Es ist bekannt, dass Betreiber von Windkraftanlagen sich öfter mit Vogelschützern auseinandersetzen müssen. Das der geplante Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage Umweltaktivsten in Aufruhr versetzt, sah man bisher aber eher selten. Doch genau das ist jetzt in Sachsen passiert. In Leipzig setzt sich die „Initiative Stadtnatur“, ein Zusammenschluss aus Naturschützern, gegen den Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage ein. Bei städtischen Umweltschutzamt hat die zivilgesellschaftliche Organisation eine einstweilige Sicherstellung eines Biotopmosaiks auf einer stillgelegten Mülldeponie beantragt.
Anlass für den Antrag ist der Plan der Leipziger Stadtwerke, eine Photovoltaik-Anlage mit 29 Megawatt Leistung zu errichten. Als Standort wurde die 2004 stillgelegte Deponie für Hausmüll in Seehausen gewählt. Sie ist von zwei Seiten von Autobahnen und Industriegebieten begrenzt. Auf der Nordseite sind landwirtschaftlich genutzte Flächen im Osten eine Minigolf-Anlage. Aus dem Bebauungsplan der Stadt Leipzig geht hervor, dass die Deponie sich noch in der Nachsorgephase befindet und eine öffentliche Nutzung des Geländes für die kommenden 30 Jahre ausgeschlossen ist. Das Deponiegelände umfasst insgesamt 60 Hektar. Die Photovoltaik-Anlage soll laut Plan etwa die Hälfte der Fläche einnehmen.
Für die Naturschützer ist das ein Problem, denn seit 20 Jahren habe sich vor allem der südliche der zwei 40 Meter hohen Berge von Hausmüll zu einer ökologisch wertvollen Fläche gemausert. Viele gefährdete Vogelarten wie Heidelerche oder Grauammer würden auf der Deponie brüten, teilt die Initiative mit. Zudem gebe es über 50 Arten von Wildbienen und 17 verschieden Heuschreckenarten und seltene Orchideen auf dem Gelände. Um das Gebiet und seine neuen Bewohner zu schützen, will die „Initiative Stadtnatur“ die Fläche zu einem Naturschutzgebiet ausschreiben. Klimaschutz ja, aber bitte nicht auf Kosten der Biodiversität, lässt sich die Botschaft der Initiative zusammenfassen. Wird das tatsächlich in die Tat umgesetzt, wäre die Photovoltaik-Anlage vom Tisch.
Die „Initiative Stadtnatur“ wird unter anderem vom Regionalverband Leipzig des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) unterstützt. Der Verband warnte schon im vergangenen April, als der Stadtrat Leipzig die Überbauung der Deponie mit Photovoltaik beschloss, vor einer Abwertung der ökologisch wertvollen Fläche. Standortentscheidungen für ebenerdig errichtete Photovoltaik-Freiflächenanlagen müssten aus Sicht des Nabu immer frühzeitig auf naturverträgliche Mindeststandards geprüft werden, da diese immer einen Eingriff in den Naturhaushalt und in das Landschaftsbild bedeuten würden. Nach Abschluss der Nachsorgephase sehen die Naturschützer Potenzial für einen Naturlehrpfad und ein Naherholungsgebiet auf dem Gelände. Der Bau einer Photovoltaik-Anlage in der Zwischenzeit würde die Entwicklung des Biotops stören, so die Einschätzung des Nabu.
„Man macht es sich zu leicht, wenn für die Energiewende bevorzugt Naturflächen in Anspruch genommen werden, weil sich die tierischen/pflanzlichen Bewohner vermeintlich nicht wehren können, wohingegen ökologisch weniger kritische Flächen, wie Dächer und versiegelte Flächen, nicht verwendet werden“, sagt René Sievert, vom Nabu-Leipzig auf Anfrage von pv magazine. Genau da liege das Problem. Zwischen 2016 und 2019 habe die Stadt Leipzig 300 Grünflächen mit einer Fläche von 100 Hektar überbaut. Anstatt Heuschrecken und Wildbienen ihren Lebensraum zu nehmen, sollen bereits versiegelte Dächer und Verkehrswege mit Photovoltaik bebaut werden. Falls es dann immer noch nicht reicht kann die Photovoltaik-Anlage ganz woanders errichtet werden. „Es ist nicht erforderlich, dass die Stadt in ihrer Energieversorgung autark ist“, wie Tony Kremser, von der Initiative Stadtnatur sagt. Mit Blick aufs Klima sieht die „Initiative Stadtnatur“ keine Probleme mit der Verhinderung der Photovoltaik-Anlage. Klimaschutz funktioniert aus Sicht des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses auch durch den Erhalt der Begrünung der Deponie. So würde eine Kohlenstoffsenke und ein Kaltluftentstehungsgebiet geschaffen.
