Bisher hat die Messe Düsseldorf die Energy Storage veranstaltet, die jetzt nicht fortgeführt wird. Stattdessen gibt es eine neue Messe für die erneuerbaren Branche, die decarbxpo – Expo for decarbonised industries. Warum dieser Strategiewechsel?
Bernd Jablonowski: Das Thema Dekarbonisierung ist topaktuell und wird uns in der nächsten Zeit intensiv begleiten. Das betrifft besonders die Industrie. Als Messe Düsseldorf sind wir in einem Bundesland mit vielen energieintensiven Industrien, für die wir verschiedene führende Events anbieten. Da ist die glasstec, die wire und Tube, das ist eine GIFA, die internationale Gießereifachmesse, die Metec, eine Metallurgie-Fachmesse, die Thermprocess, rund um das Thema Stahl- und Metallguss-Verarbeitung. Das sind natürlich alles Industrien, die energieintensiv sind. Und jede dieser Veranstaltungen bearbeitet die Frage der Dekarbonisierung in Fachkonferenzen und Seminaren. Die Idee ist nun, dass wir all diese Industrien, die wir über Jahre schon begleiten, zusammenbringen und eine Netzwerkplattform als eigene Veranstaltung entwickeln. Die decarbxpo wird ihren eigenen Turnus haben. Sie wird aber auch in unmittelbarer Nähe oder gleichzeitig zu den wichtigsten Industriemessen stattfinden, für die Dekarbonisierung und Klimaneutralität relevant sind. Wir werden also nicht, wie das ja bei Messen üblich ist, eine Veranstaltung haben und alles arbeitet auf die Veranstaltung hin, sondern wir transportieren das Thema spezifisch für die einzelnen Industrien. Das ist der Gedanke dahinter.
Hat das noch etwas mit der Energy Storage zu tun? Wie spielt die Batteriespeicherindustrie da rein?
Das ist natürlich nicht mehr die alte Energy Storage, die sich ausschließlich mit Speichersystemen und Power-to-X Lösungen befasst. Mit dem neuen Titel unterstreichen wir den neuen, holistischen Ansatz. Die Energiespeicherhersteller sind ein Teil der Lösung, genau wie die Solarindustrie. Wir haben außerdem auch nicht mehr die klassische Konferenz, die es früher bei der Energy Storage gab. Stattdessen haben wir jetzt mehrere Konferenzen, die sowohl Forschung und Entwicklung als auch den Anwender in den Mittelpunkt stellen. Bekannt war zum Beispiel die International Renewable Energy Storage Konferenz (IRES). Die wird es weiterhin geben, von Eurosolar organisiert. Darüber hinaus haben wir aber auch den Verband deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) mit der Power-to-X-Konferenz zum Thema Wasserstoff. Das wird parallel stattfinden. Und wir haben den Eco-Metals-Day, organisiert vom Vulkan-Verlag. Das heißt, wir werden Themen, die alle Industrien interessieren, in den Konferenzen diskutieren und zusammenführen. Und wir werden sie mit der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringen. Denn wir stellen oft fest, dass viele Ideen da sind, die politischen Rahmenbedingungen aber nicht passen. Dass die Industrie gerne investieren möchte, aber eine gewisse Sicherheit für diese Investitionen braucht. Und das müssen wir mit den vielen spannenden Ideen aus der Wissenschaft zusammenbringen. Was mir wirklich am Herzen liegt, ist dieses vernetzte Denken und nicht nur der Blick auf eine Veranstaltung.
Messe decarbxpo
20.- 22.September, Messe Düsseldorf www.decarbxpo.de
Konferenzen
- Internationale Erneuerbare Energiespeicher Konferenz (IRES 2022)
20. – 22. September (Halle 8b)
https://www.eurosolar.de/ires-2/ires-konferenz-2022/ - From Production to Application: THE #P2X CONFERENCE
19. – 20. September (CCD Ost)
https://www.p2xconference.com/ - ecoMetals day – Pioneers of Sustainability
21. September (CCD Ost)
https://stahl-punkt.de/ecometals/
Wäre Ecometal, also beispielsweise grüner Stahl, ein solches übergreifendes Thema? Die Energiewirtschaft unterstützt bei der klimafreundlichen Produktion und nutzt das Metall dann selbst zum Bauen.
