Die breite Verfügbarkeit von Energie ist eine der wichtigsten Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand eines Landes. Aus diesen Gründen haben vor allem auch die bevölkerungsreichen Länder China, Indien und Indonesien in den letzten Jahren massive Erhöhungen auch stark klimaschädlicher Energieerzeugungsverfahren wie der Kohleverstromung betrieben – und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Länder noch weitere Kohlekraftwerke ans Netz bringen. Dabei hat die Photovoltaik mit Abstand die niedrigsten Gestehungskosten, insbesondere wenn die CO2-Kosten mit einberechnet werden. Hingegen ist die mit dem anzugreifenden Attribut ‚klimaneutral‘ gekennzeichnete Kernenergie sowohl wegen fehlender Nachhaltigkeit als auch aus Sicherheitsgründen abzulehnen und ökonomisch nicht wettbewerbsfähig. Der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen Photovoltaik und Windenergie ist daher absolut zentral – hierbei können und müssen Deutschland und Europa Antreiber und Vorreiter sein.
Neben dem reinen Kostenargument muss vor dem Hintergrund der dramatischen Veränderungen der weltpolitischen Lage das Thema Energiesouveränität neu bewertet werden. Dabei geht es nicht lediglich um den Bau einiger neuer Anlagen, vielmehr ist für die nächsten Jahrzehnte mit einem permanenten Bedarf neuer Energiequellen zu rechnen – unter anderem angetrieben durch das verständliche Ziel anderer Länder, ein ähnliches Wohlstandsniveau zu erreichen, wie wir es im globalen Norden heute haben. Es geht also nicht um einen für einige wenige Jahre erhöhten Bedarf, sondern um einen mittel- bis sogar langfristigen erheblichen Zubau an Energieerzeugungsanlagen. Der globale Markt wird sich dementsprechend entwickeln. Nur jene Unternehmen, die sich heute schon auf diese Veränderungen vorbereiten, werden die Bedarfe auch erfüllen können. Gleichzeitig ist das Wachstumspotenzial enorm und bietet attraktive Perspektiven für Energieproduzenten und Investoren.
Für Deutschland und Europa sind zwei wesentliche Voraussetzungen zu schaffen, um im Zuge dieser Entwicklungen die Forderung nach Energiesouveränität und damit Energiesicherheit zu erfüllen:
Zum einen muss die extreme Abhängigkeit des weltweiten Bedarfes von Photovoltaik-Modulen aus China dringend und konsequent zurückgefahren werden – dies gilt für die gesamte Wertschöpfungskette, also nicht nur für die Module, sondern auch für Materialien und weitere Komponenten. Dabei kann die europäische Industrie auf ihre ausgezeichneten Kompetenzen in Forschung und Entwicklung zurückgreifen. Die für die Herstellung der Solarmodule notwendige Anlagentechnologie wurde im Übrigen weitgehend von deutschen und Schweizer Unternehmen entwickelt. Insofern verfügt Europa über beste Voraussetzungen, um wieder eine führende Position im weltweiten Wettbewerb zu erreichen. Es gilt, dieses Potenzial so schnell wie möglich zu aktivieren – beispielsweise durch eine gezielte Förderungsinitiative ähnlich wie bei der Chip-Industrie, attraktive EIB-Kredite und vor allem: eine deutliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Entscheidend wird dabei sein, zum Beispiel durch Ausschreibungsverfahren für Energieerzeugungsanlagen, nicht nur in Deutschland, sondern zumindest in Europa entsprechende Resilienzvorkehrungen einzufordern. Bei einer europäischen Finanzierung kann diese Forderung auch bei außereuropäischen Anlagen geltend gemacht werden. Natürlich müssen dabei WTO-Grundsätze beachtet beziehungsweise auch von anderen Ländern eingefordert werden. Es ist von hoher Dringlichkeit, eine resiliente Wertschöpfungskette aufzubauen, indem die Abhängigkeiten von einzelnen Ländern und Herstellern konsequent vermindert werden.