Die Stadt Leipzig und die Stadtwerke sehen das anders. Der nächste Netzanschlusspunkt ist nur 500 Meter entfernt. Zudem befindet sich unmittelbar neben der Deponie ein Blockheizkraftwerk, in dem die Ausgasungen der Deponie verwertet werden. Für die Zukunft sieht die Stadt hier Potenzial, zusätzlich grünen Wasserstoff zu speichern und zu nutzen. Außerdem steht die Stilllegung des Braunkohlekraftwerks Lippendorf an. Um Strom und Wärmeleistung des Meilers zu ersetzen, wird Leipzig zukünftig große Photovoltaik-Anlagen benötigen.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
„Es ist nicht erforderlich, dass die Stadt in ihrer Energieversorgung autark ist“
Genau diese Denkweise widerspricht dem regionalen, dezentralen und grünen Versorgungsgedanken. Gemüse aus Holland oder Spanien ist dann auch ok, Hauptsache bio. Wo Kleidung und Energie herkommt ist egal Hauptsache grünes Label hängt dran?
Es ist in allen Belangen wichtig, nicht zu abhängig von großen Lieferanten zu sein, die 17 Heuschreckenarten scheinen in Leipzig aber immer noch wichtiger als eine gesicherte und diversifizierte Energieversorgung.
Es ist natürlich unabdingbar, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden müssen. Allerdings darf darunter die Natur nicht noch mehr leiden, als sie es schon tut. Tatsache ist ja neben der Klimakrise und der damit verbundenen CO2- Belastung, dass auch das Artensterben sowie die Naturzerstörung an sich, im Prinzip die 2 Schritte sind, die man dann zurückgeht, wo man zuvor einen Schritt nach vorne machte. Das kann und wird nicht die Lösung sein.
Daher wäre es zunächst erforderlich, dass alle möglichen Dachflächen und versiegelte Flächen für den Bau von Photovoltaikanlagen genutzt werden. Ob das Dächer sind oder Parkplätze, worunter die Autos sogar weiterhin parken könnten, wäre das auf jeden Fall allen Biodiversitätsflächen vorzuziehen.
„Genau diese Denkweise widerspricht dem regionalen, dezentralen und grünen Versorgungsgedanken.“
Ja so sehe ich das auch. Außerdem spielt es ja durchaus auch eine Rolle, ob direkt daneben ein Netzanschlusspunkt liegt oder man die Infrastruktur zusätzlich ausbauen muss.
Jede Region sollte erstmal zum Ziel haben, eine möglichst hohe Autarkie zu erreichen.
Wenn ich so Kommentare wie „Lieber die Dächer voll machen“ lese, bin ich sehr zwiespältig.
Einerseits: Ja! Dächer u. versiegelte Flächen zuerst!
Andererseits: Wer das zum Argument nimmt, große landwirtschaftliche Flächen von der Nutzung auszuschließen, hat die Energiewende nicht verstanden. Je nach Studie bekommen wir mit allen Dächern, Autobahnnebensteifen etc. nichtmal ein Drittel des Bedarfs an PV hin.
Wir brauchen AUCH die großen Felder. Jede PV-Anlage und jede Windkraftanlage die wir bekommen können, sollten wir nehmen. JEDE.
Dabei werden wir auch Abstriche machen müssen.
So sehr ich einen schnellen PV Ausbau auch bevorzuge. Hier muss ich tatsächlich sagen, dass die Umweltschützer meine vollste Unterstützung haben. Ein paar Meter weiter ist die Messe Leipzig mit etlichen Parkplätzen und Hallendächern, die von der Fläche auf den ersten Blick ähnlich groß und bereits versiegelt sind. Eine Steckdose wird es da auch geben. Zudem gehört die Leipziger Messe GmbH auch der Stadt Leipzig, d.h. die Genehmigungswege sind eher kurz.
