Wie sich die EU-Kommission Gaspreisdeckel und Gewinnabschöpfung am Strommarkt vorstellt

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Am Freitag beraten die Wirtschafts- und Energieminister der EU-Mitgliedstaaten in einer Sondersitzung über mögliche Interventionen in die Gasmärkte. Auch über einen Gaspreisdeckel sollen die Minister dabei abstimmen.

In einem gemeinsamen Schreiben der Wirtschafts- und Energieminister aus 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten forderten sie die Energiekommissarin Kadri Simson zur Einberufung der Sondersitzung ein. Die Minister baten die Kommissarin darum, bis zum 30. September einen Vorschlag für einen EU-weiten Gaspreisdeckel zu erarbeiten und den Ministerrat bis dahin darüber beraten zu lassen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zählt nicht zu den unterzeichnenden des Briefes.

Ein Dreiklang an Lösungen

Vor diesem Hintergrund kam die Kommission der Bitte der Energieminister nach und hat mögliche Interventionen in den Gasmarkt erarbeitet. In einer Ad-hoc Sitzung am Freitag, lässt die Kommission die Minister über einen Dreiklang an Maßnahmen entscheiden: Reduzierte Preise, Verbrauchsreduktion und solidarische Verteilung von Energie innerhalb der EU, wie aus dem pv magazine vorliegenden Entwurf hervorgeht.

Dazu gehört in erster Linie der gewünschte Preisdeckel beim Import von Pipelinegas und Flüssiggas. Sollte der Angebotspreis auf den Weltmärkten über dem Preisdeckel liegen, müssen die Mitgliedstaaten einen Topf zur Finanzierung bereitstellen, um die Differenz zu zahlen. Die Mittel dafür sollen von allen Mitgliedstaaten aufgebracht werden.

„Ein Gaspreisdeckel – also ein gesetzlicher Höchstpreis für Gas an den Energiebörsen – ist genau der falsche Ansatz und der direkte Weg in die Gasmangellage“, sagt Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Neon, auf Anfrage von pv magazine. „Warum? Die Industrie würde alle Sparanstrengungen zurückdrehen und wieder mehr Gas verbrennen, die Speicher liefen leer und die Politik müsste mit Zwangsabschaltungen von Betrieben reagieren. Das kann niemand wollen.“

Die Importpreise zu deckeln, dürfte kein leichtes Unterfangen sein, wie die EU-Kommission zu verstehen gibt. Die gesteigerten Importe von Flüssiggas die in diesem Jahr der EU geholfen haben, hatten ihren Preis. Der europäische Bedarf für Flüssiggas im kommenden Jahr beträgt zwischen 130 und 140 Milliarden Kubikmeter. Das übertrifft die globalen Kapazitätssteigerungen im Jahr 2022 und stellt die EU vor echte Probleme.

Nur billigeres Gas für alle wird es aber nach dem Kommissionsvorschlag nicht geben. Je größer der Eingriff in den Gaspreis, desto stärker müssen auch die Maßnahmen zum reduzierten Verbrauch und europäischen solidarischen Verteilung sein. Folglich sollen die Minister auch darüber beraten, welche weitere Reduktionsmaßnahmen notwendig sind.

Um die Energiepreise weiter zu drücken, hat die Kommission bei Strom bereits am 14. September einen Vorschlag angenommen, demzufolge die „extraordinäre“ Gewinnerlöse von einigen Technologien abgeschöpft werden und den Verbrauchern zugutekommen sollen. Der Vorschlag beinhaltet auch einen Solidaritätsbeitrag auf Gewinne, der durch Förderunternehmen fossiler Brennstoffe zu entrichten ist. Zudem wird es den Mitgliedstaaten frei gestellt die Verbraucherpreise beim Strom für vulnerable Haushalte und mittelständische Unternehmen zu deckeln.

„Im Strommarkt geht es der EU im Kern darum, Profite von Stromerzeugern abzuschöpfen und an betroffene Verbraucher zu verteilen“, sagt Hirth. „Das ist im Prinzip eine sinnvolle Krisenmaßnahme und kann funktionieren – wenn es richtig umgesetzt wird. Die letzten Vorschläge der EU waren an vielen Stellen problematisch, so steht zu befürchten, dass die Strompreise am Ende steigen werden, der Gasverbrauch in die Höhe getrieben wird oder gar die Systemstabilität in Gefahr ist. Von allen Problemen ist das grundlegendste die sinnvolle Berücksichtigung von Terminvermarktung und Langfristverträgen.“

In diesem Zuge ist die EU-Kommission bereit, über ein System zu diskutieren, in dem der Gaspreis in der Verstromung zusätzlich gekappt wird. So soll vermieden werden, dass der Gaspreis den Strompreis in einem zu hohen Maße beeinflusst. Dadurch das der Gaspreis in anderen Sektoren gegebenenfalls weniger stark reduziert wird, könnten Anreize zum Sparen weiter bestehen bleiben.

