Die letzte Merkel-Regierung behauptete, sie habe die Erneuerbaren-Richtlinie der EU vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Das war schlicht gelogen. Wichtige Punkte wie das „Energy Sharing“ (Mitglieder etwa einer Genossenschaft können – unter Nutzung des vorhandenen Netzes in einem bestimmten Umkreis – den von ihnen erzeugten erneuerbaren Strom vergünstigt beziehen) oder die gemeinsame Eigenversorgung (etwa einer Hausgemeinschaft) wurden nicht umgesetzt und sind somit in Deutschland weiterhin verboten.
Die Grünen hatten ihren Wahlkampf stark auf die Energiewende und speziell auf die Förderung der Bürgerenergie ausgerichtet. Selbst kritische Geister dachten: Wenn die Grünen in die Regierung kommen, werden sie als eine ihrer ersten Handlungen den von der Vorgängerregierung hinterlassenen Rechtsbruch beseitigen und die EU-Richtlinie – wie darin vorgeschrieben – vollständig in nationales Recht umsetzen.
Das „Osterpaket“ zeigte, dass dies jedoch nicht der Fall war. Es war auch nicht etwa „vergessen“ worden, denn „erinnernde Gespräche“ führten bislang nicht zur Korrektur. Es mangelt also am politischen Willen.
Auch die Beseitigung der bürokratischen Hürden ist ein nicht eingelöstes Versprechen. Warum ruft die Regierung jetzt in der akuten Energie-Notlage die Bevölkerung nicht auf: „Liebe Mitbürger, ergreift die Initiative! Versorgt euch autonom mit erneuerbaren Energien, einzeln, gemeinsam mit Nachbarn, so, wie es jeweils sinnvoll ist! Wir brauchen jede Kilowattstunde. Jegliche bürokratischen Regelungen sind ab sofort außer Kraft gesetzt. Kauft Photovoltaik-Anlagen, so wie wenn ihr eine Waschmaschine oder eine Heizung kauft und macht Strom. Das ist jetzt wichtiger als alles andere.“ Ein solcher Aufruf wurde in der Stellungnahme des „Runden Tisches Erneuerbare Energien“ zum Osterpaket bereits im März vorgeschlagen. Offensichtlich ist so etwas nicht gewollt.
Für die Erschließung von LNG-Quellen werden alle möglichen Anstrengungen unternommen. Wo bleiben Anstrengungen zur Beseitigung der Lieferengpässe bei Photovoltaik-Komponenten? Wo bleiben staatlich geförderte Programme zur massenhaften Ausbildung von Solateuren? In den Jahren nach 2010 wurde regierungsseitig für die Vernichtung von 100.000 Arbeitsplätzen in der Photovoltaik-Branche gesorgt. Diese fehlen jetzt. Wollen die Grünen im Wirtschafts- und im Umweltressort die damaligen Weichenstellungen nicht korrigieren? Es sieht nicht danach aus.
In dem durch die in Deutschland bisher größte klimawandelbedingte Hochwasserkatastrophe verwüsteten Ahrtal gibt es die Initiative von Wissenschaftlern, Energiefachleuten, Politikern und örtlichen Institutionen, die ein Konzept vorgelegt hat, die Region zu einem weithin wirksamen Leuchtturm für vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien zu machen. Motto „Ahrtal wird Solartal“. Die Initiative versucht unermüdlich, als „Projekt“ anerkannt und gefördert zu werden.
Doch von der rot-grünen Landesregierung (und auch von der Bundesregierung) kommt ein klares „njet“: „Die zuständige Staatssekretärin im Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz, Nicole Steingaß, verwehrt dem Ansinnen die Unterstützung, weil es nicht konform mit den geschaffenen gesetzlichen Grundlagen zur Verwendung der Mittel aus dem Fonds Aufbauhilfe 2021 stehe.“ „Schildbürgerstreich“ und „Gründe sind schwer zu verdauen“ kommentiert die Autorin Petra Franke in ihrem Artikel „Warum aus dem Ahrtal vorerst kein Solartal wird“.
