Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat die Gaslieferungen von Russland nach Europa noch nicht unterbrochen, doch es droht eine Energiekrise. Ein führender Experte für erneuerbare Energien hat davor gewarnt, dass der Konflikt die Energielandschaft Europas und möglicherweise der Welt für lange Zeit verändern könnte, wenn die derzeitigen Verhandlungen über eine Befriedung des Konflikts zwischen den beiden Ländern ergebnislos enden.
„Wir befinden uns in Kriegszeiten, und Kriegszeiten erfordern kriegswirtschaftliche Maßnahmen“, erklärt Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der LUT, im Gespräch mit pv magazine. „Die Vorbereitung auf den schlimmsten Fall ist in einer solchen Situation zwingend notwendig, da rationale Entscheidungen auf russischer Seite nicht mehr zu erwarten sind. Solange die Energie noch geliefert wird, ist der Fall ernst, aber noch nicht das Worst-Case-Szenario. Wann immer die russische Seite die Energieexporte stoppen würde, dann dürfen sie nie wieder kommen.“
Breyer betont, dass es nur wenige Anhaltspunkte für die derzeitige Situation gebe, was ein zentrales Merkmal einer Kriegswirtschaft sei, in der Stabilität im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung stehe. Er sagt weiter, dass zumindest mit hohen Energiekosten zu rechnen sei, mit fossilen Gaspreisen von mehr als 100 Euro pro Megawattstunde und Rohöl von mehr als 100 US-Dollar pro Barrel.
„Für einen kurzen Zeitraum muss möglicherweise eine höhere Stromerzeugung auf Kohlebasis in Kauf genommen werden, um einen möglichen Mangel an Erdgas auszugleichen“, sagt Breyer. „Auf die Treibhausgasemissionen der gesamten Wertschöpfungskette einschließlich der Methanemissionen von Erdgas ist der Gesamteffekt möglicherweise nicht so stark, da die direkten Methanleckagen oft vernachlässigt werden, während die höhere Gesamtluftverschmutzung durch Kohle mit Schwermetallemissionen ein zusätzlicher Preis ist, der zu zahlen ist.“
Breyer gegen AKW-Laufzeitverlängerungen in Deutschland
Breyer fügt hinzu, dass der planmäßige Ausstieg aus den verbleibenden Kernkraftwerken in Deutschland nicht zur Debatte stehen sollte, da massive Investitionen für die Verlängerung ihres Betriebs aufgrund von Sicherheitsfragen in Betracht gezogen werden müssten. Dagegen riet er zu Investitionen in Optionen wie den schnellen Zubau von Windstrom, mehr Wärmepumpen, mehr Photovoltaik und mehr batterieelektrische Fahrzeuge. „All diese Optionen ersetzen Gas- und Ölimporte, die im schlimmsten Fall gefährdet sein könnten.
Die Krise in der Ukraine kann nach ersten Einschätzungen des Professors noch Jahre andauern, wenn sich auf der Seite des Aggressors nichts ändert. „Mit der Rückkehr zum Frieden könnten auch die schwerwiegendsten Bedrohungen der Krise beseitigt werden. Aber die gegenwärtige Situation kann dazu führen, dass man sich auf den schlimmsten Fall vorbereitet. In einem solchen Szenario würden die Verwerfungen mehrere Jahre lang bestehen bleiben, und die einzige wirkliche Lösung für die kurz-, mittel- und langfristige Zukunft wäre ein massiver Notausbau der erneuerbaren Energien“, so Breyer. „Die auf Biomasse basierenden Abfälle, Reststoffe und Nebenprodukte sind auf die Umwandlung in Biogas und Biomethan zu prüfen, da diese unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur fossiles Gas direkt ersetzen können. Einige zusätzliche Importe von fossilem LNG lassen sich vielleicht nicht sofort vermeiden, aber neu gebaute Kapazitäten sollten so gebaut werden, dass sie leicht auf E-Ammoniak, E-Methanol oder E-Kerosin umgestellt werden können, da dies die langfristig benötigten Massenbrennstoffe und Chemikalien sind.“
Chance für bis zu 250 Gigawatt Photovoltaik und Windkraft in der EU
Breyer zufolge sollten Maßnahmen zur Bewältigung der drohenden Energiekrise für die gesamte Europäische Union ergriffen werden. „Es gäbe die Chance, in kürzester Zeit 50 bis 100 Gigawatt Windkraft und 75 bis 150 Gigawatt Solarenergie zu installieren“, sagte er. „Dies erfordert die volle Auslastung aller Elemente der Wertschöpfungskette und einen massiven weiteren Ausbau der Produktion. Außerdem sind Kapitalzuflüsse und mehrjährige Garantien erforderlich, dass die Produktion von den entsprechenden Projekten abgenommen wird, die von der Energiesicherheitspolitik angetrieben werden.“
Die Auswirkungen des zusätzlichen Windstroms, der Photovoltaik und der Kombination mit Wärmepumpen werden die Substitution der Stromerzeugung auf der Grundlage von Erdgas sein, aber auch eine direkte Substitution von fossilem Gas für die Raumheizung, wobei dieser zusätzliche Strom für Wärmepumpen verwendet werden wird, nicht in allen, aber in vielen europäischen Ländern.
