Größte Hürde für europäische Photovoltaik-Produktion ist die Finanzierung

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„Gasabhängigkeit und Technologieabhängigkeit sind zwei verschiedene paar Schuhe,“ sagte Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE, zu Beginn seines Vortrags auf dem Forum Neue Energiewelt in Berlin. Der Wissenschaftler nahm auf dem Forum an einer Vortragsreihe teil, die sich mit Europas Hürden auf dem Weg zu einem gewichtigen Standort der Solarindustrie befasste. Auf der Veranstaltung in Berlin fanden sich in dieser Woche zum 23. Mal Vertreter aus Politik, Forschung, Energiewirtschaft und kleinen Unternehmen ein, um den Weg zu 100 Prozent erneuerbaren Energien zu diskutieren.

Mit seiner Aussage spricht Bett eine Befürchtung an, die in den vergangenen Monaten häufiger in der Solarbranche und darüber hinaus zu vernehmen war. Der Weg in die Unabhängigkeit vom Gas führt zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Jedoch werden Solarmodule, Wechselrichter und Co. wie auch das Gas fast ausschließlich importiert. Droht eine neue Abhängigkeit in der Energiewirtschaft mit katastrophalen Folgen?

Der entscheidende Unterschied für den Leiter des Fraunhofer ISE ist, dass bei einer Abhängigkeit von Gas ein Lieferstopp des Brennstoffs unmittelbar zu Energieengpässen führt. Ein Lieferstopp von Modulen hingegen hat keine Auswirkung auf die Energieproduktion der installierten Kapazität. Probleme würden mit Verzögerung eintreten, da in so einem Fall die politisch gewollten Ausbaupfade nicht erreicht werden können.

Und dennoch sei es wichtig, dass Europa zum Industriestandort für Solartechnik werde. Für den Wirtschaftsstandort Europa ist es grundsätzlich möglich ein Vielfaches des eigenen Bedarfs an Modulen und Wechselrichter zu produzieren und diese dann zu exportieren. Um das Risiko einer Abhängigkeit sinnvoll zu minimieren, schätzt der Freiburger Wissenschaftler, reicht es wenn Europa seinen Bedarf an Solartechnik zu 40 bis 50 Prozent selber decken könnte.

Viel Produktion für wenig Geld

Wie viel das in absoluten Zahlen sein könnte weiß, Michael Schmela. Er ist leitender Berater beim Industrieverband Solarpower Europe und sagt, dass in diesem Jahr 39 Gigawatt Photovoltaik in Europa installiert werden. Bis 2026 werden es jährlich 60 Gigawatt Zubau sein. Tendenz auch danach steigend. Bis zum Jahr 2030 soll Europa bei der kumulativen Photovoltaik-Leistung die Terawattmarke durchbrochen haben.

Nach aktuellen Preisen lassen sich die Maschinen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Modulproduktion für 120 Millionen Euro pro Gigawatt kaufen, sagt Andreas Bett. Für eine Produktion von 30 Gigawatt, um die Hälfte des Bedarfs von 2026 decken zu können, müssten folglich 3,6 Milliarden Euro investiert werden – oder auch ein Drittel der Summe, die für Nordstream 2 aufgewendet wurde.

Das klingt nach wenig. Doch gerade bei der Finanzierung hapere es noch in Europa, sagt Schmela. Die Boom-und-Bust-Zyklen der Vergangenheit schüren bis heute Unsicherheit bei den Investoren. Durch Weitblick und stabile Planung müsse das Vertrauen zurückgewonnen werden. So ließen sich Mittel sammeln. Darauf allein sollte man sich die Indsutrie allerdings nicht verlassen.

Der Berater von Solarpower Europe setzt auf öffentliche Finanzierung. Denn so wäre es möglich bei Großprojekten Beschaffungsrichtlinien bezüglich Nachhaltigkeit und Regionalität zu schaffen. Außerdem warb Schmela für ein stärkeres Engagement der Entwicklungsbanken. Zum einen meinte er damit die Europäische Entwicklungsbank EIB, aber auch nationale Entwicklungsbanken wie die KfW.

Musterschüler USA

Da in der Vergangenheit die Investition in Photovoltaik-Produktionskapazitäten mit Risiken behaftet waren, scheuten sich Banken eher in neue Fabriken zu investieren. Angesichts der neuen Motivation die Zubauzahlen dauerhaft hochzuhalten, müsse sich das ändern.

Ein Beispiel für eine gelungene öffentliche Finanzierung von Produktionskapazitäten könnte dabei aus den USA kommen. Mit dem „Inflation Reduction Act“ hat US-Präsident Biden Steuererleichterungen für Unternehmen, die Ihre Produktion in den USA ansiedeln, erlassen. Modulhersteller erhalten zum Beispiel einen Steuernachlass von sieben US-Cent pro Watt. Auf die Produktion von Zellen gibt es einen Nachlass von vier Cent pro Watt.

Dass das seine Wirkung entfaltet und die Geschäfte hiesiger Hersteller beschleunigen kann, beweist Meyer Burger. Das günstige Geschäftsklima und eine starke Nachfrage nach seinen Produkten lockten den Hersteller von Hochleistungsmodulen über den Atlantik. Dort soll eine neue 1,5 Gigawatt-Fertigung für seine Heterojunction-Module entstehen. Mit den dortigen Steuernachlässen und einem guten Abnahmevertrag schaffe man den Sprung in das Segment der Freiflächenanlagen, sagte Moritz Borgmann, Chief Commercial Officer von Meyer Burger. Er wünschte sich dabei auch ähnliche Rahmenbedingungen in Deutschland.

 

 

Der Text wurde am 17.09.22 angepasst. Zuvor wurde das Volumen der US-Steuernachlässe unpräzise wiedergegeben. 

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