Richtig. Und das sind Themen, die für den Absatz der Unternehmen wichtig werden. Sei es durch Anforderungen der Kundenseite an klimafreundliche Zulieferer oder durch Vorschriften der EU zum Einsatz von grünem Stahl bei Auftragsvergaben, zum Beispiel wenn von staatlicher Seite in die Infrastruktur investiert wird.
Bei welchen Industrien sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?
Der größte Handlungsbedarf liegt natürlich bei den energieintensiven Unternehmen. Die Energiekrise, die steigenden Energiekosten, die wir jetzt gerade erleben, führen bereits dazu, dass die Unternehmen umdenken müssen. Hinzu kommen noch die Vorgaben der EU für eine ressourcenschonende Produktion. Insofern sprechen wir alle großen Industrien an, die chemische Industrie, die Stahlindustrie, die Glasindustrie, die sehr energieintensiv ist, die Zementindustrie, aber auch das Gewerbesegment. Im Business-to-business-Segment sind viele Zulieferer von immer höheren Anforderungen ihrer Abnehmer betroffen. Sie müssen Fahrpläne zur Klimaneutralität vorlegen. Im Consumer-Bereich sind es hingegen die Konsumenten, die zunehmend auf klimaschonend produzierte Produkte Wert legen. Die Entwicklung betrifft also neben der Industrie auch den Handel, für den wir mit der Euro-Shop und der Euro-Cis ebenfalls Leitmessen veranstalten. In all diesen Segmenten beobachten wir ein großes Interesse.
Sehen Sie, dass die Solarindustrie und auch die Speicherindustrie für eine Nachfrage von diesen Ausmaßen Lösungen bieten kann?
Der Energiebedarf wird nicht komplett gedeckt durch die Installation von Photovoltaik an Ort und Stelle, das muss man ganz klar sehen. Sie ist aber ein wichtiger Baustein in den Dekarbonisierungsstrategien der Unternehmen, um Energiekosten zu senken und emissionsfreie Energie bereitzustellen. Wenn wir uns das Gewerbe anschauen, dann wird dort schon seit Jahren auf Photovoltaik gesetzt, zum Beispiel auf eigenen Immobilien. Und es sind kleinere Speicher spannend. Zur Erhöhung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs aber auch zur Lastspitzenkappung oder als Element eines Energiemanagementsystems. Gleichzeitig verfügen die Industrien hierzulande auch über Flächen und Gebäude. Da gibt es viele Ansatzpunkte für die Solarindustrie.
Bei den energieintensiven Industrien geht es mehr um thermische Speicher, die mittlerweile auch Hochtemperaturbereiche abdecken. Aber auch Batteriespeichersysteme werden gebraucht. Hier eher mit höherer Speicherkapazität ab einer Megawattstunde. Aber nicht alle Produktionsprozesse können komplett elektrifiziert werden.
Welche Möglichkeiten gibt es dann?
In diesen Fällen wird Wasserstoff benötigt, um die notwendigen Temperaturen und Produktionsbedingungen zu erreichen. Und hier sind wir beim globaleren Ansatz der decarbxpo. Es wird es wichtig, auch internationale Allianzen zu schmieden, wie zum Beispiel mit Australien, den afrikanischen und arabischen Ländern. Wir haben Partner, die Vereinten Nationen, die UNIDO, die sich mit einbringen wollen. Denn der Wasserstoff, den wir benötigen, wird auch in Ländern produziert werden, die wir klassisch als Entwicklungsländer sehen. Die Idee ist, dass wir perspektivisch Organisationen als Partner gewinnen, die ihr Land darstellen im Hinblick darauf, welches Potenzial es in Bezug auf Wasserstoff, Solarstrom und Speicherung bietet. Wir präsentieren uns jetzt hier und möchten aus diesen Ländern auch Vertreter hier künftig vor Ort haben. Wir wollen mit der decarbxpo nicht Konsumenten oder Endverbraucher ansprechen, sondern es geht uns wirklich um einen Austausch zwischen Industrie, Politik, Wirtschaft und ums Netzwerken. Denn das Problem, was wir alle haben, ist: Die Politik hat eine Vorstellung, aber die Umsetzung ist nicht so klar. Und wir glauben einfach, wenn wir alle an den Tisch holen, kommen wir schneller zu Lösungen.
Wie ist die Resonanz unter den Herstellern?
