Das Wintersemester 2021/2022 begann an unserer Hochschule, der HTW Berlin, ernüchternd. Im Studiengang Regenerative Energien sind die Anmeldezahlen um fast die Hälfte eingebrochen. Die HTW steht damit nicht allein: Deutschlandweit sind die Immatrikulationen im Bereich der Regenerativen Energien und anderer MINT-Fächer stark rückläufig. Im dritten Jahr seit den ersten Streiks von „Fridays for Future“ eine schwer erklärbare Situation.
Auch die Neuigkeiten von meinem ehemaligen Arbeitgeber, der Solarwerkstatt, einem kleinen Solarteurbetrieb im Süden Berlins, sind beunruhigend: Dank der vollen Auftragsbücher hat sich die Anzahl der Mitarbeitenden in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt. Das Potenzial für weiteres Wachstum ist da. Doch schon jetzt bestehen enorme Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zu finden.
Laut Hochrechnungen konnten im Jahr 2021 über 5 Gigawatt Photovoltaik- und 2 Gigawatt Windleistung in Deutschland installiert werden. Wenn es nach der Ampel geht, soll sich der jährliche Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 in etwa verdreifachen, auf 15 Gigawatt Photovoltaik- und 5,5 Gigawatt Windleistung pro Jahr. Zudem sollen 50 Prozent der Wärme bis 2030 klimaneutral erzeugt werden, was nur bei einer drastischen Steigerung der Sanierungsrate realistisch erscheint. Dabei bleibt eine Frage bisher konsequent unbeantwortet: Wer soll eigentlich die ganzen Anlagen aufbauen und die Häuser sanieren?
Wir alle kennen Geschichten vom monatelangen Warten auf eine Handwerkerin oder einen Handwerker. Gleichzeitig prognostiziert das Öko-Institut allein im Bereich der energetischen Sanierungen eine Steigerung des Fachkräftebedarfs um etwa 50 Prozent. Das bedeutet über 100.000 zu besetzende Arbeitsplätze. Insbesondere bei den Berufsgruppen, die für die Energiewende gebraucht werden, besteht bereits heute ein Fachkräftemangel. Es klingt als wolle man aus einem leeren Brunnen schöpfen.
Politisch ist es ein wichtiger erster Schritt, sich ambitioniertere Ausbauziele zu setzen. Die neue Bundesregierung scheint nun im nächsten Schritt auch gewillt, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um in Sachen Energiewende nicht mehr mit beiden Füßen auf der Bremse zu stehen. Aber selbst die höchsten Ziele – kombiniert mit den klügsten Gesetzen – schrauben keine Solaranlagen auf ein Dach und bringen keine Dämmplatten an einer Hausfassade an.
Wir stehen am Beginn der Schlüsseldekade der Energiewende. Es wird deshalb allerhöchste Zeit, eine umfassende Debatte darüber zu führen, wie wir es verhindern können, dass die Energiewende an einem Fachkräftemangel scheitert. Um die Debatte ins Rollen zu bringen, muss die Sicherung von Fachkräften zunächst als eine der entscheidenden Aufgaben der Energiewende erkannt werden und im politischen Diskurs eine deutlich prominentere Rolle einnehmen.
Politik, Wissenschaft und Think-Tanks müssen gemeinsam mit den betroffenen Verbänden eine überzeugende Arbeitsmarktstrategie entwickeln, die pragmatische und schnell umsetzbare Lösungen liefert. So braucht es im Bereich der Nachwuchsgewinnung eine finanzielle Unterstützung für berufliche Ausbildungen, denn nur 40 Prozent der Auszubildenden können vom eigenen Gehalt ihren Lebensunterhalt bestreiten. Um die Attraktivität der Berufe zu steigern, sollten flexiblere Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden, die in anderen Branchen bereits Standard sind.
Zudem gibt es zwei Bereiche, in denen ein großes Potenzial zur Gewinnung neuer Fachkräfte für die Energiewende schlummert: Erstens liegt der Frauenanteil an den Auszubildenden in der Männerdomäne Handwerk bei lediglich 18 Prozent. Betrachtet man nur die gewerblich-technischen Berufe, wie zum Beispiel den der Maurerin, sinkt der Anteil sogar auf 1,1 Prozent. Zweitens ergibt sich durch Atom-, Kohle- und Gasausstieg die Möglichkeit für Branchen- und Berufswechsel von gut ausgebildeten Fachkräften. Mit Umschulungsangeboten und Wechselprämien kann der Wechsel aus der fossil-konventionellen Energiewirtschaft hin zu klimarelevanten Berufen gelingen.