Die zweite Voraussetzung ist der Aufbau von Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energien, insbesondere der Solarenergie. Und hier sind vor allem die Unternehmen gefordert. Für Europa ist dabei der Mittelmeerraum entscheidend – sowohl Sonneneinstrahlung als auch vergleichsweise kurze Transportwege sind wichtige Standortfaktoren. Dabei sind die südeuropäischen Mittelmeerstaaten noch stärker als in der Vergangenheit, wie etwa beim Desertec-Projekt vor mehr als zehn Jahren, einzubeziehen, sei es als Standort für Photovoltaik (und Windkraft) selbst oder zur Durchleitung von Strom oder auch Gasen. Hierbei müssen auch die Interessen der Erzeugerländer selbst angemessen berücksichtigt werden – sowohl was die eigene Energieversorgung betrifft als auch die Partizipation in Form von Arbeitsplätzen und nicht zuletzt die Beachtung von Umwelt und Ökologie, beispielsweise der Wasserversorgung. Auch die Erzeugung von chemischen flüssigen oder gasförmigen Energieträgern wie Methan oder Ammoniak in unmittelbarer Nähe zu den Energieerzeugungsanlagen mit nachfolgendem Transport per Schiff ist natürlich eine Option. Wahrscheinlich wird sich aufgrund individuell unterschiedlicher regionaler Gegebenheiten eher ein Mix an Energieweiterleitung nach Westeuropa und insbesondere auch nach Deutschland einstellen. Dies ist mit Blick auf die geforderte Resilienz in jedem Fall eine bevorzugte Struktur und einer einseitigen Abhängigkeit von einer Region, einem Hafen oder einer Pipeline vorzuziehen.
Um es zusammenzufassen: Die Energiewende braucht dringend nicht nur national, sondern vielmehr vor allem europäisch eine zielgerichtete Initiative und massive Unterstützung. Hierbei sind Politik und Unternehmen gleichermaßen gefragt. Ziel muss sein, die aktuell hohen Abhängigkeiten in der Energieerzeugung und -versorgung so schnell wie möglich abzubauen. Nur so werden sich Lieferengpässe, ob politisch gewollt, durch Marktgegebenheiten oder Naturkatastrophen begründet, nicht mehr zu einer so gefährlichen Bedrohung unseres Wirtschaftsstandortes auswirken können. Die Politik muss die Unternehmen auf dem Weg dorthin unterstützen und klare Rahmenbedingungen für eine Umstrukturierung setzen. Gleichwohl tragen die Unternehmen die primäre Verantwortung für die Umsetzung einer resilienten Strategie.
— Der Autor Thomas Gambke ist Mitbegründer und Vorsitzender des Grüner Wirtschaftsdialog e.V. Nach Tätigkeit in der Wissenschaft wechselte der promovierte Physiker ab 1984 als Manager zum Jenaer Glaswerk Schott & Gen., der heutigen Schott AG, zuletzt als Sprecher der Geschäftsleitung und Gesamtverantwortlicher der Schott Electronic Packaging Holding. 2007 gründete er die MSG Lithoglas GmbH, in deren Beirat er bis heute sitzt. 2009 wurde Gambke für Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag gewählt, dem er bis 2017 angehörte und war unter anderem Mittelstandsbeauftragter der Grünen-Bundestagsfraktion. https://gruener-wirtschaftsdialog.de/ —
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Herr Habeck hat sich doch bei Meyer Burger umgesehen. Aber leider hat er keinen Milliardenkredit mitgebracht. Den bräuchte diese Firma dringend. Die Produktion von Modulen sollte Ende des Jahres 1,4 GW erreichen. Wegen Lieferengpässen und Corona dümpelt die Firma bei 400 MW Jahresproduktion herum. Unser Wohlstand hängt von den erneuerbaren Energien ab. China schätze ich keinen Deut besser ein als Russland. Auch sie können den Hahn zudrehen. Die USA hat mit Taiwan rechtzeitig gehandelt, das hätten wir mit Russland bei der Eroberung der Krim auch schon tun sollen. Vor ein paar Wochen sind noch 500 Leute eines Rotorblatt Herstellers entlassen worden weil die Produktion aus China billiger ist. Wie lange wollen wir noch so geistig verbrannt durch die Gegend laufen? Wir kriegen ja es nicht einmal auf die Reihe eine europäische Feuerwehr geschweige denn eine europäische Armee auf die Beine zu stellen. Wir sollten es wenigstens bei den erneuerbaren Energien versuchen zu schaffen.
