Energieeffizienz richtig umsetzen

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Energie ist zu kostbar, um sie zu verschwenden. Das ist auch der Bundesregierung bewusst geworden und nun hat das Wirtschaftsministerium den bereits zu Beginn des Jahres angekündigten neuen Entwurf für das Energieeffizienzgesetz vorgelegt. Mit diesem Gesetz soll der Energieverbrauch in Deutschland bis 2045 im Vergleich zum derzeitigen Verbrauch um 45 Prozent gesenkt werden. Ein ambitionierter Plan ist jetzt entscheidend, um den Marktteilnehmern eine klare Richtung vorzugeben, aber vor allem auch Investitionssicherheit zu bieten.

Endlich ins Machen kommen

Die ungewöhnlich warmen Temperaturen im Oktober haben zu dem glücklichen Umstand geführt, dass der Gasverbrauch in diesem Herbst niedriger ist als im Vorjahresmonat. Die Gasspeicher sind mittlerweile nahezu vollständig gefüllt. Diese Nachrichten sind kurzfristig erleichternd und für diesen Winter sollten wir damit gut aufgestellt sein. Umso wichtiger ist es, dass wir diese vermeintliche Atempause nicht zu einem langen Durchschnaufen nutzen, sondern im Gegenteil zügig agieren und langfristige Vorbereitungen treffen. 2023 werden wir kein russisches Gas mehr bekommen, um unsere Gasspeicher für den nächsten Winter zu füllen. Wir müssen deshalb jetzt die richtigen Entscheidungen treffen und umsetzen, um bis dahin gut aufgestellt zu sein.

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas hat den Druck auf die Politik drastisch erhöht, einen schnellen und bezahlbaren Plan zur Umsetzung der Energiewende vorzulegen. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sind dafür eine entscheidende Säule. Bereits im Sommer haben sich Verbraucher-, Wirtschafts- und Unternehmensverbände zusammengeschlossen und sich mit einem Appell an die Bundesregierung gerichtet. Darin forderten sie schnelles Handeln und einen verbindlichen Rechtsrahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, um Investitions- und Rechtssicherheit herzustellen.

Der Gesetzesvorschlag im Überblick

Vor zwei Wochen ist nun ein Vorschlag für ein Energieeffizienzgesetz bekannt geworden. Die in diesem Entwurf definierten Maßnahmen sollen den Energieverbrauch von Haushalten und Unternehmen bis 2030 um rund 500 Terrawattstunden senken. Die Sparmaßnahmen sollen ab 2024 zu einer Einsparung von 5 Terawattstunden für den Bund und fünf Terawattstunden für die Länder führen. Unternehmen mit einem hohen Energieverbrauch, also mehr als 2,5 Gigawattstunden jährlich, sollen dazu verpflichtet werden, Systeme zum Umweltmanagement und Verbrauchskontrollen einzuführen. Außerdem soll die „Sperrklausel“, mit der bisher alle Betriebe und Energieproduzenten, die am europäischen CO2-Zertifikatehandel teilnehmen von nationalen Energieeffizienz-Regeln ausgenommen sind, vom Wirtschaftsministerium aufgehoben werden.

Abwärme vermeiden und verwerten

Physikalische Gesetze bedingen, dass in vielen Prozessen Wärme als unvermeidbares und teures Nebenprodukt entsteht. Meist ist diese Abwärme nicht direkt vor Ort nutzbar und wird deshalb ungenutzt in die Umgebung „entlassen“. Deshalb will der Gesetzesentwurf Unternehmen dazu verpflichten, die entstehende Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden und die anfallende Abwärme auf den Anteil der technisch unvermeidbaren Abwärme zu reduzieren. Sobald Abwärme in einem Prozess unvermeidlich ist, soll sie durch Maßnahmen und Techniken zur Abwärmenutzung in anderen Bereichen wiederverwendet werden.

Dafür braucht es natürlich keine Initiative der Politik. Unternehmen haben bereits in großem Maße und aus eigenem Interesse dafür gesorgt, dass Wärme auf ihren Betriebsgeländen wiederverwendet wird, um Brennstoffe und Kosten zu sparen. Dass im neuen Gesetz nun auch die Ausdehnung der Abwärmenutzung auf außerhalb des Betriebsgeländes sowie die direkte Nutzung bei externen Dritten einbezogen wurde, ist absolut sinnvoll und begrüßenswert. In der Praxis ist dies jedoch oft nur schwer umsetzbar, weil damit Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Parteien entstehen und neue Infrastruktur aufgebaut werden muss.

Ein Industriebetrieb, der seine Wärme fernab von Wohnbebauung an den privaten Sektor verkaufen will, muss dafür erst ein passendes Fernwärmeprojekt finden und dafür Privatkunden überzeugen und technisch ausrüsten. Dabei bleibt die Frage offen, was mit der dafür geschaffenen Infrastruktur und ihren Kosten passiert, wenn der Industriebetrieb in 10 Jahren seine Produktionsverfahren umstellt oder gar einstellt. Auch wenn Unternehmen untereinander Wärme vermarkten, entstehen Abhängigkeiten und es sind Backup-Systeme notwendig, die meist auf Gas basieren.