Wir haben Energiespeicherunternehmen und auch Unternehmen dabei, die in der Vergangenheit teilgenommen haben. Zusätzlich aber auch Teilnehmer aus der Energiewirtschaft, wie den Eon-Konzern, Uniper, Westenergie oder Siemens, was bisher nicht der Fall war. Das heißt, das Spektrum wird breiter. Wir haben sehr viele Netzwerkanbieter und den H2UB für die Startups. Wir sprechen mit Plug and Play, einer sehr aktiven Innovationsplattform. Zur Vielfalt tragen auch unsere Partner bei, der VDMA, aber auch Partner die aus anderen Veranstaltungen kommen, wie der Bundesverband der deutschen Gießerei-Industrie, mit dem wir zusammenarbeiten oder der Bundesverband Glasindustrie. Wir sind also breiter aufgestellt, weil wir die Themen intensiver diskutieren und spielen möchten.
Aber sie wollen ja trotzdem auch die Solarindustrie, also unsere Leser ansprechen. Was können Sie denen sagen, warum sollten die sich für die Messe interessieren?
Photovoltaik kann in sehr vielen Unternehmen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, emissionsfreie Energie bereitzustellen und die Energiekosten zu senken. Beispiele dafür gibt es viele. Wir haben das Netzwerk zu Industrie und Gewerbe, die Solarindustrie die Produkte und Lösungen, die diese Unternehmen benötigen. Außerdem sprechen wir mit der decarbxpo auch den Mittelstand in NRW an – in unserem Bundesland befindet sich bundesweit die höchste Anzahl mittelständischer Unternehmen, für die sich Photovoltaik und Batteriespeicher angesichts der steigenden Energiepreise bereits heute häufig rechnen, ganz abgesehen von der höheren Versorgungssicherheit. Unsere Mitbewerber konzentrieren sich zum Beispiel auf die Energieversorger, die Erneuerbare-Energien-Branche oder den Maschinenbau – den echten industriellen und gewerblichen Anwenderfokus bieten nur wir. Und diese Unternehmen wollen nicht immer nur Lösungen, sondern auch reden über ihre Themen, die sie als Unternehmen beschäftigen. Es geht nicht immer darum, dass wir Verkäufe sehen möchten, sondern dass wir uns als Plattform verstehen, wo die Themen auch angesprochen werden.
Während der Corona-Zeit sind viele Messen ausgefallen und verschoben worden, und vieles findet jetzt online statt, was auch Co2 spart. Warum denken Sie, dass es wichtig ist, dass es diese Messe live vor Ort gibt?
Das ist ja generell die Frage, die immer im Raum steht: Was bringen Messeveranstaltungen, und welche Vorteile bieten sie? Ja, es kommen viele Leute zu einer Messeveranstaltung angereist. Das hat aber den Vorteil, dass man nicht viele Unternehmen separat besuchen muss. Der persönliche Austausch spielt eine Rolle. Man kriegt Emotionen mit, man wird nochmal anders angeregt, indem man in einem Forum sitzt und diskutiert, gerne kontrovers. Ich glaube, wenn wir Wissenschaft, Politik und Unternehmen zusammenbringen möchten, können wir das nicht über eine Webkonferenz machen, weil der Austausch ein anderer ist.
Haben Sie schon selbst Lösungen, um die decarbxpo zu dekarbonisieren?
Wie dekarbonisiert man eine Veranstaltung? Wir sind natürlich als Messe Düsseldorf sehr nachhaltig unterwegs. Wir haben eine neu gegründete CSR-Abteilung und wir durchforsten jetzt alle unsere Veranstaltungen, wie wir uns da in der Zukunft noch besser aufstellen. Das ist schon mal ein sehr guter Schritt, dass sich ein Messeveranstalter mit diesen Themen beschäftigt, weil ich glaube, dass es eine Menge Potenzial gibt. Wir dekarbonisieren unter anderem, indem wir mit der Deutschen Bahn eine Kooperation haben, um die Besucher verkehrsfreundlich hier nach Düsseldorf zu bringen.
Gibt es denn jetzt noch eine reine Energy Storage, vielleicht in den USA?
Nein, an der Energy Storage in den USA hat die Messe Düsseldorf ihre Anteile verkauft – schon kurz vor der Coronakrise. Wir haben uns gesagt, wir widmen uns dem Standort hier in Düsseldorf und möchten mit der decarbxpo die unterschiedlichen Veranstaltungen, die wir in Düsseldorf anbieten, miteinander verbinden. Das ist einfach im Moment die Zielsetzungen der Messe Düsseldorf, die Kompetenzen, die überall existieren, zusammenzubringen.
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