2000 Prozent – das ist der erwartete Nachfragezuwachs an Lithium bis zum Jahr 2040. Hinsichtlich des Ziels 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, beschränkt sich diese Nachfrage allerdings nicht nur auf Lithium. Der Verbrauch von Kobalt soll um 600 Prozent, der von Nickel um 300 Prozent und der von Kupfer um fast 200 Prozent steigen.
Grund dafür: das omnipräsente Speicherproblem. All diese Metalle werden in Batterien verwendet, die für unsere Energiewende unerlässlich sind. Allein der weltweite Markt für Elektrofahrzeuge soll bis 2030 auf über 700 Milliarden Euro wachsen – hängt jedoch vollständig von der Batterieproduktion ab. Der Umgang mit diesen wichtigen Rohstoffen wird also darüber entscheiden, ob wir unsere Klimaziele erreichen oder nicht.
Die Metalle in unseren Batterien sind keine erneuerbaren Ressourcen – und so sollten wir auch mit ihnen umgehen.
Bereits in den vergangenen Jahren ist die Nachfrage als auch die Preise dieser Metalle enorm gestiegen. Experten gehen zwar davon aus, dass die Produktion der Metalle mit der noch weiter steigenden Nachfrage mithalten kann, doch weder Lithium noch seine relevanten Geschwister sind erneuerbare Ressourcen. Wenn sie nicht schon bald viel effizienter genutzt werden, könnten Knappheit, schwankende Preise und wachsende globale Abhängigkeit den Markthochlauf dieser aufstrebenden Industrie konterkarieren.
Zum Erfolg verhilft nur ein vollständig nachhaltig gedachter Lebenszyklus von Batterien. Europa kann hierbei global eine besondere Rolle bei der Festlegung von Standards spielen: Für Transparenz in der Lieferkette, umweltfreundlichere Abbau- und Gewinnungspraktiken und – was zu lange übersehen wurde – für eine nachhaltige und effiziente Nutzung dieser Güter.
Messstandards für Batterien sind veraltet, ungenau und führen zu Verschwendung
In allen Branchen, die Lithium-Ionen-Batterien verwenden, werden immer noch dieselben Kriterien für das Ende der Lebensdauer (EOL) angewandt, die in den neunziger Jahren erstmals vorgeschlagen wurden. Diese Kriterien sind allerdings keine festgelegten Standards, sondern lediglich zur gängigen Praxis gewordene Richtwerte. Sie beziehen sich ausschließlich auf die Restkapazität und ignorieren sicherheitsrelevante Aspekte. Der entstehende Wert wird allgemein als Gesundheitszustand der Batterie (SoH) bezeichnet. Weitgehend unangefochten wird auch heute noch davon ausgegangen, dass der EOL-Wert bei 70 bis 80 Prozent des neuen SoH-Wertes erreicht wird. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn die maximale Reichweite des Fahrzeugs auf circa 70 bis 80 Prozent gesunken ist. Solche eher groben „catch all“-Regeln waren während der Anfangsphase der Technologie sinnvoll.
Heute allerdings bedeutet eine unangefochtene Anwendung dieser Kriterien, dass Schätzungen zufolge mindestens 2 Millionen Tonnen Batterien vorzeitig ausrangiert werden. Die Batterie ist das teuerste Verschleißteil eines Elektrofahrzeugs und enthält, wie wir wissen, nicht erneuerbare Ressourcen, deren Preise stetig steigen. Es liegt also auf der Hand, dass exakte Aussage über den Zustand der Batterien mithilfe von Diagnose-Tools getroffen und viel bewusster beurteilt werden müssen.
