Ein Besitzer größerer Ländereien und ein Projektentwickler wollen bis zu 100 Megawatt Photovoltaik errichten. Eigentlich ist alles da: die politische Absicht zum Ausbau der Solarenergie, das Land, die Wirtschaftlichkeit. Trotzdem, unter Projektentwicklern herrscht Einigkeit, dass die Planungsprozesse unnötig aufwendig, zeitraubend und langwierig sind, was die schnelle Energiewende gefährdet. Um die Diskussion darüber zu ermöglichen, protokollieren wir die Sicht des Projektentwicklers im vorliegenden Fall.
Genehmigungsfragen sind sensibel. So auch in diesem Fall geplanter großer Freiflächenanlagen in Schleswig-Holstein. Die Beteiligten haben ein großes Interesse an öffentlicher Diskussion über die Rahmenbedingungen, bleiben aber gerne selber im Hintergrund. Daher haben wir uns zur Anonymisierung entschlossen.
Erste Planung: Puzzlespiel zur Beachtung aller Verordnungen
Die beiden Parteien beauftragen ein Planungsbüro, einen Vorschlag zu machen, wo auf dem Besitz die Leistung am besten untergebracht werden kann. „Da fängt es an“, sagt der Verantwortliche für die Projektentwicklung. Nennen wir ihn Peter Cetin.
Diskussion über die Herausforderungen eines schnellen Photovoltaik-Ausbaus
Drei- bis viermal soviel Photovoltaik-Zubau in 2026 im Vergleich zu 2021? In ganz Europa soll der Zubau rapide beschleunigt werden. Geht das? Und ist das angesichts administrativer Hürden und anfälliger Lieferketten realistisch?
Wir diskutieren Lösungen für eine schnelle Umsetzung mit Staatsekretär Oliver Krischer aus dem Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, mit Iberdrola, Meyer Burger und Solar Power Europe.
-> Eröffnungssession der pv magazine Roundtables Europe am 28. Juni um 10:00 Uhr
„Landesplanerische Vorgaben sind pauschal, haben aber nichts mit der Realität vor Ort zu tun“, sagt Cetin. In Schleswig Holstein etwa seien etliche großräumige Gebiet pauschal durch die Landesraumplanung ausgeschlossen worden. Ganze Gemeinden fielen heraus, der Einzelfall werde nicht betrachtet. Vor allem, da die Flächen bisher ja zumeist für intensive Landwirtschaft genutzt würden. „Ich verstehe nicht, dass der Eingriff durch eine Photovoltaikanlage für die Natur überhaupt als negativ betrachtet werden kann im Vergleich zur intensiven landwirtschaftliche Nutzung“, sagt er. Es gebe schließlich auch die Untersuchungen, die zeigen, dass sich die Biodiversität in einem Solarkraftwerk positiv entwickelt.
Eine weitere Einschränkung ist, dass in Schleswig-Holstein bei Anlagen über 20 Hektar Größe, also etwa 24 Megawatt Leistung, ein Zielabweichungverfahren (im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens) nötig wird, bei dem das Land zustimmen muss. Das versuche man zu vermeiden, also bleibe man unter dieser Grenze, so Cetin. Das erhöhe allerdings die Kosten, oder führe dazu, dass am Ende eben weniger Photovoltaik zugebaut werde als prinzipiell möglich und von allen Beteiligten eigentlich beabsichtigt sei. „Davon hat dann niemand etwas“, sagt der Projektentwickler.
Unter diesen Randbedingungen hat das Planungsbüro in einem Puzzlespiel die Leistung von rund 100 Megawatt auf die verbleibenden erlaubten Flächen verteilt. Insgesamt auf rund 80 Hektar.
Aufstellungsbeschluss: Gemeinderat muss zustimmen
Diesen Plan besprach Cetin zuerst mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden und den Mitgliedern der zuständigen Bauausschüsse. „Da machen wir derzeit meist eine sehr positive Erfahrung“, sagt Cetin. Die meisten wollten solche Vorhaben in ihren Gemeinden realisiert sehen und Teil der Energiewende werden – auch mit den wirtschaftlichen Vorteilen für die Gemeinde. Schlecht sei das dann eben für die Gemeinden, die aufgrund der Landesraumplanung davon ausgeschlossen bleiben. Nach dem ersten Schritt berufen die Gemeinden fast immer eine Bürgerinformationsveranstaltung ein, die öffentlich angekündigt wird und auf der der Projektentwickler das Vorhaben vorstellt.
