Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will per Verordnung von der Länderöffnungsklausel Gebrauch machen und Acker- und Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten für den Bau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in den Ausschreibungen freigeben. Bisher galt diese Option nur für die Windkraft in dem Bundesland, etwa die Festlegung der 1000 Meter-Abstandsregelung zu Wohnbebauungen. Künftig sollen mit der neuen Verordnung auch Solarparks auf Flächen entstehen, die eine Bodenwertzahl von weniger als 55 aufweisen und daher nur geringe landwirtschaftliche Erträge zulassen, wie der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW am Freitag berichtet.
Endlich: Im @landnrw ist die solare #Länderöffnungsklausel für Freiflächenanlagen auf benachteiligten Acker- und Grünlandflächen auf den Weg gebracht worden. Das geplante Zuschlagsvolumen von 150 Megawatt im Jahr ist allerdings viel zu gering. Mehr dazu: https://t.co/F6cyCtPfHp pic.twitter.com/l9UXK7WhuC
— LEE NRW (@LEE_NRW) June 17, 2022
In der Verordnung ist die Freigabe für jährlich 150 Megawatt vorgesehen. Der Vorsitzende des LEE NRW Reiner Priggen bezeichnete den Schritt als „überfällig und unverzichtbar“, zugleich monierte er das vorgesehene Vorschlagsvolumen. „Das ist zu wenig, um als Energie- und Industrieland einen wesentlichen Beitrag zu einer signifikanten Erhöhung des Solarstromanteils zu leisten.“ Mit Verweis auf Baden-Württemberg, das kürzlich das Volumen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen in benachteiligten Gebieten auf 500 Megawatt im Jahr angehoben hatte, fordert er eine ähnliche Größenordnung auch für Nordrhein-Westfalen. „Mindestens diese Größenordnung sollte auch in NRW machbar sein“, so Priggen. Landesweit stünden rund 341.000 Hektar an Acker- und Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten für den Bau solcher Anlagen zur Verfügung.
Neben Baden-Württemberg gibt es mittlerweile in Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt entsprechende Verordnungen, die die Länderöffnungsklausel im EEG umgesetzt haben. In ihrer im Dezember veröffentlichten „Energieversorgungsstrategie 2.0“ hatte die Landesregierung in Düsseldorf eine Vervierfachung der Photovoltaik-Leistung auf 24 Gigawatt bis 2030 angekündigt. „Dafür ist nicht nur jedes private und gewerbliche Dach notwendig, sondern auch möglichst viele Agri- und Floating-Photovoltaik-Projekte sowie noch mehr Freiflächenanlagen“, sagte Priggen. Jede Fläche werde für den weiteren Photovoltaik-Ausbau gebraucht.
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Ich wundere mich immer wieder das die Diskussion zu benachteiligten Gebieten mit der Bodenzahl geführt wird.
Denn auch der beste Bodenwert in einer schlecht zu bearbeitenden Lage oder einem Landesteil mit viel Trockenheit bringt halt wenig Ertrag. Oder kann kaum sinnvoll bestellt werden.
Die EU hat das in Ihrer Förderdefinition für die „Benachteiligten Gebiete“ ja so aufgenommen und das EEG referenziert auch darauf.
Durch den fortschreitenden Klimawandel haben z.T. sehr hochwertige Böden in der Madegburger Börde seit 5 Jahren immer wieder massive Mindererträge weil die Trockenheit zuschlägt. 2022 sieht auch bisher nicht gut aus- geht die Trockenheit im Osten Deutschlands so weiter wird die Ernte wieder schlecht- und das trifft in diesen Gebieten alle Bodenzahlen.
Die fortlaufend zu erneuernde Gesamtbetrachtung ist daher sehr wichtig.
Man denkt immer mit Putin und dem Ukraine Krieg ist zumindest ein Großteil aufgewacht und räumte den erneuerbaren Energien jetzt massiv Vorfahrt ein. Aber dieses schwarz-gelbe Kabinett beschließt nur das Nötigste um mit einem grünen Mäntelchen dazustehen. Die Wahlen sind gewonnen und jetzt kann man seine guten Beziehungen wieder bedienen. Mit Wind wird es auch nicht so toll werden, da die Bebauung sehr dicht ist. Hoffentlich sind andere Bundesländer nicht so rückständig.
Wollen wir die Energiewende schaffen und wollen wir uns so schnell wie möglich von ausländischen, fossilen Energien unabhängig machen, dann führt an einem schnellen und massiven Ausbau von Freiflächenfotovoltaikanlagen (FF PV) kein Weg vorbei.
Wir haben in Deutschland derzeit noch ca 17,5 Mio Hektar (ha) landwirtschaftliche Nutzfläche. Seit dem Beginn der 1950er Jahre wurden ca 3 Mio ha Landwirtschaftsfläche versiegelt (Strassen, Gewerbeansiedlungen und Wohnbebauung). Da wurde und wird bis heute nicht nach Bodenpunkten gefragt.