Genehmigungen im Turbogang notwendig
Für eine Anstrengung dieser Größenordnung wäre ein extrem schnelles Hochfahren erforderlich, und auch die Genehmigungen für Projekte müssten im Turbogang erfolgen. „Wir wissen, dass viele Projekte seit vielen Jahren in der Entwicklung sind, sie könnten also gut beschleunigt werden“, so Breyer weiter. Notfallgenehmigungen seien bereits aus Zeiten der Pandemie bekannt und könnten aktuell zur Vermeidung von kalten Gebäuden in den kommenden Wintern genutzt werden. „Die hochgefahrenen jährlich neu gebauten Kapazitäten werden für mehrere Jahre auf so hohem Niveau benötigt, damit die zusätzlichen Importe von fossilem LNG wieder reduziert werden können“, fügte er hinzu. „Wir sprechen hier von kriegsbedingten Maßnahmen.“
Der Netzausbau sollte nach Ansicht Breyers ebenfalls beschleunigt werden. Zudem seien hybride Ausschreibungen für Windkraft und Photovoltaik plus Speicher erforderlich, damit Netzüberlastungen durch Batterien weiter reduziert werden können. Entwickler sollten bei der Risikominimierung durch Projektfinanzierung, klare Einkommensströme mit klaren Prämien, Differenzverträgen, Einspeisetarifen und Ausschreibungen unterstützt werden, damit das Einnahmerisiko minimiert werden kann. „Es bedarf einer massiven politischen Unterstützung, um die Genehmigungen, die Herstellung und die Finanzierung auf den Weg zu bringen“, betonte Breyer. „Wir brauchen auch eine Speicherproduktion, Chips und eine schnellere Produktion für Batterien für Elektrofahrzeuge Sowie insbesondere eine massive Ausweitung der Wärmepumpenherstellung, mit dem Austausch von Gas- und Ölkesseln nicht nur in einzelnen Gebäuden, sondern auch in der Fernwärme.“
Wärmepumpen könnten entscheidend sein
Wärmepumpen könnten Breyer zufolge der wirklich entscheidende Faktor sein. „Wir brauchen große Mengen an Wärmepumpen in ganz Europa“, betonte er. „Es können Anpassungen erforderlich sein, da in älteren Gebäuden höhere Temperaturniveaus erforderlich sind als in Neubauten. Dies ist mit Wärmepumpen möglicherweise nicht vollständig möglich, so dass eine Kombination aus Wärmepumpen und Elektroboiler erforderlich sein kann. Für die Bedarfsflexibilität kann eine Kombination mit thermischen Energiespeichern erforderlich sein, wie wir es von Öl- und Holzkesseln kennen. Allerdings muss die Wärmepumpenindustrie in viel größerem Umfang hochgefahren werden.“
Am Montag kündigte das Bundeswirtschaftsministerium gezielte Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien an. Das Ziel sei, bis 2035 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. „Dies impliziert ein Ziel für die Mitte des Jahrzehnts von mindestens 10 Gigawatt pro Jahr für neue Windkraftanlagen an Land, 20 Gigawatt pro Jahr für neue Photovoltaik-Anlagen, zusätzlich noch Windparks auf See und die gesetzliche Aufwertung der erneuerbaren Energien als wichtig für das öffentliche Interesse und die Sicherheit“, schloss Breyer. „Hoffen wir, dass viele Länder vergleichbare Schlussfolgerungen ziehen.“
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Putin wird sich auch nicht durch äußerst schmerzliche Sanktionen in die Knie zwingen lassen. Wenn er in die Enge getrieben wird, dann wird er den Krieg ausweiten, vielleicht auch mit allen Mitteln. Die einzige Möglichkeit welche ich sehe, dass auf seinem unmittelbaren Umfeld oder einer seiner Oligarchen, welcher durch den Krieg sehr viel Geld verlieren würde, wie Stauffenberg handelt. EnBW verbaut im Norden von Berlin innerhalb eines halben Jahres 700 000 Solarmodule in einem einzigen Solarpark. Warum schaffen wir es nicht innerhalb eines Jahres so mehr als 20 GW auf den Maisacker zu bringen. Platz ist genug, ausreichend sind 10 % der Mais- und Rapsflächen, welche für Energiepflanzen genutzt werden, welche weniger als 5 % der Energie von Solarparks erzeugen.