Auf jeder Veranstaltung, berichtet Cetin, gebe es zwar auch immer den einen Bürger der mit dem Einwand kommt „prinzipiell finde ich es gut, dass Photovoltaikanlagen gebaut werden, aber warum hier“. Es habe sich bei dem Beispiel aber in der Regel ein positives Gesamtbild ergeben und die Gemeinderäte hätten das Bauleitplanverfahren dann auch umgehend eingeleitet und einen Aufstellungsbeschluss erlassen.
Flaschenhals Planungsbüro
Doch damit ist dieser Teil der Planungsphase noch nicht abgeschlossen. Denn dann mussten teilweise, bei Anlagen die größer als 5 Hektar sind, noch gemeindeweite Flächenkonzepte erstellt werden. „Dies geschieht natürlich oft in kleinen Gemeinden erst dann wenn es einen Projektvorschlag gibt“, sagt Cetin. Die Gemeinde muss dafür dann einen Planer beauftragen. Oft fände sie keinen, da die Ressourcen in den Planungsbüros voll ausgeschöpft seien.
„Das muss bezahlt werden und es kostet einige Monate Zeit kostet, so der Projektentwickler weiter. „Und am Ende steht man natürlich wieder am Anfang, man ist ja bereits mit einer Fläche auf die Gemeinde zugekommen, die schon planungsrechtlich eingeschätzt wurde.“ Erst wenn diese Prozess abgeschlossen ist, kann am Ende dann das Bauleitplanverfahren eingeleitet werden.
Cetin sagt, sie hätten auch schon einmal ein Planungsbüro vermittelt, doch das habe den Auftrag noch nicht erhalten. Solche Aufträge müssten ausgeschrieben werden, doch den Büros fehlte das Interesse, sich bei Ausschreibungen zu bemühen. „Sie sind sowieso mehr als ausgelastet“, sagt er. Generell sei es schwierig, Planungsbüros zu finden, die Kapazitäten haben. Überlastete Planungsbüros sind ein Flaschenhals für die Energiewende, ist auch von anderer Seite zu hören, so dass sich nicht nur die Frage stelle, wie diese Ressourcen steigen können, sondern auch, ob Planungsverfahren vereinfacht werden können.
Bauleitplanverfahren: Was ist wirklich nötig?
Wenn die Hürde der Einleitung des Bauleitplanverfahrens eines Tages genommen ist, „fängt die naturschutzfachliche Thematik an“, wie er es ausdrückt. Cetin wundert sich auch an dieser Stelle, was unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten schlechter sein kann, wenn man intensiven Ackerbau durch eine Photovoltaikanlage ersetzt, wie bei dem größten Teil der betroffenen Flächen. Das Argument findet sich im übrigen auch auf einer Themenseite des Nabu.
Jedenfalls habe man bei diesem Prozessschritt wieder die Herausforderung, ein Planungsbüro für naturfachliche Untersuchungen zu finden, so Cetin, das über alle Vegetationsphasen, also meistens ein Jahr, die Untersuchungen auf der Fläche vornimmt. Und am Ende hänge es oft an der Kooperationsbereitschaft der unteren Naturschutzbehörde, wie schnell und unter welchen Auflagen man ans Ziel kommt.
Zuletzt entscheidet der Gemeinderat. Im Prinzip könne er das Projekt dann, ungefähr zwei bis drei Jahre nach Beginn der Planung, ohne Angabe von Gründen noch ablehnen. Das komme aber zum Glück selten vor.
Nicht nur Cetin stellt sich die Frage: Normalerweise dauert solch ein Verfahren zwei bis drei Jahre. Wenn die Bundesregierung bis 2030 eine Kapazität von 150 Gigawatt an Photovoltaik zubauen will und davon etwa die Hälfte als Freiflächen-Großanlagen, müssten also bis spätestens 2027 – also innerhalb der nächsten fünf Jahre – Planungsverfahren für 75 Gigawatt eingeleitet worden sein. Wie bekommen Industrie und Verwaltung das hin?
Das wird eines der Themen der Eröffnungssession der pv magazine Roundtables Europe 2022 am 28. Juni um 10:00 Uhr sein. Auf den Roundtables, die virtuell stattfinden, diskutieren über 50 Expertinnen und Experten über zwei Tage.
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Kann man nicht einfach sagen, man baut dort eine LNG Anlage? Die bekommt dann eben eine Solarunterstuetzung./s