Mal ganz zu schweigen von den Parkplätzen am Zentralstadion und Dachflächen der Industriegebäude. Hier könnte man den Gewerbetreibenden Fördertöpfe anbieten zumindest einen Teil ihrer Stromversorgung mittels PV und Speicher zu realisieren.
Irgendwie hab ich das Gefühl daß sich die Umweltschutzbewegungen gerne auch mal selbst im Weg stehen…
Ja die kann man einfach nicht mehr ernst nehmen.
Genau mit dieser Einstellung geht einfach gar nix mehr voran. Die Tiere können doch unter der PV Anlage weiter leben. Ist doch nicht so, dass da ständig wer vorbei kommt.
In jeder größeren Stadt in Deutschland, aber ganz besonders im Osten, gibt es viele brachliegende, versiegelte, kontaminierte Industrieflächen, die seit über 30 Jahren vor sich hin gammeln. Warum nimmt man die nicht??
„In jeder größeren Stadt in Deutschland, aber ganz besonders im Osten, gibt es viele brachliegende, versiegelte, kontaminierte Industrieflächen, die seit über 30 Jahren vor sich hin gammeln. Warum nimmt man die nicht??“
Weil das erschlossene Gewerbeflächen – meistcitynah – sind, die viel zu wertvoll dafür sind.
Alte Deponien haben eine geneigte Südseite, sind anderweitig nicht nutzbar und daher ideal für PV-Anlagen.
Aber wenn man will wird man immer einen Hinderungsgrund finden. Die Bayern haben es vorgelebt. Und wenn dann noch das Argument: brauchen wir hier doch sowieso nicht .. (für Strom sollen mal die anderen sorgen) ist sowieso alles zu spät.
Die Natur holt sich Deponien oder Kiesgruben als wertvolle Biotope zurück. Wer um Jahre zu spät kommt darf ihr nicht mehr bauen. Pv-parks und Naturschutz dürfen nicht gegeneinander arbeiten sondern mit oder nebeneinander. Dieses Gelände soll als Nahrungsgebiet auf vorgeschriebenen Wegen erhalten bleiben. Es wird immer suggeriert, dass wir keine Flächen haben. Neben der Deponie gibt es landwirtschaftlich genutzte Flächen. 2,5 Millionen Hektar Flächen für Energiepflanzen sind durch Dünger und Pestizide stark benachteiligt und sollten verstärkt für Windräder und pv-parks eingesetzt , damit Sie sich ein paar Jahrzehnte erholen können. Diese Flächen werden oft im Nebensatz erwähnt aber die Lobby der Ölkonzerne verhindert jede aufkommende Diskussion. Auch der Bauernverband verteidigt die hohen Einspeisevergütungen für seine Schäfchen. Das ein Solarpark im Gegensatz zu Mais oder Raps die 70 fache Menge an Strom erzeugt wollen sie nicht wissen.
„Das ein Solarpark im Gegensatz zu Mais oder Raps die 70 fache Menge an Strom erzeugt wollen sie nicht wissen.“
Bitte nicht so reflexhaft Bashing betreiben. Dauern wollen schon lange auf ihren Flächen PV bauen nur bisher war es politisch nicht gewünscht – es gab keine Genehmigungen.
Biogas aus Energiemais dagegen wurde ganz offiziell gewünscht und gefordert – das haben sie dann gemacht.
Hallo Egon. Ich betreibe kein Bashing und schon gar nicht reflexhaft. Ich bin Realist und sehe nur Tatsachen. Die Biogasanlagen waren eigentlich nur dazu gedacht höheren Stromverbrauch bei zu wenig Erzeugung schnell auszugleichen. Für die großen Auswüchse der Vergangenheit können die Landwirte nichts. Das Angebot der Politik gesteuert über große Ölkonzerne wurde gerne angenommen. Aber ich schreibe hier über die Zukunft und da muss sich in diesem Bereich der Landwirtschaft viel ändern. Die deutschen Stadtwerke sind zu 25% an RWE beteiligt. Vielleicht ist der Konflikt mit dem Naturschutz auch von dieser Seite gewollt.
„Auch der Bauernverband verteidigt die hohen Einspeisevergütungen für seine Schäfchen. Das ein Solarpark im Gegensatz zu Mais oder Raps die 70 fache Menge an Strom erzeugt wollen sie nicht wissen.“
Sie verdächtigen pauschal den Bauernverband der Verhinderung von Agri-PV unter Leugnung der viel höheren Stromerträge durch PV statt Energiemais.
