analysen, bei der die zu untersuchenden Proben mit monochromatischem Licht aus einem Laser bestrahlt werden – durchgeführt. An den Probenschnittkanten wurden die jeweiligen Polymerstapel bestimmt. Zusätzlich wurden im Labor auch noch die Leistung unter Standard-Testbedingungen als auch der Isolationswiderstand der Module vermessen.
Neben den Messungen erfolgte auch eine visuelle Inspektion. Bei dieser wurden bei vielen Module schon deutliche Anzeichen von Degradation und Alterung der Polymermaterialien festgestellt. Dies äußerte sich beispielsweise im sogenannten Auskreiden, bei dem die weißen TiO2-Partikel freigelegt werden, da das umgebende Polymermaterial abgetragen wurde, sowie Rissen über den Busbars oder in den Zellzwischenräumen.
Die große Vielfalt
Unabhängig davon, welche Rückseitenfolien beziehungsweise Backsheet-Typen für welche Probleme verantwortlich zu sein scheinen, liegt ein großes Problem darin, dass bei älteren Modulen viel zu wenig Daten vorliegen, mit denen sich feststellen lässt, welche Folien auf welche Modultypen genau aufgebracht wurden. Das betrifft zum einen die Zusammensetzung des Folienpakets, zum anderen die Art der Aufbringung, aber auch die Verwendung von Additiven, Klebern oder Haftvermittlern. Bei der Bestimmung und den Messungen im (Solar)Feld wurden dank der neuen Messmethoden ein großes Spektrum an Backsheets festgestellt. Das Besondere: selbst typengleiche Module sind nicht bauartgleich. Diese große Varianz ist kritisch, da unterschiedliche Schichtkombinationen auch unterschiedliche Reaktionen zeigen können. Die Ursache für einen vermeintlichen Ausfall in einem Solarpark ist somit schwer zu identifizieren, wenn unklar ist, welche Rückseitenfolien vorliegen. Da Backsheets in gewisser Weise auch in einem stetigen Wandel sind und sich im Betrieb verändern, das Solarmodul in gewisser Weise sich also „organisch“ verhält, wird die Fehlersuche umso schwieriger. So ist oftmals nicht bekannt was etwa an Additiven während der Produktion in die Schichten eingebracht wurde. Da Additive während des Betriebs teilweise abgebaut werden, kann mithilfe der identifizierten nicht so einfach auf deren ursprüngliche Konzentration geschlossen werden. Das alles macht die Bestimmung des Ist-Zustands und eine Prognose der zu erwartenden Veränderungen im Modul aufwändig.
Aufbau einer Bibliothek
Die damit erfassten Querschnitte dienten zum Aufbau einer Bibliothek. Durch die Kombination der Messergebnisse, angelegt in einer Matrix, ist es nun möglich durch zerstörungsfreie Oberflächenmessungen auf den Aufbau der Polymerstapel zu schließen. Die so erstellte Bibliothek umfasst bereits tausende Datensätze und ermöglicht die Identifikation der Schichtaufbauten mehrschichtiger Backsheets, wie sie häufig in Solarmodulen eingesetzt werden. Im Labor wurden rund 250 Module (Stand 2022) charakterisiert, durch die Messung in etwa 30 Solarparks, vorwiegend in Deutschland, schon mehr als 30.000 Module ausgewertet. Speziell die im großen Umfang im Feld vorgenommenen Messungen haben zu dem großen Portfolio an Daten beigetragen. Ein wesentlicher Vorteil dieser „in situ“-Messungen liegt auch darin, dass nicht nur offensichtlich defekte oder optisch stark veränderte Module, die üblicherweise Eingang in die Labore finden, bemessen wurden. Vielmehr konnten im Feld dank der schnell und zuverlässig durchzuführenden Messungen, auch viele vermeintlich intakte Module in die Datenbank aufgenommen werden. Allein mit NIRA ist es somit möglich etwa Single-Fluoropolymere oder Doppelfluorpolymere zu identifizieren, aber auch überlagerte Spektren einzelner Schichten zu entschlüsseln und die Schichten zu benennen. Der große Vorteil ist nun, dass es heute möglich ist, massenweise Module im Feld zu identifizieren, und Backsheets zu erkennen.
Ergebnisse
Durch die Messungen im Feld konnten mehrere Erkenntnisse gewonnen werden:
- Mittels UV-Fluoreszenz wurde eine Degradation, bzw. ein Abbau der EVA-Folien visualisiert. Mittels NIRA-Spektroskopie wurden bei diesen Folien Unterschiede beim Carbonylgehalt festgestellt.
- Bei einer der EVA-Folientypen wurden vermehrte Anzeichen von Korrosion identifiziert. Diese gingen mit einem höheren Wassergehalt und einem geringeren Reflexionsvermögen einher.
- Im Zusammenhang mit dem identifizierten Carbonylgehalt kommt es bei manchen Backsheet-EVA-Kombinationen zu einer erhöhten Korrosion oder auch zu PID.