Auf den 17,5 Mio ha landwirtschaftlicher Nutzfläche werden derzeit ca 2,5 Mio sogenannte Energiepflanzen angebaut. Diese dienen nicht als Lebensmittel, sondern der Energieerzeugung. Wir reden hier über Mais (für Biogasanlagen), Raps für die Beimischen in Kraftstoff, aber auch über Energieweizen, etc., etc. . Bei keiner dieser Energiepflanzen wird über Bodenpunkte gesprochen. Alles hat und hatte seine Zeit. Das gilt auch für Energiepflanzen. Die Nutzung einer Fläche für Energiepflanzen ist äußerst ineffizent, verglichen mit Nutzung der gleichen Fläche für die Errichtung einer PV-Anlage.
Mit dem Ertrag von einem ha Raps kann ein Verbrennerauto, bilanziell, ca 40´000 km weit fahren. Also einmal um die Erde. Auf einem ha Land kann man aber auch ca 1 MW PV errichten und vereinfacht gesagt ca 1´000´000 kWh Strom im Jahr erzeugen. Damit kann man E-Autos, bilanziell, ca 155 mal die Erde umrunden lassen (1´000´000 kWh geteilt durch 16 kWh / 100 km ergibt ca 6´250´000 km Fahrleistung). Das ist der Faktor 155. Wenn man die Eiweißkomponente beim Raps, dessen Reststoffe als Eiweißfuttermittel in der Tierproduktion genutzt werden, mit berücksichtigt, muss man ca 30 ha Futterlegumionsen anbauen (Erbsen, Ackerbohnen, etc.) um diese Eiweißkomponente zudecken. D.h. mit einem ha Freiflächen PV und 30 ha Ackerleguminosen ersetzen wir 155 ha Energieraps. Das ist eine Flächenersparnis von ca 120 ha.
Mit Energiemais der in einer Biogasanlage verwertet wird, lassen sich pro ha ca 17´000 kWh Strom erzeugen. Das ist rund 60 mal weniger als auf einem ha Freiflächen PV.
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Energieerzeugung durch Photovoltaik deutlich effizienter ist, als eine Energieerzeugung via Energiepflanzen. Wenn man nur Teil der derzeit für den Anbau von Energiepflanzen aufgewendet wird mit Freiflächen PV versehen würde würde ein riesige Menge an landwirtschaftlicher Fläche wieder für die Nahrungsmittelproduktion frei … unabhängig von der Bodenpunktezahl. Aber natürlich ist die Errichtung von Freiflächen PV auf sogenannten Grenzstandorten besser als auf Gunststandorten.
Danke Thomas für diesen sehr aufschlussreichen Kommentar mit eindeutigen Zahlen. In der öffentlichen Wahrnehmung hat man das Gefühl dass mehr PV Parks beim Discounter die Kartoffeln ausgehen lassen. Selbst der Landwirtschaftsminister möchte wieder stillgelegte Flächen, wovon viele schon zu Biotopen geworden sind, wieder für den so wichtigen Pflanzenanbau zur Ernährung der Bevölkerung reaktivieren, denn an den Biosprit der Multis kann man nicht rangehen. Dabei würden 10% der Flächen für Energiepflanzen vollkommen ausreichen um genug PV mit Blühstreifen und kleinen Biotopen zu realisieren. Die Böden könnten sich erholen, da weder Gift noch Stickstoff bei PV gebraucht wird. Die Vorteile liegen so deutlich auf der Hand, dass selbst ein Grundschüler alles versteht. Aber trotzdem wird es wegen fadenscheiniger Begründungen nicht realisiert.
Sehr nett von der schwarz-gelben NRW-Landesregierung.
Jedoch lediglich 150 MW p.a. ist absurd und fern von jeglichen gesunden Menschenverstand.
800 MW p.a. plus zusätzlich beschleunigten Netzinfrastrukturausbau wären Parameter, die wirklich was bewirken würden.
Yes. Ziele, die wachrütteln und nicht Ziele, die zum sanft Weiterschlafen dienen.
Wenn wir im Winter ohne Gas dastehen oder in Berlin kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt – erst dann passiert vielleicht etwas, das der Ernsthaftigkeit der Lage angemessen ist. Man könnte aus Erfahrung jedoch sogar daran zweifeln. Vermutlich kommt man eher auf die Idee, dann alle Wälder „aus Notwehr“ heraus abzuholzen und zu verbrennen oder den Betrieb von Heizungen in Kindergärten und Schulen zu verbieten (pauschal).
Es muss immer erst herhalten, was sich am wenigsten wehren kann.
Ich warte weiterhin auf den Paradigmenwechsel durch grüne Regierungen. Aber bisher kommt auch da zu wenig für meinen Geschmack.
Ich verstehe die Verordnung so, dass eine Anlage auf einer Fläche gefördert wird, wenn sie in einem benachteiligten Gebiet liegt UND die Bodenpunkte unter 55 betragen.
Im Artikeleingang steht, dass Bodenpunkte unter 55 alleine genügen (hier sind die auf EU-Ebene definierten benachteiligten Gebiete ausgeklammert).
Müssen nun beide Anforderungen erfüllt sein, oder genügt es wenn Bodenpunkte unter 55 sind?