Nicht nur das. Sie sind kennzeichnend für die herrschende Energiepolitik. Um den Bau der LNG-Infrastruktur zu beschleunigen, wurde quasi über Nacht ein Gesetz geschaffen, das unter anderem von Umweltauflagen entbindet. Im gleichen Tempo wird wohl am 8. Juli das „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ durch den Bundestag gehen, wodurch die jahrelangen Verhandlungen zum Kohleausstieg mit einem Schlag zu Makulatur werden.
Es kann also schnell gehen bei Dingen, die gewollt sind. Zu diesen gehört die Energiewende aber offensichtlich nicht. Dass die Regelungen zum Wiederaufbau des Ahrtals, in denen – sträflicherweise Klimaschutz und erneuerbare Energien nicht einmal vorkommen, auch auf die Schnelle geändert werden – das ist unvorstellbar.
Abschließend noch ein Wort zum „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“: Hans-Josef Fell weist völlig zu Recht darauf hin, dass der Ersatz des Erdgases durch Kohle für das Klima kein Nachteil ist, weil das Erdgas unter dem Strich klimaschädlicher ist als die Kohle.
Dadurch wird so richtig deutlich, was für einen Schildbürgerstreich es darstellt, das Erdgas für eine „Brücke“ zur erneuerbaren Energiestruktur zu halten. Richtig wäre gewesen, die Kohlekraft weiter laufen zu lassen, bis sie sukzessive von den Erneuerbaren ersetzt worden wäre. Die immensen Investitionen, die nun für Erdgasstrukturen getätigt werden, hätten dann ausschließlich dem Aufbau der erneuerbaren Versorgung zur Verfügung gestanden. Dass es der Erdgasindustrie gelungen ist, die Fortsetzung der fossilen Energieerzeugung – und auch noch mit einem schädlicheren Brennstoff als Kohle – als Übergang ins erneuerbare Zeitalter zu verkaufen, macht deutlich, dass die Klimaschutz- und Energiewendebewegung doch einmal versuchen sollte, das Vertrauen in Regierungen durch mehr eigenständiges und kritikbereites Nachdenken zu ersetzen.
— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Danke für diesen Beitrag. Ich Stimme Ihnen weitgehend zu , bin allerdings der Meinung das man Herrn Fell und der Erdgas Studie seiner EWG nicht vollkommen uneingeschränkt zustimmen kann , da nicht nur Erdgas nahe Institute sondern auch beispielsweise das Fraunhofer ISE Pipeline Erdgas aus Russland samt vorkettenimissionen deutlich klimafreundlicher einstufen als heimische kohleverstromung.
Das Erdgas verbrennungstechnisch deutlich umweltfreundlicher ist als andere Brennstoffe wie kohle,öl und holz da kein/kaum Russ, nox und so2 im verbrennungsprozess entstehen , sollte ja sogar auf der Seite von PV Magazine bekannt und unbestritten sein.
Herr Lenz und Herr Fell haben in teilen Recht. Aber nicht in Bezug auf die Sinnhaftigkeit der Vorkriegsdenkweise zum Thema Erdgas als Brückentechnologie. Denn Erdgas hat einen großen Vorteil wegen der schnellen Regelbarkeit der Kraftwerke. Es ist traurig da nun anders vorgehen zu müssen.
Textauszug aus einem Kommentar von mir aus 2019:
Wobei ich auch der Meinung bin, dass es absolut Sinn macht als Brückentechnologie (max. 20 Jahre) flexible günstige Gaskraftwerke zu bauen (500€/KW=>20 Mrd.€/40GW), wobei der Einspeisung von EE-Strom vollen Vorrang zu geben ist und die Gaskraftwerke nur zur Deckung des restlichen Strombedarfs benutzt werden dürfen.
Damit hat sich auch das Problemfeld Dunkelflaute bei Abschaltung der Atom- und Kohlekraftwerke erledigt. So und nun muss der Staat massiv mithelfen. Denn diese Gaskraftwerke sollten nicht von der Industrie, sondern vom Staat finanziert werden, dem auch wieder das Stromnetz einverleibt werden sollte. Denn die Kraftwerke sollen so schnell als möglich in der Nutzung reduziert werden (EE-Vorrang). Betrachtet man diese 20 Mrd. als einmalige Klimainvestition, ist ja nur noch die pure Nutzung zu bezahlen und es nicht mehr tragisch, wenn diese immer schneller zurück geht. Und zwar um so schneller, je mehr EE im System ist. Man kann nun den zeitweisen EE-Überschuss für die Elektrolyse nutzen.
