Baden-Württemberg novelliert sein Klimaschutzgesetz ein weiteres Mal. Der Ministerrat hat dafür die zweite Weiterentwicklung des Gesetzes bereits am 20. September beschlossen und es jetzt zur sechswöchigen Beteiligungsphase für Verbände, Bürgerinnen und Bürger freigegeben.
„Wir nehmen die Herausforderung hier bei uns im Land an und wollen den Klimaschutz an breiter Front stärken. Uns ist wichtig, dass wir mit der Novellierung noch mehr wirksame Maßnahmen und Vorgaben in unserem Landesrecht verankern“, sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Klimaschutzministerin Thekla Walker betonte, dass Baden-Württemberg schon vor Novellierung das „modernste und umfassendste Klimaschutzgesetz in ganz Deutschland“ habe. In diesem Zusammenhang erwähnte Walker die kommunale Wärmeplanung und die Photovoltaikpflicht, als Erfolge der Landesregierung. Im aktuellen Entwurf der Neuauflage des Gesetzes kommen noch rechtlich verbindliche Sektorenziele für Industrie, Gebäude, Landwirtschaft oder Verkehr hinzu. „Das hat kein anderes Bundesland so im Klimaschutzgesetz stehen“, sagte die Umweltministerin.
Die bereits bestehende Photovoltaik-Pflicht wird ausgeweitet. In der Novelle sind jetzt auch landeseigene Gebäude verpflichtet. Zuvor galt die Pflicht nur für alle Neubauten und für Gebäude bei grundlegender Dachsanierung.
Baden-Württembergs Regierung schlägt vor den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber den Referenz Jahr 1990 einzusparen und bis zum Jahr 2040 komplett klimaneutral zu werden. In der bisherigen Fassung sollten bis zum Jahr 2050 nur 90 Prozent der Klimagase eingespart werden.
Um die Einsparungen zu erreichen, sieht der Entwurf zum Beispiel Änderungen in der Landesbauordnung vor, um den Ausbau von erneuerbaren Energie zu erleichtern. In Bezug auf denkmalgeschützte Gebäude heißt es in dem Änderungsvorschlag zur Landesbauordnung: „Bis zur Erreichung des Ziels der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 (…) stehen der Errichtung, Veränderung oder Beseitigung von Photovoltaik-Anlagen denkmalfachliche Belange nicht entgegen, (…)“.
Im Gebäudesektor gibt die sieht die Regierung vor die Gemeindeordnung so zu verändern, dass Kommunen Möglichkeit haben Anforderungen an Wärme- und Energiewende festzusetzen. Bei der Nutzungspflicht für erneuerbare Energien im Wärmesektor setzt die Landesregierung die Mindestanforderung an Wärmepumpen zur Erfüllung der Pflicht herab. Vorher galt, dass Wärmepumpen mindestens eine Jahresarbeitszahl von 3,5 aufweisen mussten, um dem Klimaschutzgesetz gerecht zu werden. Zukünftig soll auch eine Jahresarbeitszahl von 2,5 genügen.
Darüber hinaus strebt die Landesregierung in ihrem Entwurf die Einführung eines CO2-Schattenpreis in der Landesverwaltung in Höhe von 201 Euro an. Die Berechnungen dazu kommen vom Umweltbundesamt. Ein Schattenpreis verdeutlicht in betriebs- und volkswirtschaftlichen Betrachtungen die Folgekosten von CO2-Emissionen, die durch den Einsatz bestimmter Baumaterialien oder der Gebäudeenergieversorgung entstehen. Bei landeseigenen Bauvorhaben will Baden-Württemberg diesen Schattenpreis mit einrechnen und Baumaßnahmen so entsprechend anpassen. Bei Förderprogrammen des Landes soll es einen Klimavorbehalt geben. Somit soll vermieden werden, dass klimaschädliche Maßnahmen durch die öffentliche Hand gefördert werden können.
Interessierte und Verbände können sich auf der Seite Landesregierung Baden-Württemberg noch bis zum 1. November einbringen. Nach Abschluss der Beteiligungsphase wird das Klimaschutzministerium, geführt von Thekla Walker, die Beteiligungen beantworten. Nach erneuter Beratung im Ministerrat erfolgt der Beschluss der Revision und die Vorlage des Gesetzes an den Landtag – das soll noch innerhalb dieses Jahres erfolgen.
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Eine PV-Pflicht bedeutet ein Solarthermie-Verbot. Mag sein, dass so etwas vom Branchenmagazin der PV-Branche begrüßt wird, aber GRÜNE Politik muss auch die Ausbauziele der Hashtag #Solarthermie erreichen: Verdreifachung der jährlich produzierten Solarwärme bis 2030. Dazu braucht es eine Solarpflicht, die alle Solartechnologien voran bringt.
