LNG-Lieferungen aus Golfregion: Ein mehr als zweifelhafter Erfolg

Hans-Josef Fell

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Mit Blick auf die deutsche Energiesicherheit kommt Kanzler Scholz mit minimalem Erfolg von seinen Reisen nach Saudi-Arabien, Katar, Mexiko und den Vereinigten Arabischen Emiraten zurück – sofern man weitere LNG-Lieferungen als Erfolg bezeichnen möchte. RWE schloss mit der Abu Dhabi National Oil Company einen Vertrag über eine erste Lieferung von 137.000 Kubikmetern LNG ab. Was augenscheinlich nach viel klingt ist weniger als die Menge, die noch im Februar 2022 an einem Tag über Nord Stream 1 bewegt worden ist.

Ähnlich substanzlos sind die Ergebnisse der vereinbarten Energielieferungen aus den anderen Ländern, die Scholz in den letzten Tagen und Wochen bereist hat. Der Grund für die magere Ausbeute ist schnell erkannt: Im Rest der Welt lassen sich kaum die Energiemengen an fossilen Energiemengen erschließen, die die russischen Energielieferungen nach Europa ersetzen könnten.

Die Preise für Erdgas, Kohle, Erdöl und Uran sind schließlich nicht erst seit Ausbruch des Ukraine Kriegs im Februar 2022 massiv gestiegen, sondern schon seit Mitte 2021. Da zog die Weltwirtschaft nach der Corona Krise wieder an, der fossile Energieverbrauch ist deshalb gestiegen, und die Förderung konnte die Nachfragesteigerung nicht stillen, was zwangsläufig in höheren Preisen mündete.

Diese weltweite Verknappung fossiler und atomarer Energierohstoffe wird vielfach übersehen.  Kanzler Scholz fährt zwar unentwegt in der Welt herum und sucht nach Diversifizierung von fossilen Energielieferanten, aber nennenswerte Lieferverträge kann er nicht anstoßen.

Natürlich hat die EU seit Februar 2022 mehr LNG, Pipelinegas, Erdöl und Kohle aus anderen Ländern als Ersatz für russische Energielieferungen importiert und damit die globalen Rohstoffpreise massiv nach oben getrieben. Was dies insbesondere für viele Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet hat die Finanzmarktwelt schon im Juli 2022 genauer analysiert.
Insbesondere in Pakistan gehen die Lichter aus, weil das für Pakistan vorgesehene LNG nun in das zahlungskräftigere Europa umgelenkt wird. Auch in Bangladesch, Myanmar und anderen Ländern gibt es erhebliche Verwerfungen.

Dabei wird gerade Pakistan heimgesucht von der größten Klimakatastrophe: nach bis zu 50 Grad Celsius Mittagshitze mit vielen Hitzetoten von März bis Juni hat dann ein nie dagewesener Monsunregen ein Drittel der Landesfläche Pakistans überschwemmt mit zig Millionen Obdachlosen, die ihr Haus verloren und tausenden von Toten. Dass dort nun durch den Kauf von LNG durch Europa auch eine Energienot herrscht, verschlimmert die Not zusätzlich.

Wer nun glaubt, dass die globale Energieknappheit nur ein vorübergehendes Phänomen sei und durch Neuerschließung neuer Erdgas-, Erdölfelder und Kohlegruben die globale Energiesicherheit bald wieder aus der Verknappung herauskommt, übersieht vor allem, dass jede Neuerschließung von fossilen Energierohstoffen eine jahrzehntelange Nutzung nach sich zieht, was gleichbedeutend ist mit einem Anstieg der CO2– und Methanemissionen. Das völkerrechtliche Pariser Klimaschutzabkommen wird dadurch Makulatur und kann nicht mehr eingehalten werden. Die Erde wird damit auf einen schnellen Weg zur Überschreitung von zwei Grad Celsius Erderwärmung gebracht, womit die furchtbaren Konsequenzen wie in Pakistan in immer mehr Ländern Einzug halten werden, auch bei uns in Europa.

Kanzler Scholz scheint sich seiner diesbezüglichen Verantwortung nicht bewusst zu sein.  Ich kann mich noch gut erinnern, als er sich bei dem Gespräch im letzten Oktober mit den Protagonistinnen der Letzten Generation schlicht weigerte, das Klimaproblem als existenzielle Bedrohung der gesamten Menschheit anzuerkennen.

