Photovoltaik-Lieferkettenchaos – na und?

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Seit 1992 bin ich als Solarunternehmer tätig. In dieser Zeit hat das phänomenale Wachstum der Solarbranche uns immer wieder diverse Probleme beschert. Und so verschiedene Formen von temporärem Chaos ausgelöst. Ein Kollege von Solon meinte einmal: „Was ist der größte Feind der Solarindustrie?  Das Chaos.“

Nun also wieder tägliche Meldungen von fehlenden Bauteilen oder verzögerten Lieferungen bei Photovoltaik-Anlagen, an andere verkaufte Bestellungen, fehlendes Personal, steigende Preise und so weiter. Haarsträubendes aus allen Ecken. Und mal wieder zweifeln Dritte daran das die Solarbranche ihre Ausbauziele erfüllen kann. So wie sie es schon 30 Jahre tun und immer falsch lagen.

Denn passiert gerade? Die Photovoltaik-Branche wächst in allen Belangen kräftig. Überall wird investiert, werden neue Leute eingestellt. Handwerksfirmen geben ihre bisherigen Tätigkeiten ganz oder teilweise auf und konzentrieren sich auf Solarenergie. Weltweit werden Produktionskapazitäten massiv ausgebaut. Und wie in mindestens drei weiteren Perioden der vergangenen 30 Jahre geht es bei diesem massiven Wachstum eben nicht ohne Schmerzen ab.

Schon kurz nach unserem Start 1993 bekamen wir bei einem globalen Solarmarkt von gerade einmal 14 Megawatt und einem Anlagenpreis von 27.000 D-Mark pro Kilowatt in Deutschland natürlich nicht sofort die für eine 3 Kilowatt große Dachanlagegewünschten Solarmodule oder gar Wechselrichter. 1994 ein ähnliches Bild – dann war das 1000-Dächer-Programm zu Ende und es gab wieder genug Ware – vor allem aber hatte die Branche in über 2500 Installationen gezeigt, dass Solarstrom netzgekoppelt funktioniert.

Als dann im Jahr 2000 mit dem EEG der deutsche Photovoltaik-Markt nach langer Durststrecke auf etwa 60 Megawatt sprang (bei etwa 200 Megawatt weltweit) war das Liefer- und Installationschaos perfekt. Alle heute so heiß diskutierten Probleme hielten die Akteure „auf Trab“. Das hielt dann auch noch in vielen Bereichen zwei weitere Jahre so an, zumal Deutschland zeitweilig über 40 Prozent Weltmarktanteil hatte Das Eis war damit gebrochen und die Branche wuchs global seitdem immer weiter.

Und der perfekte Sturm begann erneut im zweiten Halbjahr 2009 und dauerte bis 2011. Ein totales Chaos erfasste wegen fehlender Halbleiter die Wechselrichterhersteller. Die Geräte wurden zu Höchstpreisen verkauft, um Anlagen in dem hochlaufenden Boom ans Netz zu kriegen. Grund war die globale Finanzkrise ab 2008 – auch heute fehlen Halbleiter (mal wieder) und bereiten große Sorgen.

Richtig deftig ging es bei den Lieferungen von Modulen ab – alles, was irgendwie ein Modul war, wurde heiß begehrt und teuer bezahlt. Chaos pur von Silizium zur Zelle und natürlich bis zum Modul. Plus unabsehbaren Stromabschaltungen in China (ja, das gab es auch 2010 und zwar mit ziemlich unkalkulierbaren Folgen für Lieferungen und Qualität). Deutschland absorbierte dann auch rund 50 Prozent der weltweiten Neuinstallationen beziehungsweise der damaligen Produktionskapazitäten.

Also liebe Kolleginnen und Kollegen sowie Beobachter unserer Branche: Wir wachsen gerade heftig und werden wie schon in all den oben genannten Phasen unsere Ziele in den kommenden Jahren überfüllen, wenn wir diesmal gelassen werden. Bei allen Problemen absorbiert Deutschland dabei in diesem Jahr optimistisch gerechnet 8000 Megawatt von weltweit 250.000 Megawatt, die neu installiert werden. Also 4 Prozent des Weltmarktes – und nicht 50 Prozent wie noch 2010, wo wir so erfolgreich waren, dass die Politik in Deutschland daraufhin alles tat, um uns zu bremsen.

Was vorher auch keiner geglaubt hatte und woran wir oft auch selbst zweifelten, geschah: Im Dezember 2011 wurden Photovoltaik-Anlagen mit mehr als 3 Gigawatt Leistung in Deutschland in einem Monat fertiggestellt. Für zwei bis drei Module, die damals installiert werden mussten, brauchen wir heute nur noch eins. Alle Unternehmen sind viel effizienter und so kann neues Personal heute ein x-faches des Personals von 2010 bewegen. Und ja: Auch auf ein neues Auto wartet man derzeit – es ist kein Beinbruch oder Zeichen von „geht nicht“, wenn man für eine kleine Dachanlage mehrere Monate auf eine Realisierung durch kompetente Handwerker wartet. Im Freilandbereich ist es eh schon umgekehrt: Die Behörden schaffen aufgrund der nicht passenden Regeln die Genehmigungen nicht, sonst würde der Zubau in dem Segment schon massiv höher liegen.

Schon 2009 und in den Jahren danach wurde die Dynamik von Handwerk und Mittelstand unterschätzt – gleiches heute wieder. Und daher: Auch 20 Gigawatt im Jahr 2023 werden wir schaffen – wenn die Politik dafür die Weichen richtig stellt. Denn ohne schnelle Genehmigung gibt es keine Handwerker in den Solarparks. Und bitte liebe Politik und Öffentlichkeit da draußen: Macht Eure Hausaufgaben bei den noch immer mannigfach fehlenden Rahmenbedingungen. Nehmt Eure Verantwortung wahr. Um die Module, Wechselrichter, Bauteile und das Personal kümmern wir uns. Wie in 30 Jahren zuvor.

Denn eins muss auch allen klar sein: Wir brauchen Deutschland noch zehnmal mehr Erneuerbare, um unserem Land eine bezahlbare, sichere und klimafreundliche Energieversorgung aufzubauen.

Anpacken, machen!

 

— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Neue Energiewelt“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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