Hallo Herr Horn,
woher nehmen sie das Solarthermie-Verbot? Im Gesetz vom Oktober 2021, was nun novelliert wird, steht:
(4b) Unmittelbare räumliche Umgebung eines Gebäudes oder eines Parkplatzes im Sinne dieses Gesetzes ist gegeben, wenn eine Photovoltaik oder solarthermische Anlage auf demselben oder einem unmittelbar angrenzenden Grundstück oder auf demselben Betriebsgelände installiert wird.“
Viele Grüße,
Sandra Enkhardt
Das Solarthermie-Verbot ergibt sich aus der Wirkungsweise der auf die Photovoltaik zugeschnittenen Solarpflicht.
1. Wer eine Solaranlage installieren will, ist gut beraten, vorher das Dach in Ordnung bringen zu lassen; denn Solartechnik bleibt für wenigstens 25 Jahre auf dem Dach. In der Zeit sollte der Zustand der Wärmedämmung und der Dachdichtigkeit keinen Anlass geben, die Solartechnik für eine Dachsanierung abbauen zu müssen.
2. Eine vor der Kollektormontage durchgeführte Dachsanierung löst die Pflicht aus, das Dach großflächig mit Solarmodulen zu bedecken. Solarthermie benötigt aber aufgrund der hohen Flächeneffizienz nur wenig Dachfläche und ist meistens mit Kosten für eine Modernisierung der Heizungsanlage (Pufferspeicher, Regelung etc.) verbunden.
3. Eine gleichzeitige Finanzierung der zusätzlich aufgezwungenen PV-Anlage (zur vollständigen Erfüllung der flächenbezogenen Solarpflicht) übersteigt häufig die Liquidität der Hauseigentümer. Also wird nur noch die PV-Anlage realisiert, die bezogen auf die Fläche niedrigere Kosten auslöst.
4. Effektiv verhindert das Gesetz also Dachsanierungen und Solarthermieanlagen, so dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe unter dem Dach kaum gebremst wird.
Die gesetzlichen Regelungen zur Solarpflicht müssen berücksichtigen, dass
Solarthermie die in Anspruch genommenen Flächen mit hoher Effizienz nutzt und mit
dezentralen Speichern sowie besserer Heizungstechnik verbunden ist. Die darüber hinusgehende Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik ist sinnvoll, muss aber von der Solarpflicht ausgenommen sein, wenn am Gebäude eine angemessen dimensionierte Solarthermieanlage betrieben wird.
Jeder bessere Heizungsbauer bietet keine Solarthermie mehr an. Die Absatzzahlen gehen in den Keller. Jede Brauchwasserwärmepumpe ist hier viel effektiver. Nur heißes Wasser in 6 Monaten im Jahr ist mittlerweile einfach zu wenig. Eine Wärmepumpe hat den drei bis fünffachen Effekt. Strom ist halt wesentlich flexibler als heißes Wasser.
Hallo Herr Gruber, viele ältere Heizungsbauer trauen sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr auf’s Dach – und die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Aber junge, für den Klimaschutz engagierte Heizungsbauer, die Solarthermieanlagen der neuesten Generation anbieten, können Sie unmöglich vom Kreis der „besseren Heizungsbauer“ ausschließen.
Wenn Sie Solarthermie mit „nur heißes Wasser in 6 Monaten“ assoziieren, haben Sie die enorme technologische Entwicklung der letzten Jahre verpennt.
Solarthermie in Verbindung mit Biomasse erreicht jetzt schon 100% erneuerbare Energien beim Heizen, und in Verbindung mit Gas ist es nicht schlechter als eine Wärmepumpe beim aktuellen Strommix. Den Solarspeicher kann man übrigens immer noch zusätzlich für Überschuss aus den PV-Modulen nutzen, die rund um den Kollektor die weiteren Dachflächen nutzen.
Hallo Herr Horn,
ich möchte die Diskussion noch einmal kurz aufgreifen.
Technische Entwicklungen verändern bisherige relative Vorzüge.
Solarthermie wird im Sommer fast nie in größere Umfang genutzt! Wenn nicht für ein Freibad als Brauchwassererwärmung. Im Einfamilienhaus mit oft nur 2 Personen, selbst wenn es fünf sind wird das warme Wasser im Sommer kaum umfänglich genutzt. Strom kann dann jederzeit andersweitig genutzt oder eingespeist werden.
Im Winterhalbjahr: Photovoltaik erzeugt selbst bei tiefen Temperaturen und diffusem Licht noch Strom. Wenn Solarthermie gerade mal kurzzeitig auftaut.
Installation, Wartung und Lebensdauer: Solarthermie schneidet hier schlecht ab. Zumdem oft lange Leitungen mit Wärmeverlusten bis zum Speicher, meist im Keller.
Fazit: die Fläche statt mit Solarthermie mit Photovoltaik auszustatten ist wirtschaftlicher und klimaschonender, erst recht, wenn man eine Wärmepumpe installiert, was ja für die Zukunft die wichtigste Heizungstechnik sein wird.