Ich halte es für unverantwortlich, auf der einen Seite auf Frontalkonfrontationskurs mit dem Gaslieferanten Russland zu gehen, wie begründet das auch immer sein mag, und gleichzeitig eine Laufzeitverlängerung der AKW aus ideologischen Gründen kategorisch auszuschließen! Letztlich liefern dann doch französische AKWs zu hohen Preisen oder wir sitzen im dunkeln! Windstrom, Wärmepumpen, Photovoltaik – schön und gut, aber die werden ein Loch von mehreren hundert TWh nicht zeitnah stopfen können.
Es geht doch gar nicht auf frontale Konfrontation. Gas und Öl Lieferungen laufen noch. Auch die USA bekommt über die andere Seite des Globus Öl aus Russland. Wie lange das noch geht wird man sehen. Die AKWs werden aus rein wirtschaftlichen Gründen ausgeschaltet. Wenn Sie sich hier im Forum etwas schlau machen würden, dann hätten sie das auch gelesen und erkannt. Atomstrom kostet 14 bis 19 Cent je nach Meiler. Dieser Preis ist aber nur gewährleistet, wenn Uran aus russischen Atomraketen abgereichert wird und in Brennelementen für die AKWs verwendet wird. Dies ist in Deutschland in Lingen ausgeführt worden. Da wollte sich die russische Firma Rosatom einkaufen. Das hat Herr Habeck jetzt gestoppt. Also werden die Brennelemente auch für Frankreich noch teurer. Frankreich will sechs neue Meiler bauen. Die Bauzeit wird knapp zehn Jahre in Anspruch nehmen. In dieser Zeit will die Ampel 200 GW auf den Acker bringen mit Stromgestehungskosten von zwei bis drei Cent. Wer verkauft denn dann sein Produkt in der Welt, Frankreich sicherlich nicht. Mit dieser Politik werden sie einen Abschwung zu einem der ärmsten Länder Europas erleben. Es gewinnen nur wenige aber fast alle verlieren. Frankreich hat auch selten Atomstrom übrig, denn von den 57 AKWs fällt im Durchschnitt ein Drittel durch Reparaturen und Wartung aus. 70 % die Energie in Frankreich kommt von solchen Schrottbetonburgen. Diese Meiler wurden in den 80er Jahren gebaut und sind dem Ende nahe und der Strom aus diesen wird immer noch teurer. Bis die neuen Meiler fertig sind können schon massive Stromlücken in Frankreich auftreten. Frankreich fungiert im europäischen Netz genau wie alle anderen. Sie halten das europäische Netz stabil. Umso mehr EE und Speicher zugebaut werden, umso stabiler wird das Netz. Die Kohle in Deutschland wird eine Zeitlang als Reserveenergie fungieren. Wir haben in Deutschland und Europa genug Firmen um die Windenergie aus eigener Produktion ganz massiv hochzufahren. Wir befinden uns in einer Lage, wo wir ohne Bürokratie und Bürgerinitiativen handeln müssen. Windparks kann man in zwei Jahren aus dem Boden stampfen, bei Solarenergie geht das noch viel schneller. Viele Firmen haben schon gehandelt, obwohl die Politik nur gebremst hat. 20 GW Leistung von Wind und Solar ersetzen 3 AKWs. Das ist locker machbar. AKWs weiter zu nutzen kommt von dummen Sprüchen der Atomlobby welche auch immer noch nachgeplappert werden. Das Wirtschaftsministerium sollte Verträge mit China im Bereich von 100 Mio Modulen inklusive anderer Komponenten sicherstellen, nicht dass wir wieder wollen und dastehen und nicht können. Diese zehn Milliarden wären sehr sinnvoll angelegt.