- Polymere, also die Kombination von Backsheets mit EVA-Folien, führen zu Wechselwirkungen und einem vermehrten Auftreten von PID, Korrosion, erhöhtem Wassergehalt und Verfärbungen
- Über die Betriebsjahre erhöhen sich die Erdungsfehler je nach BS-Typ unterschiedlich stark (Bild 3a und 3b). Während bei Polyvinylidenfluorid (PVDF) die Anzahl der Fehler konstant hoch sind, gibt es bei PA eine leichte und bei fluorhaltiges Coating (FC) eine stetige Zunahme beobachtet für Anlagen der Installationsjahre 2010 bis 2012.
- Es konnte eine Kartierung der Backsheet-Vielfalt erstellt werden.
- Leistungsreduktionen konnten nur in geringer Weise bestimmten Backsheet-Typen oder auch degradierten Rückseitenfolien zugeordnet werden. Das betrifft in dem Fall die aktuelle Leistung in Relation zur Nominalleistung. Im Durchschnitt beträgt die Minderung etwa dreiProzent, was in etwa in der Größenordnung der Messtoleranz liegt. Das Ganze ist jedoch nur eine Momentaufnahme.
- Eine beobachtete Gelb- beziehungsweise Braunfärbungen konnte wenig mit der Modulleistung in Zusammenhang gebracht werden, auch Module mit Färbung einen geringen mittleren Riso-Wert aufweisen.
- Der Effekt des Auskreidens, wurde lediglich für PA-basierte Backsheets festgestellt, wenngleich bekannt ist, dass auch andere Backsheet-Materialien, etwa PVF-PET-PVF davon betroffen sind.
- Eine Auswirkung auf den Isolationswiderstand oder die resultierende Modulleistung von den vorhandenen Daten konnte noch nicht abgeleitet werden.
Möglichkeiten und Fazit
Dank der umfassenden Datenbank des Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien und der erlangten Erkenntnisse ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für weitere Untersuchungen. So ist es etwa grundsätzlich möglich, mit Methoden der künstlichen Intelligenz die Degradationsmechanismen als solches besser zu verstehen. Die Ergebnisse können dabei nicht nur rückwirkend Auskunft geben, sondern auch andere und zukünftige Materialien und Materialkombinationen Hilfestellung leisten.
Es hat sich auch herausgestellt, dass nicht die Backsheets im Allgemeinen problematisch sein können, sondern vielmehr der Polymerstapel im Ganzen betrachtet werden muss. Auch dass Backsheets nicht elektrisch passiv sind, macht deutlich, dass viele Veränderungen mit der Zeit des Betriebs einhergehen und eine jede Untersuchung nur eine Art Momentaufnahme darstellt. Zu allem „Unglück“ stehen Solarmodule auch noch täglich unter Spannung, was allerlei elektrochemische Vorgänge begünstigt.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass es sich hierbei nicht um ein durchgehendes Problem des Moduldesigns handelt, Photovoltaik-Module nicht grundsätzlich unter diesen Schäden leiden, sondern dass es offensichtlich um eine gewisse Zeitspanne geht, in der teilweise weniger geeignete Materialien verbaut wurden.
Im Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) arbeiten in sieben Forschungsabteilungen über 170 Mitarbeitende. Es ist eine Außenstelle des Forschungszentrums Jülich (FZJ) und wird in enger Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) betrieben. Ein Fokus liegt unter Verwendung von künstlicher Intelligenz, in der Identifikation und Verbesserung von Materialien für Photovoltaik-Systeme. So beschäftigt man sich auch mit der strukturellen und funktionellen Charakterisierung, Modellierung und Herstellung von Materialien, die für Solartechnik relevant sind.
Die „Modulflüsterer“ im HI ERN
Dr. Oleksandre Stroyuk (Chemiker)
macht spektroskopische Analysen der Backsheets und hat die Mess- und Analysemethode feldtauglich gemacht.
o.stroyuk@fz-juelich.de
Dr. Claudia Buerhop-Lutz (Werkstoffwissenschaftlerin) verknüpft die elektrischen Daten der Rückseitenfolien mit den Wetter- und Felddaten.
c.buerhop-lutz@fz-juelich.de
Dr. Ian Marius Peters (Physiker) ist der Spezialist für Datenanalyse, KI-Methoden und technisch-ökonomische Modelle.
i.peters@fz-juelich.de
— Der Autor Matthias Hüttmann ist Diplom-Ingenieur. Er arbeitet als Publizist, freier Journalist und Buchautor. Bei der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat er die Posten der Chefredaktion bei der Sonnenenergie sowie der DGS-News inne, zudem ist er dort Pressesprecher tätig. Weiterführende Informationen zu dem Thema finden Sie auch in diesem Artikel. —
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Ich wusste nicht, dass Photovoltaik Rückseitenfolien hat. Ich bin seit kurzem erst Besitzer einer solchen Anlage. Es ist interessant, dass die Folie die Module vor UV-Strahlung, Feuchtigkeit und Diffusion schützt. Ich frage mal bei meinem Händler wegen der Wartung nach.