@Ernst, warum sollte der Wirtschaftsminister einen Milliardenkredit zu Mexer Burger mitgebracht haben.
Liegt es nicht an uns Konsumenten ein wenig mitzudenken:
Service direkt vor der Haustür, kurze Transport und auch Info-Wege.
Da können die Preisunterschiede doch nicht den entsprechenden Ausschlag geben!
Ja, es fehlt in der bisherigen Politik leider der entsprechende Weitblick für Entwicklungen der lokalen Fertigungskapazitäten.
Nur zu Erinnerung: vor Jahren wurde die gut entwickelte Photo-Industrie Deutschland ins Ausland verlagert.
Der Phono- und auch Fernsehtechnik erging es nicht anderst.
Die aktuellen Verschiebungen auf dem Automobilsektor sollte man ebenso nicht aus dem Blick lassen.
etc. etc. etc.
Und die aktuelle ober beschriebene Entwicklung für die Herstellung von Rotoren der Windkraftanlagen ist ein weiteres Schlüsselindiz.
Welcher Abgeordneter, welcher Regierungspräsident fühlt sich für die Entwicklung einzelner Industriezweige und somit zur Sicherung unserer Lebensgrundlage verpflichtet?
Peinlich!
Leider werden diese Erkenntnisse nicht über die vier-jahres-Frist der Wahlentscheidung weiter transportiert.
Hallo Thomas. Meyer Burger ist ausverkauft. Die Nachfrage ist viel höher als die Produktion. Meyer Burger müsste massiv investieren um im Jahr zehn GW Module und Waver herzustellen. Im Moment wächst Meyer Burger viel zu langsam.
Der Mittelmeerraum ist nicht entscheidend für Europa, sondern in Europa sollte jeder Raum für sich entscheidend sein. Will sagen: Energie durch die Gegend zu transportieren ist nicht eine kluge Idee (um es ein wenig umständlich zu sagen). Strom, Gas und noch weniger Wärme verlieren mit jedem Kilometer Entfernung von der Quelle bis zum Verbraucher Energie. Da Solarenergie langfristig (also nach der Abschreibungsperiode von 20 Jahren) deutlich weniger als 2 Cent / Kilowattstunden kosten wird, wenn diese z.B. in Deutschland in Solarparks von ca. 30 Hektar Größe (= 30 Megawattpeak Leistung) generiert wird, lohnt sich der Transport nicht. Also dezentral-zellulare Energiewende in Ganz Europa und was wir dafür dringend benötigen sind Speicher, Speicher, und Speicher. Wenn dann auch noch die Königsdisziplin der Energiewende – die Abwärmenutzung – die beim Speichern und Entspeichern anfallende Abwärme sinnvoll einsetzen würden, dann ist klar, wo die Reise hingeht. Das vorhandene Netz an Ferngas- und Höchstpannungsleitungen kann man natürlich gerne in Zukunft weiter nutzen, falls es in einer Region einen Engpass gibt – aber bitte nichts zubauen. Das ist rausgeschmissenes Geld und kostet Zeit. Wenn wir zwei Dinge nicht haben, dann sind das Zeit und vor allen Dingen Geld. Mit Geld meine ich, dass die Energie bezahlbar bleiben muss. Das bedeutet auch, dass ich mit Dezentral nicht Privathaushalte meine, sondern als unteste Zelle meine ich Stadtwerke und Kommunalwerke, die vor allen Dingen die Speicher samt Abwärmenutzung betreiben sollten….
