Im System denken: Was hat Agri-Photovoltaik mit Erneuerbaren-Systemkosten zu tun?

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Die Agri-Photovoltaik ist in aller Munde und soll – und wird – zukünftig einen deutlichen Anteil des nötigen Erneuerbaren-Zubaus in Deutschland und Europa stellen. Aber warum eigentlich, und muss das so sein?

Was bedeutet eigentlich Agri-Photovoltaik?

Der Kerngedanke hinter der Agri-Photovoltaik ist die Integration zweier Landnutzungen, die miteinander so verträglich ausgestaltet werden können, dass beide Nutzungen von der Integration profitieren können. Dies ist zwischen Photovoltaik und Landwirtschaft offenkundig möglich und führt zu einer (unbestritten) größeren „Landnutzungseffizienz“ als bei getrennter Realisierung beider Nutzungen. Damit wird die knappe Ressource „Bodenfläche“ deutlich weniger beansprucht.

Ob es auch sinnvoll ist, wird gelegentlich dennoch kontrovers diskutiert: Als Gegenargument dient dann die Tatsache, dass die wirtschaftliche Effizienz der Nutzungen bei separater Realisierung höher sei. Dass also die Doppelnutzung auf beiden Seiten zu hohe Effizienzverluste mit sich brächte, beispielsweise durch die Einschränkung der Größe landwirtschaftlicher Gerätschaften oder geringere Erträge der Photovoltaik-Anlagen.

Erschwerend kommt hier hinzu, dass unter Agri-Photovoltaik bisher ein bunter Blumenstrauß an technologischen Konzepten verstanden werden kann, die völlig unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Gemeinsam ist allen Konzepten aber durchaus, dass eine gewisse Reduktion der nutzbaren Fläche und gegebenenfalls auch Ernteerträgen (Landwirtschaft) einerseits, und eine Reduktion der Leistungsdichte (Photovoltaik) andererseits, auf beiden Seiten in Kauf genommen werden muss.

Agri-Photovoltaik ist somit zunächst ein Instrument, Flächenverbrauch zu minimieren, geht aber unter Umständen mit etwas höheren Produktionskosten einher. Insofern kann man zunächst einmal zu dem Schluss kommen, dass die Agri-Photovoltaik zwar ein mögliches Instrument zum Erreichen der Energiewende-Ziele ist – zwingend erforderlich ist sie damit noch nicht.

Höhere Strompreise werfen lange Schatten

Schauen wir auf ein zweites, neben der Flächenverfügbarkeit ebenso dramatisches Problem für den weiteren Ausbau der Photovoltaik-Kapazitäten: Die hohe zeitliche Konzentration der Energieproduktion. Es dürfte jedem Leser bekannt und geläufig sein, dass die Erzeugung von Photovoltaik-Anlagen sich derzeit sehr stark auf die Mittagszeit im Sommerhalbjahr konzentriert. Dieses führt mit zunehmendem Ausbau der Photovoltaik sowohl auf der Handelsebene (Strompreise gleich Null oder gar negativ) als auch auf der Netzseite (fehlende Anschlusskapazitäten und Abregelungen) zu nachhaltig wachsenden Ausbauhindernissen. Diese über den Ausbau von Netzen und Speichern zu beseitigen ist kosten- und zeitintensiv.

Hintergrund dieser Konzentration ist die Geometrie des Sonnenlaufs, die dazu führt, dass das Angebot an Solarstrahlung um die Mittagszeit am höchsten ist. Bisherige Auslegungen von Photovoltaik-Kraftwerken zielen naturgemäß darauf, eben diese Zeiten höchsten Strahlungsangebotes bestmöglich zu nutzen – das ist die bekannte „20 Grad Süd“-Orientierung. Diese führt zwar zu einer hohen Jahresertragssumme, aber eben auch zu einer Verstärkung der Konzentration auf wenige Stunden des Jahres.

Um das ungleiche Angebot bestmöglich zu verstetigen, muss eine technische Auslegung jedoch dergestalt erfolgen, dass die höchste Effizienz gerade zu den Zeiten erreicht wird, wenn die Konzentration an Solarstrahlung gering ist. Dies sind immer jene Stunden, in denen die Solarstrahlung in einem flachen Winkel auf die Erdoberfläche trifft: vormittags, abends und generell im Winterhalbjahr. Um hier die beste technische Effizienz zu erreichen, müssen die Modulflächen in einem sehr steilen Winkel ausgerichtet werden.