Um den Zustand der Batterie zu diagnostizieren, ist vollständige Datentransparenz erforderlich
Neben den Messkriterien gibt es eine noch größere Herausforderung: der Mangel an Transparenz. Selbst wenn man sich auf verbesserte und nachhaltigere Kriterien einigen würde, gibt es für Fahrzeugbesitzer heute keine Möglichkeit, den SoH-Wert zu ermitteln. Einige Fahrzeuge besitzen ein hauseigenes Selbstdiagnosesystem, das einen groben SoH-Wert anzeigt. Bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen gibt es – ob man es glaubt oder nicht – immer noch keinen standardisierten Rahmen oder entsprechende Richtlinien zur Bewertung der Batteriequalität. Unabhängige Test- oder Prüfunternehmen – wie der TÜV in Deutschland oder die MOT-Prüfstellen in Großbritannien – besitzen weder den Zugang noch die Technologie, um den Restwert oder die Qualität von Batterien bestimmen zu können. Um also das Beste aus den Metallen herauszuholen und unsere Abhängigkeit von neuen Materialien drastisch zu reduzieren, brauchen wir eine tiefgreifende und herstellerübergreifende zugreifbare Datenlage und volle Transparenz. Entsprechend diskriminierende Marktgrenzen oder -mechanismen die eine unabhängige Diagnose der Batterien unzugänglich macht, muss verhindert werden.
Europa muss unabhängige Batterietests, einschließlich des Datenaustauschs mit Kunden und Drittanbietern und Standardschnittstellen ermöglichen (denken Sie auch an die gemeinsamen europäischen PSD2-Richtlinien für den Datenaustausch im Finanzbereich). Eine transparente Datenlage und ein offener Umgang mit denselben würde die Verschwendung von über 2 Millionen Tonnen Batterien vermeiden und unsere Abhängigkeit von Rohstoffen verringern. Nutzer und Hersteller können so in der Lage sein, die tatsächliche maximale Nutzung der Batterie während des First Life im Auto, und dann auch in einer möglichen Second Life Anwendung, zum Beispiel als Reservestromquelle für das Stromnetz, zu nutzen. Erst dann kann und muss ein Teil der Rohstoffe der Batterie durch geeignete Recyclingmechanismen wiedergewonnen werden.
Zusammenarbeit: die Grundlage für Transparenz, bessere Diagnostik und eine nachhaltige Industrie
Für die Elektrofahrzeugindustrie und den Energiespeichersektor sind Transparenz, Datenaustausch und die daraus resultierende Zusammenarbeit der einzige Weg zu echter Nachhaltigkeit. Unser Erfolg, sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht, hängt von unserer Bereitschaft ab, diesen Weg zu gehen. Wenn wir jetzt eine führende Rolle bei der Verwirklichung dieser Ziele einnehmen, können wir sicherstellen, dass der europäische Markt auch bei der Herstellung der nachhaltigsten und hochwertigsten Batterien und batteriebetriebenen Produkte weltweit führend ist – und zwar genau dann, wenn sie weltweit unverzichtbar werden.
—- Der Autor Claudius Jehle ist Gründer und Geschäftsführer der Volytica Diagnostics GmbH, einem Unternehmen, das sich auf eine einfache, sichere und unabhängige Bewertung von Batteriequalität und -zustand konzentriert. Claudius Jehle studierte bis 2012 Maschinenbau und Systemidentifikation an der TU München und TU Delft und leitete anschließend von 2013 bis 2019 die Forschungsgruppe Energiespeicherdiagnose und Telematik am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, Dresden. https://www.volytica.com/ —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Es mag zwar keine einheitlichen Regeln für den Batteriezustand geben aber auf den Skandal Verein TÜV wartet die Wirtschaft nicht. Viele Werkstätten können Batterien genau auslesen und meistens überdauern mittlerweile die Akkus dia Haltbarkeit des Wagens. Mehr als 1 Mio. Kilometer mit dem ersten Akkupack sind keine Seltenheit. BMW als Pionier der ersten Stunde mit dem i3 hat alle ausgemusterten Akkus einem zweiten Leben im Industriespeicher gegeben. Wieso sollte die Lithium Nachfrage um 2000 % steigen? Was soll der Blick in die Glaskugel bis 2040 oder 2050. Der Preis von Lithium ist jetzt explodiert, dass lag aber nicht an den Akkus für die Autos sondern an dem Krieg in der Ukraine. Also stimmt meine Studie schon wieder nicht. Die Nachfrage in Akkus für Kobalt wird ganz schnell verschwinden und die Nachfrage nach Lithium in 5 Jahren. In LFP Akkus wird kein Kobold mehr gebraucht und der größte E- Autohersteller Tesla verbraucht nur noch 6% der sonst üblichen Menge. CATL ist der weltgrößte Batteriehersteller. Sie bringen dieses Jahr Natrium-ionen-batterien auf den Markt. Diese Kosten nur noch die Hälfte der Lithium Technik und haben kein Lithium mehr. Diese Akkutechnik wird sich durchsetzen, da der Preis auch für Großspeicher wesentlich billiger wird und die Rohstoffe massenhaft vorhanden sind. Ich hasse diese Studien über 20 oder 30 Jahre, da sie einfach nichtssagend sind. Studien für ein zwei Jahre sind ganz selten, denn die könnte man ziemlich schnell entlarven.