Das stimmt eben nicht – Bauern wollten schon alle auf ihren Flächen PV-Anlagen bauen- sie durften nicht.
Das sie treiben ist eben Bashing .. einfach immer „die Argralobby“ oder die „Mineralölkonzerne“
Klingt immer gut l..
Hallo Egon. Obwohl ich agri PV für falsch halte, da 50% mehr Fläche benötigt wird um denselben Stromertrag zu generieren, habe ich über das Thema hier gar nicht geschrieben. Wo hat denn der Bauernverband den Bauern geholfen wenn Sie einen Solarpark bauen wollten? Das heißt dann nur es war politisch nicht gewollt. Hier hätte der Bauernverband viel mehr Macht ausüben können und müssen. Der Bauernverband fordert auch mehr Biogasanlagen was genau der falsche Weg ist. Lebensmittel und Futtermittel verbrennt man und vergast man nicht! Der Begriff Nahrung oder pv-park kommt ja nicht von ungefähr!
Tja – da muss ich als Biodiv-Solarpark-Verfechter den Umweltschützern recht geben. Solarparks bitte nur dort, wo sie die Biodiversität erhöhen und nicht dort, wo diese Schaden nehmen würde, wie in diesem Fall anzunehmen.
Also bitte Biodiv-Solarparks auf intensiv genutztem Ackerland, das meistens eine Agrarwüste ist, was die Artenvielfalt betrifft.
Wer nun meint, wir benötigen Ackerland für die Nahrungsmittelproduktion, dem sei gesagt, dass wir derzeit mehr als 2,3 Millionen Hektar für den Anbau von Energiepflanzen ver(sch)wenden. Deren jährliche Hektarerträge in Energie umgerechnet liegen wirklich 50-80 mal niedriger als der Hektarertrag von Biodiv-Solarparks. Darüber hinaus dienen 6 Millionen Hektar in Deutschland für den Anbau von Futtermitteln. Den Umweg über den Tiermagen muss man nicht gehen, wenn man gesund satt werden möchte. Auch sollten mindestens 4% (besser 10-15 %) des Agrarlandes aus der Produktion genommen werden um die Artenvielfalt im Agrarland zu erhöhen. Das nennt man Agrarumweltmaßnahme (AUKM) und ist im Rahmend er EU-Agrarregeln für alle Betriebe mit mehr als 15 Hektar Fläche vorgeschrieben, damit sie ihre Flächenprämien bekommen. Wenn Biodiv-Solarparks als ordentliche Landbewirtschaftung gelten würden, könnte man diese dort als anrechenbare AUKM platzieren. Damit das kein einzelbetrieblicher Flickenteppich wird, schlage ich kooperative AUKM vor. Das heißt, die landwirtschaftlichen Betriebe einer Region bündeln ihre AUKM-Flächen kooperativ. Dann würden auf den so entstehenden AUKM-Flächen Biodiv-Solarparks in wirtschaftlich und naturschutzfachlich attraktiver Größe entstehen können. Zur besseren Akzeptanz seitens der Naturschützer sollte die Flächenauswahl für die kooperativen AUKM-Biodiv-Solarparks in enger Abstimmung mit lokalen, regionalen und überregionalen Naturschutzinteressen erfolgen.
Die Frage ist, ob FFH-Arten betroffen sind und in welcher Weise entsprechende Schutzmaßnahmen durchführbar sind. Sind die Risiken zu hoch, entfällt das Projekt.
Sofern die Planung artenschutzrechtlich vertretbar ist, ist der Rest reine Politik. Wenn in diesem Land weiterhin immer nur das gemacht wird, was den geringsten „shitstorm“ ergibt und somit politisch genehm ist, werden wir hier in absehbarer Zeit das Buch zumachen müssen und in die Höhlen zurückgehen.
Schuld ist Frau Dr. Merkel mit ihrem damals wählergerechten Sofortausstieg aus der Kernenergie, wobei kein konkreter Einstieg in irgendwas vorgesehen war, und das wird auch nichts werden, weil ganz einfach die dafür benötigten Flächen nicht beschaffbar sind und außerdem für andere Zwecke gebraucht werden. Die Leute wollen immer alles und tun so, als ob das Land irgendwie vermehrbar wäre.