Atomkraftwerke stellen ein immenses Sicherheitsrisiko dar, – gerade in Krisenzeiten. Ich möchte mir nicht vorstellen, wenn eines der Atomkraftwerke in der Ukraine hoch geht. Dazu braucht es noch nicht mal einen direkten Treffer. Es reicht, wenn die Stromleitungen gekappt sind und den Notstromaggregaten der Diesel ausgeht. Dann kann man jeden Notfallplan vergessen. Daher kann ich nicht verstehen, dass Menschen immer noch an Atomkraft fest halten wollen.
Ernst Gruber
2. März 2022 um 12:16 Uhr
Vielen Dank für die Zusammenfassung!
Ergänzend hierzu: Frankreich will erst ab 2028 sechs neue Atomkraftwerke bauen, die dann bestenfalls 2038 fertiggestellt sind. Das wäre 3 Jahre nach deutscher Umstellung! Bis dahin wird nur ein zusätzliches Atomkraftwerk, so es denn endlich mit 10 Jahren Verspätung ans Netz geht, dazukommen.
Die durch den Klimawandel zu erwartenden Dürrezeiten, speziell in Frankreich, werden zu noch mehr Notabschaltungen wegen fehlender Kühlmöglichkeiten führen.
Vielleicht sollte PV Magazin mal alle Argumente bündeln, um hier offensiv argumentieren zu können. Die Diskussion nervt und lenkt ab vom sicherlich ambitionierten Ziel der Umstellung auf EE.
@ Wilfried Thies. Danke für die Ergänzung der Jahreszahlen. Die Atomlobby hat Frankreich fest im Griff und in Deutschland wurde mit all dieser Macht eine Rolle rückwärts versucht. Aber hierzulande ist dieser Drops endgültig gelutscht. Je länger die Sanktionen für Russland andauern, umso schneller geht die Energiewende. Wer jetzt nicht mitzieht wird politisch nicht überleben.
80 % der Landwirtschaft lich genutzten Fläche ist für tierische Produkte wenn weniger Fleisch oder milchprodukte konsumiert werden werden reichlich Flächen da sein für Photovoltaik und man müsste nicht die energiepflanzen die Gas speichern reduzieren man könnte auch auf teilen dieser Flächen blühwiesen machen und die Ernte der blühwiesen für Biogas verwenden
Hallo Werner, wenn Sie hier ein bisschen mitlesen, dann würden sie wissen, das 2,4 Millionen Hektar nur für Energiepflanzen verbraucht werden. Solarenergie erzeugt mindestens das 60 fache Energie auf gleicher Fläche wie Mais. Wir brauchen eine Unmenge an Strom durch EE. Da können wir uns teure Spielereien mit Biogas aus Energiepflanzen nicht leisten. Biogas aus Gülle und Bioabfällen macht sehr viel Sinn, aber alles andere nicht. Von Pflanzen für Lebensmittel und Tierfütterung brauchen wir keine Quadratmeter wegnehmen. Von der Fläche der Energiepflanzen brauchen wir nur 10 % für Solarparks. Den Rest können Bauern gegen Bezahlung in Biotope, Hecken und Mischwälder umwandeln und pflegen, dann würde sich ihr Image stark verbessern.