Kurz gesagt: Ich strebe nach Autarkie und Autonomie in jeder Region von Europa an. Gerne mit Hilfe einer europäischen Solarindustrie. Das wäre allemal besser, als die aktuelle Abhängigkeit von China.
@Ralf; guter Beitrag.
Also sollten wir an der Stärkung der örtlichen Stadtwerke und deren individueller Lösungsfindung arbeiten, anstatt auf Groß-Projekte im Norden von Afrika setzen.
Klar, das setzt ein entsprechendes fachliches und wirtschaftliches Niveau bei den MA der Stadtwerke vorraus, das es zwingend besser zu fördern gilt.
Wir haben ungefähr 11.000 Gemeinden und davon 2500 Städte in Deutschland. Nur sehr wenige dienen als Beispiel für eine gelungene Energiewende. Es ist schon selten das Solar und Wind kombiniert werden. Meistens wird noch mit Biogasanlagen zusammengearbeitet. Das man hier auch mit Gaserzeugung oder Wasserstoff Speicher und Fernwärmeversorgung dazu bauen kann werden neue Techniken bringen. Aber man sieht jetzt schon das bei diesen Gemeinden welche den Umschwung schon geschafft haben der Wohlstand massiv gewachsen ist. So können durch die preiswerte Energie Schulen und Kindergarten gebaut werden. Warum ergreifen Städte und Gemeinden nicht diese riesen Chance für die Zukunft finanziell abgesichert zu sein? An preiswerten Krediten sollte es doch nicht scheitern.
@Ernst, guter Einwand!
Leider liegt es nahe, daß den Verantwortlichen der Wille zur Umgestaltung nicht unbedingt angeboren wurde….
Außerdem wird in den meisten Kommunalverwaltungen der dringend erforderliche Job eines Energiemanagers nicht gesehen oder durch Budget-Restriktionen weitestgehend verhindert.
Mindestens würde ich das Argument gelten lassen, dass den Entscheidern die Informationen über die vielseitigen Möglichkeiten des Energieumbaues nicht bekannt ist.
Die Zeit mit der weiter aufkommenden Not im Energiesektor wird hoffentlich einen Umschwung bedeuten.
Hallo Thomas, wer in Deutschland ein öffentliches Amt begleitet und noch nichts von erneuerbaren Energien weiß, der ist falsch am Platz. Ich denke bisher haben nur die Mehrheiten in den Kommunen gefehlt, da die Stadtwerke doch einen sehr hohen Einfluss haben. Jetzt geht es auch den Stadtwerken an den Kragen und sie werden zum Handeln gezwungen sein. Es sind sicherlich schon viele Dinge in der Planung, welche wir noch nicht sehen. In jedem Gemeinderat sitzen auch ein paar fähige Menschen, welche die grüne Energiepolitik anderen erklären.
Ja, die Kommunen können viel bewirken. Der Rhein-Hunsrück-Kreis ist schon oft genannt und viele kleine Gemeinden wie Hammelburg.
Bei mir sind es die Kommunalpolitiker, die bremsen und es nicht verstehen, dass sie was tun können und müssen.
Unser Wasserverbrauch würde durch das Abschalten der Großkraftwerke ebenfalls sinken. Ein weiteres Argument für den Umbau unserer Energieversorgung.
PV, Windräder und Batterien brauchen kein Kühlwasser.
„In Deutschland zum Beispiel geht etwa die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs für das Kühlen der Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke drauf, da dabei viel Wasser verdunstet wird. Oft ist das Wasser gratis.“
Siehe: https://www.heise.de/tp/features/Krisenstab-eingesetzt-Atomdesaster-in-Frankreich-nimmt-seinen-Lauf-7205304.html