Damit wird erneut klar, dass die Diversifizierung von fossilen und atomaren Energielieferländern zur Ablösung von russischen Energielieferungen ein fundamentaler Irrweg ist. Er verschärft die geopolitischen Spannungen, die Nord-Süd Ungerechtigkeit und die Klimakatastrophe massiv.

Aus dem rechten und linken Rand in Deutschland wird mit zunehmenden Protesten unisono (die Rechtsradikalen und Linksradikalen waren sich selten so einig) gefordert, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, damit in Deutschland die Energienot wieder abnehmen würde.

Ganz abgesehen davon, dass es ja Putin selbst ist, der die Gaspipelines fast völlig geschlossen hat, würde dies neben der weiteren Erdaufheizung nur dazu führen, dass die russische Aggression weiter auch aus dem Westen finanziert würde. Die Teilmobilmachung Russlands, mit der Konsequenz, noch mehr junge Russen in den sicheren Tod in die Ukraineaggression zu schicken, würde damit sogar noch aus dem Westen politisch und finanziell unterstützt, genauso wie die weitere massive Aufrüstung Russlands, die weiter mit westlichem Energiegeld finanziert würde. Die mit den europäischen Energieeinnahmen erfolgte massive Aufrüstung Russlands über die letzten Jahrzehnte führt ja nicht nur zum Stärken der Aggression in der Ukraine. Nach den USA ist Russland der zweitgrößte Waffenexporteuer der Welt, womit auch weitere Kriege in der Welt finanziert würden.

All dies führt erneut zur klaren Analyse, dass Energiesicherheit, Frieden in der Welt und Klimaschutz nur mit einer globalen Umstellung auf Erneuerbare Energien gelingen kann. Um Sonnenstrahlen und Wind kann man schlicht keine Kriege führen, und deren Nutzung führt auch nicht zu Gewinnmaximierungen von Energielieferländern, die damit Waffen produzieren und exportieren können. Es sei denn, man setzt statt auf vollständige Eigenversorgung mit 100 Prozent Erneuerbare Energien auf eine internationale Wasserstoffstrategie, die neue Energieabhängigkeiten schaffen würde. Doch genau dies hat Kanzler Scholz überall in den Ländern angeboten: Wasserstoff aus Saudi-Arabien, Katar, USA, Mexiko oder anderen Ländern zu importieren. Das würde diesen allen neben den LNG- und Erdöleinnahmen wieder weitere große Einnahmen verschaffen, um die Kriege zum Beispiel im Jemen oder den Islamistischen Terror weiter zu finanzieren und Waffen einzukaufen.

Es bleibt dabei, dass nur die schnelle Umstellung auf 100 Prozent heimische Erneuerbare Energien die Lösung all dieser globalen und nationalen Krisen ist. Doch wie sieht es hier in Deutschland aus? Zwar spricht auch Kanzler Scholz viel davon den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland massiv zu beschleunigen. Aber die bisherige Gesetzgebung spricht eine deutlich andere Sprache.
Neue LNG-Terminals in Deutschland sind von der Idee im März 2022 heute baureif geworden, sodass das LNG der Abu Dhabi National Oil Company wohl schon im Dezember angeliefert werden kann. Neue Windräder in Deutschland zu bauen braucht aber weiterhin Genehmigungsverfahren von drei bis sieben Jahren. Auch das Hinauszögern der Flächenausweisung für zwei Prozent Windkraftflächen der Länderfläche für die Bundesländern ist sogar bis nach 2030 im neuen Windenergie an Land Gesetz erlaubt, so Thorsten Müller, Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, auf dem kürzlich stattgefundenen Umweltenergierechtskongress in Würzburg.

Kanzler Scholz könnte schnell viel mehr Energiequellen im eigenen Land neu schaffen, als über seine LNG-Auslandstouren, wenn er endlich den Länderministerpräsidenten von Söder über Kretschmer und Kretschmann die Leviten lesen würde, ihre Genehmigungsblockaden gegen den Ausbau der Windkraft, Wasserkraft, Freiflächen Photovoltaik oder Bioenergie endlich aufzubrechen.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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