Zitat Ende.
https://www.pv-magazine.de/2019/10/29/deutsche-energiewirtschaft-reduziert-co2-emissionen-um-40-prozent/
@Heinz Scherer
Das gesagte trifft ueberwiegend zu, allerdings modulieren Kohlestaubbrenner sehr viel aehnlicher zu Gaskraftwerken, hier sollte man nicht Alle ueber einen Kamm scheren.
Herr Scherer, ich teile komplett Ihre Ansichten zu einer Backup-Versorgung mit Gas…. mit recht kleinen hochflexiblen Gasturbinen, die dezentral verteilt und günstig zu bauen sind. Ich möchte gerne noch ergänzen, dass man solche Turbinen in ein Speicherkonzept einbinden könnte… so dass solche „Speicherkraftwerke“ mit dem aktuell wirtschaftlichsten Speicher versehen werden und primär für Lastausgleich und Netzstabilität sorgen, Gas ist dann also nur noch (das teuerste und möglichst vermeidbare) Backup. Um die Wirtschaftlichkeit bzw. Effizienz noch weiter zu steigern, könnte ein solches Kraftwerk ebenso als regionale Leitstelle für das Management regionaler Überschüsse und Abnehmer eingerichtet werden, als Verwaltung eines Schwarmspeichers bestehend aus umliegenden Erneuerbaren, Verbrauchern, Hausspeichern und bidirektionalen E-Autos…. und wenn dann mal sämtliche Effizienzen optimiert wurden, kann in etwas fernerer Zukunft schrittweise und „sanft“ auf synthetisches Gas gewechselt werden.
Siegfried legt zu Recht den Finger weiter in die Wunde.
Wo sind die Bemühungen im Artal auf ein System mit mehr erneuerbare Energieen aufbauen zu können?
Wo sind die reisserischen Aufforderungen an die Bürger, ähnlich dem Aufruf zu Impfung,, sich mit Ihren Anspruch an verfügbare und bezahlbarer Energie auseinanderzusetzten?
Wer sich jetzt zurücklehnt, hat es noch nicht verstanden oder ein ausreichedes Salär als Beamter!
Woher kommt nur diese unselige „Flut-Demenz“? Zu schreiben: ‚in Deutschland bisher größte klimawandelbedingte Hochwasserkatastrophe verwüsteten Ahrtal‘, ignoriert die Tatsache, dass es Überschwemmungen in ähnlicher Größenordnung dort bereits 1804 und 1910 gegeben hat!
Diese Fokussierung auf den Klimawandel als alleiniger Ursache verengt die Betrachtung unzulässig auf nur einen von zahlreichen Aspekten, die am Ende zu diesen Katastrophen führen. Die Prävention gerät aus dem Fokus!
Danke für diesen Artikel! Wer, wie ich, gehofft hatte, dass durch die neue Bundesregierung bürokratische Hürden zum Ausbau der Photovoltaik beseitigt würden und faire Einspeisevergütungen auch für kleine Dachanlagen mit teilweisem Eigenverbrauch etabliert würden, sieht sich getäuscht. Viel Ankündigungs-Trara, keine wirklichen Taten für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energien im eigen Land.
Schade! Wieder eine Chance für eine echte Aufbruchstimmung vertan. Stattdessen: „Jede/r soll nur 5 Minuten duschen.“
Bernd Puhl
Zwischen Hochwasser-Katastrophe (Pegelstände < 5m) und der Klimakatastrophe vom 14. / 15.07.2021 (Pegelstand <= 8,90m) liegen Welten. Auch die verheerenden Wirkungen sind völlig andere. Bitte vorher mit den Fakten auseinandersetzen und erst danach kommentieren.
Ich versuche seit einiger Zeit ( als Eigentümer ) sehr viel kWp ans Netz zu bekommen. Es ist FURCHTBAR !! Also habe ich sofort mit einigen Modulen gestartet ( so wie Balkonanlage ) und die dem VNB gemeldet. Na – die Korrespondenz ist reif für die comedy show. NUR 600VA an einem Netzanschlußpunkt, wer mehr will; eigene Zaehler oder Anlage mit viel, viel mehr Papieren, die dann NUR eine eingetragene Fachkraft unterzeichnen darf.