Wenn der Preis die Knappheit nicht mehr anzeigt, muss rationiert werden. Und so sollen die Minister in diesem Zug auch über eine mögliche EU-weiten Organisation für den Einkauf und für die Auktion von Gas beraten. Die Kommission gibt an dieser Stelle zu bedenken, dass wenn der Gaspreis in Europa den neuen Deckel, über dessen Höhe noch verhandelt werden muss, erreicht die Nachfrage effektiv das Angebot übersteigt. In diesen Zeiten müsste das Gas innerhalb Europas behördlich rationiert werden. Dafür muss eine neue Behörde geschaffen, zu der es keine vergleichbare Organisation in Europa gibt, wie die Kommission weiter zugibt. An dieser Stelle wird auch klar von „Curtailment“, also der Begrenzung von Energie, gesprochen.

Mit den Maßnahmen will die Kommission den Einfluss Russlands auf den europäischen Gasmarkt schmälern. Ein weiteres Ziel, dass sich die Kommission gesteckt hat, ist, die Herabsenkung der Verbraucherpreise für Gas. Zudem will die Kommission mehr Sicherheit an die Energiemärkte bringen und exzessive Preisvolatilität, die nicht von Nachfrage-Angebots-Prinzipien geleitet ist, umgehen.

Deckel und Trennschalter

In den konkreten Maßnahmen spricht die EU-Kommission von einem Plan zum Befüllen der europäischen Gasspeicher. Zusätzlich soll es eine Garantie geben, dass alle Mitgliedstaaten im Notfall Zugriff zu die Gasmengen haben könnten, um vulnerable Verbraucher und kritische Industriezweige zu beliefern. Das beinhaltet auch, dass die Mitgliedstaaten auf eigene Faust die Verbraucherpreise für Gas, für schwache Haushalten und mittelständische Unternehmen regulieren und limitieren dürfen.

Zudem nimmt die Kommission die Gasversorger mit eigener Rohstoff-Förderung ins Visier. Die Verwerfungen am Markt ermöglichen es, solchen Unternehmen zu beispiellosen Renditen zu verkaufen, die weit über den Grenzkosten der Gasförderung lägen. Das bedrohe die Wirtschaft der EU. Hier wittert die Kommission Marktmanipulation. Die Agentur für Kooperation und Energieregulierung (ACER) könnte in diesem Zug weitere Befugnisse erhalten. Im aktuellen Kommuniqué der Kommission werden die aber noch nicht benannt. Ein Vorschlag der Kommission, um enormen Preisverwerfungen am europäischen Markt vorzubeugen, ist der Gebrauch von Trennschaltern zur Netzauftrennung, wenn sich die Energiepreise in einem signifikanten Ausmaß verändern.

Kein Gas mehr

Der Wegfall der russischen Importe und die verminderte Erzeugungsleistung der französischen Kernkraftwerksflotte sorgt für anhaltend hohe Gaspreise über dem Niveau von 200 Euro pro Megawattstunde. Die europäische Industrie ist von den Preisen hart getroffen. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Nachfrage der Industrie nach Gas um 30 Prozent. Ein Teil davon durch Prozessoptimierung und Effizienzmaßnahmen. Aber ein erheblicher Teil auch, weil in einigen Sektoren die Produktion heruntergefahren oder gänzlich gestoppt wurde. Vor diesem Hintergrund mahnt die Kommission, dass es eine „schnelle und koordinierte EU-weite Antwort“ auf die hohen Gaspreise geben muss, um „nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Schaden abzuwenden“.

Zwischen Januar und August dieses Jahres sind 39 Milliarden Kubikmeter weniger Gas nach Europa geflossen. Ein Rückgang von 37 Prozent, wie die EU-Kommission feststellt. Aus Russland allein fehlen 43 Milliarden Kubikmeter. In den Jahren zuvor belieferte Russland rund 40 Prozent des europäischen Gasverbrauchs. In diesem Jahr sind es nur neun Prozent. Allerdings konnte die EU mit einem Anstieg der Flüssiggasimporte von 56 Prozent, also 28 Milliarden Kubikmeter, den Effekt zum Teil abfedern. Auch aus anderen Pipelines, wie etwa aus Nordafrika, konnte der Import, um 17 Milliarden Kubikmeter gesteigert werden. Die EU konnte den Wegfall der russischen Gasimporte ausgleichen. Die EU-Gasspeicher seien zu 86 Prozent gefüllt. Das sind immerhin 15 Prozent mehr als im Vorjahr, wie es in dem Kommissionsschreiben heißt. Allerdings wird für die nächste Befüllungsphase ab April 2023 weniger Gas importiert werden können als in diesem Jahr.

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