Danke Herr Gruber, so sehe ich das auch. Erstens ist die Zukunft anders und zweitens als man denkt. Man verfolge nur die Steigerungsprognosen zu Photovoltaik, die ausnahmslos jedes Jahr völlig daneben lagen und viel höher in der Praxis waren, als prognostiziert. Extrem dynamische und noch recht junge Märkte lassen sich in Studien nur sehr sehr schwer auf ferne Zukunft voraussagen, das ist seriös eigentlich gar nicht möglich.
Gerade bei der Batterietechnologie ist noch dermaßen viel weltweite Dynamik im Packaging, in der Chemie und in der Substitution der Materialien, dass wir vermutlich einen ganzen Blumenstrauß an verschiedenen Akkutypen für die verschiedensten spezialisierten Bereiche sehen werden. Und dich denke auch, der Natrium-Ionen Akku könnte dabei der Gamechanger, der massenhafte Mainstream Akku werden, der nahezu „grenzenlos“ ist… aus Kostensicht, bei der Produktion, aber vor allem bei den Rohstoffen. Ich fürchte keine Knappheit bei der Akkutechnologie, alle Beteiligten sind sich des Problems bewusst und stellen sich jetzt schon u.a. mit forschender Vielfalt, neuen Produkttypen und natürlich später auch second life bzw. Recycling darauf ein… schlicht, weil der Markt so dauerhaft gigantisch und lukrativ ist.
Hallo Detlef K. Entscheidend ist ihr sehr guter letzter Satz in ihrem Beitrag. Die gigantische Menge an Batterien welche gebraucht wird. Ein Verbrennerantrieb hat ca 1600 Teile. Durch die Masse an Fahrzeugen war es immer wieder sinnvoll neue Motoren und Verbesserungen zu erfinden, denn die Gewinnerwartungen waren gigantisch. Dies hat sich fast 100 Jahre hingezogen. Jetzt erhält man nur noch Fortschritte im Promillebereich und die Technik scheint ausgereizt. Ein neuer E-Antrieb hat ca 250 Teile. Auch hier wird es immer noch Verbesserungen geben, denn der neue Markt explodiert und versprichst wieder Gewinne. Der Vorteil ist, dass der Wirkungsgrad beim E-Motor dreimal so hoch ist im Vergleich zum Verbrenner. Dies betrifft eigentlich alle Bereiche der neuen Energien. Wir haben mal ein Windrad namens Growian gebaut, dass hat nicht funktioniert. Jetzt erreichen neue Windräder 15 bis 18 Megawatt. Das hätte man sich vor 10 Jahren nicht träumen lassen. So geht das über PV-Module, Wasserstofferzeugung und Speicher. Jetzt ist die Politik endlich gezwungen zu handeln und gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft herzustellen. Neue Technik wird alle unsere Sicherheitsprobleme im Energiesektor lösen.