Netzbetreiber können mittels eines digitalen Zwillings Netzanschlussprüfungen für Photovoltaik, Wärmepumpe und Wallbox automatisch durch eine Software durchführen lassen. Das Kasseler Start-up Retoflow hat dafür eine entsprechende Software entwickelt. Der Hochlauf der erneuerbaren Energien stellt Energienetzbetreiber vor große Herausforderungen. Denn wer eine Photovoltaik-Anlage, eine Wärmepumpe oder eine Ladestation fürs E-Auto installieren möchte, muss den Netzbetreiber prüfen lassen, ob der Anschluss an das kommunale Netz möglich ist.
„Selbst ein kleines Stadtwerk erhält pro Jahr über tausend Anfragen und müsste viele neue Fachkräfte einstellen, um die Gesuche abzuarbeiten“, sagt Leon Thurner, CEO bei Retoflow. „Der derzeitige Anschlussprozess ist langwierig, da er manuell erfolgt. Bis zur Rückmeldung seitens des Netzbetreibers können Wochen vergehen.“ Die von ihm und seinen Kollegen Jannis Kupka und Simon Drauz-Mauel entwickelte Software automatisiert die Anschlussprüfung und soll damit den Ablauf vereinfachen und beschleunigen.
Automatische Prüfung
Dafür erstellt sie einen digitalen Zwilling des Energienetzes. So lässt sich der Anschluss einer neuen Anlage simulieren. Die webbasierte Plattform ruft die passenden Netzdaten ab, testet die Auswirkungen in den verschiedenen Netzebenen sowie die technische Machbarkeit und prüft, ob ein Ausbau erforderlich ist. Die Stadtwerke Fürstenfeldbruck, Netze BW und BS Netz nutzen die Software bereits im Pilotprojekt.
Retoflow will auch die langfristige Planung von Stromnetzen und Rohrnetzen erleichtern. Dafür setzt die Software Algorithmen ein, die Vorschläge für die Netzkonfiguration und -planung erzeugt und Empfehlungen für den Bau oder den Rückbau von Leitungen abgibt. Routenführungen, Auslastungen der Leitungen, Spannungsdifferenzen und weitere technische Parameter berechnet die Software in Echtzeit und kalkuliert die anfallenden Kosten.
Strom-, Wärme- und Gasnetze zusammenführen
Retoflow läuft in der Cloud, lässt sich jedoch beim Netzbetreiber hosten. Derzeit liegt der Fokus auf der Modellierung von Stromnetzen. »Aktuell behandeln Netzbetreiber und Stadtwerke die Technologien der Energiewende noch getrennt. Doch mit der fortschreitenden Sektorkopplung werden Strom-, Wärme- und Gasnetze zunehmend kombiniert und zusammengeführt“, sagt CEO Thurner. In Zukunft soll Retoflow auch bei der Planung von Gas- und Wärmenetzen helfen. „Die hierfür erforderlichen Berechnungsalgorithmen kommen aus dem Fraunhofer-Universum und der Universität Kassel. Wir bei Retoflow kümmern uns um die Oberfläche und die Softwarelösung«, so Thurner.
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Das ist gewiss eine gute Sache für die Netzbetreiber, damit die Netzplanung, Anschlussprüfungen und Aus- und Abbau gut gelingen. Wenn Strom-, Wärme- und Gasnetze zunehmend kombiniert und zusammengeführt werden, dann sehe ich noch diese Frage: Wie wird die Energiespeicherung abgebildet? Die Speicherung von Energie in allen möglichen Formen gehört vor allen in die Hände – mindestens unter die Kontrolle – des Netzbetreibers, damit das netzdienlich, ressourceneffizient und zuverlässig funktionieren wird. Ideal wäre eine so intelligente Speicheranordnung und -betriebsweise, dass möglichst viel Abwärme aus den Speichern sinnvoll genutzt werden könnte. Abwärmenutzung ist die Königsdisziplin der Energiewende!?
Hallo Herr Schnitzler, ein sehr interessanter Kommentar. Jedoch will ich gerne auf die Aussagen von Hermen Scheer in seinem Buch „Der energetische Imperativ“ hinweisen zum Punkt Energieversorgung als Gemeingut: „Auch die Übertragungsnetze (damit auch die Speicher) müssen demokratisch vergesellschaftet werden; es geht also nicht nur darum, sie im öffentlichen Eigentum zu halten, sondern um eine effiziente öffentliche Kontrolle…Stromnetze dürfen keine Spielwiese für börsennotierte Aktiengesellschaften sein!“ Das müssen wir in Deutschland (und EU) noch angehen!