Ich habe einen SmartMeter – aber steuern tut der NIX; man braucht eine Steuerbox ! Wer bietet die an und wie teuer? Kann der Verteilnetzbetreiber die steuern ( transparent und offen ) – nie im Leben. Und dann das Bauamt – man glaubt es nicht ( Abstandregeln zum Nachbarn / Grenze, Brandschutz, etc )
So weit zu dem Spruch von Prof Lesch: wenn nicht jetzt, wann dann?
Hallo Frau oder Herr BotU,
das, was Sie hier schildern, habe ich an der Hotline für einen Anbieter von Balkonkraftwerken fast täglich erlebt. Es ist unglaublich, was sich die Netzbetreiber alles einfallen lassen, um so etwas zu verhindern. Siehe dazu auch meinen heutigen Kommentar im pv-magazine:
https://www.pv-magazine.de/2022/06/24/enwg-soll-netzanschlussprozedere-fuer-photovoltaik-anlagen-digitalisieren/
Immer wieder interessant über das „Energy Sharing“ zu lesen. In den Artikel 22 der RED II werden von den Bürgerenergie-Verbänden inzwischen Dinge rein interpretiert, die da einfach nicht drinstehen. „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“, sagt man unter Juristen. Also: Es geht darin um die Abschaffung ungerechtfertigter und diskriminierender Bedingungen und Verfahren für Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften. Die Regeln des Strommarktes in Deutschland sind aber nicht diskriminierend, bzw. die Kosten wie z.B. Netzentgelte werden von allen Marktteilnehmern (bei Tarifkunden) gleichermaßen getragen und sind daher ebenfalls nicht diskriminierend. Es steht Energiegenossenschaften frei, Stromversorger zu gründen etc., wie es ja z.B. die Bürgerwerke als Dachverband auch tun. Gemeinsame Eigenversorgung können Sie auch machen, EEG-Umlage fällt ja jetzt weg, ein Lieferverhältnis bleibt es trotzdem denn wer soll die Eigenversorger versorgen wenn die PV-Anlage keinen Strom erzeugt.
In dem Artikel 22 steht mitnichten drin, dass Mitglieder in einem bestimmten Umkreis Strom vergünstigt beziehen können indem Umlagen oder Gebühren erlassen werden. Darum wird zum „Energy Sharing“ nichts weiter von der Bundesregierung kommen, egal ob schwarz oder grün.
Wer viel fragt geht viel irr. Bauamt ist in der Regel außen vor. Alles über 600 W braucht einen Elektriker für das Papier und die ggf. notwendigen upgrades des Zählerschranks. Soweit so klar so einfach.
Ob die 600 W Grenze eine sinnvolle ist, sei dahin gestellt, irgendwo bei um die 1000-2000 W ist physikalisch eine Grenze sinnvoll zu begründen.
Der eigentliche Skandal ist m.E., dass sich die Elektriker weigern, Ihr Gewerk auf den o.g. Teil z beschränken bzw. sich nicht für Geld und gute Worte dazu herablassen, einem Bauherren genau in dem Bereich zu helfen („dienstleisten“), wo dies unabdingbar ist.
Gleichzeitig wäre es für die Netzbetreiber ein leichtes, hier mit eigenen Ressourcen zu unterstützen, wenn der Markt versagt.
Hier scheint es ohne ein bisschen Ordnungsrecht nicht weiter zu gehen.
Dieses Energiecharing ist auch überhaupt nicht notwendig. Im Gegenteil, es schafft ungerechtfertigte Ungleichheiten zwischen den Stromverbrauchern, die davon profitieren können, und denen, die weiterhin auf allgemeinen Netzstrom angewiesen sind.
Zur Förderung der Energiewende ist es notwendig, dass EE-Anlagen gebaut werden, und das erreicht man, indem man den Errichtern dieser Anlagen auskömmliche Einspeisevergütungen garantiert. Das reicht dann aber auch. Mehr Vorteile muss niemand daraus ziehen, denn die zieht er nur zu Lasten anderer. Einem alten Sozialisten müsste das doch klar sein, dass der Vorteil des einen der Nachteil des anderen ist.