Die Einstrahlung auf eine Modulvorderseite verringert sich dadurch in der Jahressumme stark. Dieses Problem ist heute lösbar, da mit der bifazialen Modultechnik mittlerweile eine Technologie verfügbar ist, die mit der Modulrückseite die Kollektorfläche verdoppelt. So ist es möglich, dass die Jahreserträge dennoch nicht schlechter, sondern in der Regel sogar etwas höher ausfallen als bei der „klassischen“ Auslegung.

Diese Auslegungen haben bei Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen aber zunächst den Nachteil, dass große Abstände zwischen den Modulreihen erforderlich sind, um die gegenseitige Verschattung in den gewünschten Produktionszeiten mit flachem Sonnenstand gering zu halten.

Dies bedeutet vor allem eines: Systemdienliche Anlagen brauchen viel Platz. Das Gute ist aber, dass dieser „Platz“ eigentlich gar nicht in Anspruch genommen wird, sondern nur ein (geringer) Teil der dort auftreffenden Solarstrahlung entnommen wird – es handelt sich nicht um (bebaute) „Kollektorflächen“, sondern nur um „teilverschattete“ Flächen.

Nutzungsintegration at it’s best!

Genau diese Verbindung ist es, die in der aktuellen Wahrnehmung sowohl der Agri-Photovoltaik einerseits als auch der möglichen Ansätze für eine systemdienlichere Photovoltaik-Stromproduktion andererseits schlichtweg fehlt!

Vom systemtechnischen Ende her gedacht: Wir brauchen dringend systemdienliche Photovoltaik, da diese wesentlich schneller verfügbar, effizienter und günstiger ist als Speicher, Elektrolyseure oder der Import von grünem Wasserstoff. Diese braucht jedoch zwingend viel Fläche – ohne diese wirklich in Anspruch zu nehmen.

Mit dem nötigen Verständnis für die Belange der Landwirtschaft und umsichtiger Planung ist es nun nicht mehr besonders schwierig, beide Aspekte zusammenzubringen: Die für die systemdienliche Erzeugung benötigten freien Flächen zwischen den Photovoltaik-Anlagen müssen so gestaltet werden, dass sie nicht „verbraucht“ werden, sondern weiterhin der landwirtschaftlichen Urproduktion zur Verfügung stehen. Glücklicherweise ist dies nur mit geringen Mehrkosten verbunden – bei denen zudem davon ausgegangen werden darf, dass sie nach dem Markthochlauf und mit erwartbar zunehmenden Erlösdifferenzen – verglichen mit „konventionellen“ Photovoltaik-Anlagen – perspektivisch völlig verschwinden werden.

Vor diesem Hintergrund folgt die Initiative von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seinen grünen Ministerkollegen, die EEG-Flächenkulisse für „Agri-Photovoltaik“ auszuweiten, genau dem richtigen Gedanken: Die Doppelnutzung erlaubt die Bereitstellung größerer Flächen für die Photovoltaik-Erzeugung, die damit systemdienlich werden kann. Es fehlt hier noch die Honorierung der Systemdienlichkeit, die der Markt derzeit noch nicht vollständig abbildet – aber das ist ein anderes Thema.

Nicht Kür, sondern Pflicht!

Mit einem umfassenden Ausbau systemdienlicher Agri-Photovoltaik können wir einen bedeutend größeren Anteil der Jahresstunden mit Solarstrom abdecken (in Volllaststunden ausgedrückt: etwa 2.000 statt sonst nur 1.200 Stunden). Das ist ein bedeutender Beitrag zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage – und damit ein wichtiger Baustein für ein funktionierendes Erneuerbaren-Energiesystem.

Somit ist die Agri-Photovoltaik keine „Kür“, um verschiedenen Stakeholdern die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen etwas schmackhafter zu machen, sondern der fundamental richtige Weg zu weniger Flächenverbrauch und mehr Systemdienlichkeit, also letztlich: einer gelungenen Energiewende.

— Der Autor Heiko Hildebrandt ist Gründer und Vorstand der Next2Sun AG, die vor dem Hintergrund des beschriebenen Leitbildes systemdienliche Agri-Photovoltaik-Anlagen mit senkrecht stehenden bifazialen Solarmodulen entwickelt und vermarktet. Das Unternehmen wurde 2015 gegründet und neben dem Engagement der Gründer über Crowdfunding und aktuell auch eine Aktienemission finanziert. www.next2sun.de

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