Ein Anwendungsbereich, der im neuen Gesetzesentwurf ebenfalls explizit genannt wird, ist die Umwandlung der Abwärme in Strom. Das ist ein wichtiges Vorgehen, denn Strom kann vielseitig eingesetzt werden – zur Herstellung von Wasserstoff, als Antrieb für die klimaneutrale Elektromobilität und für das aktuell favorisierte Heizsystem der Zukunft, die Wärmepumpe. Strom braucht keine neue Infrastruktur und kann ohne Abhängigkeiten leicht und zielgenau verteilt werden.

Ein Beispiel verdeutlicht dieses Vorgehen: Allein mit der Abwärme aller deutschen Zementwerke ließen sich 0,7 Terawattstunden günstiger, CO2-freier Strom herstellen. Um dieselbe Menge Strom zu erzeugen, müssten circa 1,7 Terawattstunden Gas eingesetzt werden. Dies entspricht dem jährlichen Gasverbrauch von etwa 74.000 Einfamilienhäusern oder 142.000 Mietwohnungen – also einer mittelgroßen Stadt mit rund 300.000 bis 500.000 Einwohnern.

Energieeffizienz umsetzen – kein Bürokratiemonster erschaffen

Der Gesetzesentwurf ist ein wichtiger erster Schritt und ein guter Ansatz, um die Energieeffizienz bundesweit zu fördern und die ambitionierten Ziele zu erreichen. Entscheidend ist, dass durch das Gesetz tatsächlich eine Steigerung der Energieeffizienz erreicht wird und die Vorschriften Unternehmen nicht unnötig einengen und von der Umsetzung sinnvoller Maßnahmen abhalten. Speziell die in §29 geforderte „kaskadenförmige Nutzung von Abwärme“ sollte nicht erzwungen werden, da sie in vielen Fällen Effizienzgewinne verhindert und nicht praktikabel umsetzbar ist. Dort wo eine kaskadenförmige Nutzung von Abwärme Sinn macht, wird sie allein aus wirtschaftlichen Erwägungen stattfinden – auch ohne bürokratischen Druck.

In der aktuellen Debatte über eine Senkung des Energieverbrauchs werden immer wieder schnelle und einfache Lösungen gefördert. Eine erzwungene Kaskadierung steht diesem Ansatz entgegen. Die Komplexität verzögert die Umsetzung von Projekten aufgrund des erhöhten Planungs- und Prüfaufwands und verteuert die Installation exponentiell. Zudem sind komplexe Systeme immer anfälliger für Fehler, die in der Praxis wieder zu Effizienzverlusten führen. Die geplante Regelung würde bedeuten, dass besonders kleine Abwärmequellen deutlich teurer würden und somit viele Projekte aufgrund ihrer fehlenden Wirtschaftlichkeit aus der Umsetzungspflicht fallen könnten.

Was es jetzt braucht

Mit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Ministerium hat bereits verkündet, dass es nicht mit einer kommentarlosen Ressortabstimmung gerechnet habe und für Anpassungen grundsätzlich bereit ist. Das Wirtschaftsministerium sollte nun die geäußerte Kritik aus den verschiedenen Ressorts aufgreifen und in einem überarbeiteten Entwurf berücksichtigen. Je zügiger man sich darüber verständigt, welche Maßnahmen angebracht sind und möglichst unbürokratisch umgesetzt werden können, desto schneller lassen sich Einsparpotenziale nutzen. Und genau das benötigen wir nun: schnelle und pragmatische Lösungen, die einmal zu echten Einsparungen am besten noch vor dem nächsten Winter führen und zum anderen unseren Wirtschaftsstandort stärken und nicht weiter belasten. Experten, Fachleute und Unternehmer wissen, wie sie die jeweils sinnvollste Umsetzung zur Vermeidung von Energieverschwendung implementieren können. Die Technologien zur Nutzung von Abwärme und zur Erhöhung der Energieeffizienz stehen bereit, jetzt liegt es an der Politik dafür nur noch die Rahmenbedingungen richtig setzen.

—- Bevor der Autor Andreas Sichert 2008 Orcan Energy mitgründete, arbeitete er bei IBM Deutschland im Bereich Anwendungsentwicklung und Unternehmensberatung sowie als wissenschaftlicher Redakteur an der Technischen Universität München (TUM). Er studierte Physik an der TUM, wo er auch seine Promotion abschloss. Er ist Alumnus der Bayerischen Elite Akademie, der Sloan Swartz Foundation und Unterstützer des Gründungsengagements der TUM. 2014 bis 2017 war er Mitglied des Mittelstandsbeirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Er hat mehrere wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und ist als Erfinder auf dem Gebiet der Organic Rankine Cycle-Technologie benannt. —

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