Zitate:
„… wodurch die jahrelangen Verhandlungen zum Kohleausstieg mit einem Schlag zu Makulatur werden.
Es kann also schnell gehen bei Dingen, die gewollt sind. Zu diesen gehört die Energiewende aber offensichtlich nicht.“
Ende der Zitate.
Diese Zitate zeigen, dass Herr Lenz nichts verstanden hat. Das Problem ist nicht, was man will, sondern was geht.
Ich will es mit einem Beispiel aus dem Haushalt illustrieren: Man hat in der Kindererziehung die Wahl zwischen Versorgung der Kinder und Einbindung der Kinder in die Hauswirtschaft, damit sie sich selber versorgen können. Der eine sagt: Investiere einmal die Arbeit, um sie anzuleiten, dann hast Du in Zukunft Entlastung, der andere sagt: Das Anleiten ist mir zu mühsam, ich mache es lieber selbst, das geht schneller. Es ist offensichtlich, dass die erste Strategie die bessere wäre, aber die Zeit, die Kinder anzuleiten, muss man auch erstmal freischaufeln. Wenn man die nicht hat, bleibt es jahrelang bei dem unbefriedigenden Gewurschtle, bei dem man alles selber macht, weil die Zeitressourcen für die notwendige Investition in Unterweisung der Kinder nicht hat.
Das Äquivalent im Energiebereich ist: Einmalige Investition in EE-Anlagen und allem was dazugehört, dann hat man jahrelang Ruhe und Freiraum um weiter für die Zukunft vorzusorgen, oder jahrelanges Arbeiten bei der Gewinnung und Zurverfügungstellen von fossilen Rohstoffen, und am Ende dieser Zeit ist man so arm wie man angefangen hat. Die Rohstoffe sind verbraucht und die Atmosphäre voller CO2, man hat die ganze Zeit gearbeitet und nichts investieren können.
Es ist jedem klar: Modell 1 (anfänglich hohe Investition, später Entlastung) ist im Prinzip das bessere, aber man braucht freie Kapazitäten für die Investition. In den letzten Jahren hätten wir die durchaus gehabt, aber die Merkelregierung (und andere Regierungen noch viel mehr) hat es verschlafen. Jetzt haben wir die freien Kapazitäten definitiv nicht. Wir könnten uns nur etwas Freiraum verschaffen, wenn wir wie nach dem zweiten Weltkrieg wieder mehr arbeiten würden und weniger Geld für Konsum ausgeben. Das wird wohl nicht mehrheitsfähig sein. Wie man an dem plötzlichen Energiespareifer sieht: Es wird immer nur auf Druck reagiert. Man kann sich schon wundern, wie die Menschheit mit diesem Handlungsprinzip so lange überlebt hat, aber sie wird auch die gegenwärtige Krise überleben. Nur wer überlebt, das ist noch nicht ausgemacht. Die verweichlichten Bewohner der Industriestaaten werden es wahrscheinlich nicht sein.
Der Vergleich hinkt total. Der Umbau des Energiesystems auf erneuerbar und regional ist zwingend geboten, weil dies technisch längst möglich ist und damit ca. 80% der Treibhausgas-Emissionen endgültig vermieden werden. Dieser Umbau ist eine gesamtgesellschaftliche und kulturelle Aufgabe, gleichsam die größte Herausforderung der Menschheit.
In der Kindererziehung hingegen (wir sind Eltern von 3 erwachsenen Kindern) habe ich immer Wahlrechte. Bei wirksamen Maßnahmen gegen den menschengemachten Klimawandel habe ich nur sehr, sehr eingeschränkte Wahlrechte: Welche Maßnahme ergreife ich sofort und welche Maßnahme unmittelbar danach? Dies ist eine Projekt-orientierte und Prozess-orientierte Strategie. Sie bindet Bürger*innen mit ein und bedarf professioneller Begleitprozesse der Partizipation und Kommunikation. Zuvorderst allerdings bedarf es einer Gesetzgebung, die erstmals gleichartige Wettbewerbsbedingungen zwischen fossil und atomarer und erneuerbarer Energieversorgung schafft.