Übergeordnet gilt es jedoch als Gesellschaft, den Handwerkerinnen und Handwerkern endlich mit der gebührenden Wertschätzung zu begegnen. Wenn ich in meiner Zeit bei der Solarwerkstatt im Blaumann auf Montage war, habe ich oft erlebt, wie man als Handwerker von oben herab behandelt wird. Stellen wir uns mal eine andere Gesellschaft vor: Menschen, die bei Frost und Hitze sowie bei Lärm und Staub hart arbeiten, werden vom gesellschaftlichen Prestige nicht anders behandelt als eine Ärztin oder ein Anwalt. Wenn darüber hinaus die ungerechtfertigt hohen Lohnunterschiede verringert würden, bestünden für junge Menschen mit handwerklichem Talent tatsächlich Anreize, nicht den akademischen Weg einzuschlagen. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks bezeichnet Handwerkerinnen und Handwerker deshalb zurecht als „Zukunftsmacher“. Wir müssen uns daher klarmachen: Energiewende ist Handarbeit.
—- Der Autor Benedikt Fischer ist Dozent für Regenerative Energien an der HTW Berlin. Zuvor arbeitete er in der Anlagenplanung und -montage bei der Solarwerkstatt Berlin sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme und am Institut für Energie- und Umweltforschung. —
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Da stimme ich euch zu – voll und ganz.
Ich habe mich selbst reaktiviert !! Bin in Rente und „arbeite“ auf nicht gewinnorientierter Basis – also für +- Null. Gewinnt die ANDEREN ( in Rente befindlichen ), macht Selbstbaugemeinschaften, ändert das EEG, redet mit den Verteilnetzbetreibern und der Bundesnetzargentur, sagt dem Finanzamt bescheid, legt euch mit dem Bauamt an, usw.
Absolut richtig,
was Benedikt Fischer und BotU zum Thema Fachkräftemangel schreiben!
Es war der unfassbare Kahlschlag, den die Politik (FDP) in den Jahren 2010 / 11 in der Branche anrichteten und der eine ganze Generation gut eingearbeiteter Solateure, Projektierer und anderer Fachkräfte freisetzte. Viele haben sich anderen Themen zugewandt, oder sich gleich in Ruhestand begeben. (Zur Erinnerung: i.d. Jahren 2009 und 10 hatten wir noch 7 -8 GW PV-Zubau p.a.)
Ich selbst habe dann 2014 / 15 in kleinem Projektumfang Migranten, die ja damals in größerer Zahl zu uns kamen, auf Erneuerbare Energien, speziell PV trainiert. (siehe auch: dt. Solarpreis 2016). Danach habe ich den Seminaristen empfohlen, macht eine Ausbildung als Handwerker, Elektriker, Installateure, Netztechniker… Heute sind diese Leute ausgebildet und stünden für die Energiewende bereit. Und das wäre jetzt wirklich mal eine politische Aufgabe (und der Verbände) diesen personalen Schatz zu heben.
Ebenso wären ehemalige Kollegen der Branche durchaus in nicht geringer Zahl, repowerbar. Wenn die Bedingungen stimmen…ich wäre nicht abgeneigt – die Sache wärs wert.
Mit sonnigen Grüßen
Claus Scheuber
Arbeit lohnt sich nicht mehr, erst Recht nicht im Handwerk.
Ich verfolge das Thema auf unterschiedlichen Kanälen und bin immer wieder erstaunt. In den meisten Artikeln wird das Gehalt, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Wenn man dann Mal nachfragt, dann kommen da so antworten wie: 30K pA – 40K pA (bei letzterem waren die Überstunden abgegolten)
Ich würde sofort wieder mich krum machen und ins Handwerk zurück gehen, nur eben nicht für einen Hungerlohn bei dem ich mich entscheiden muss ob ich mir das Auto oder die Wohnung leisten kann und die Rente ebenfalls entsprechend mau aussieht.
Kaffee zum Frühstück, Eis zum Feierabend, 29 Urlaubstage, verleihen von Fahrrädern, Gutscheine usw ist alles ganz nett, wenn ich aber 40 – 45 Std die Woche arbeite und Netto am Ende 1800eu (fast eine Warmmiete in Berlin und München) steht, dann ist es einfach nicht interessant.
Handwerkermangel beseitigen:
Einstiegsgehalt 50K pA
37 Std Woche
Firmenwagen
36 Tage Urlaub
Wir haben ein Arbeitnehmer Markt, also nicht mekern sondern gut bezahlen.
Viele Solarteure haben ihre Mitarbeiter in den letzten Jahren schon weiter ausgebildet und ihre Anzahl zum Teil mehr als verdoppelt. Die Ansätze von Claus Scheuber und von BotU lese ich hier mit Begeisterung. Die Verbände der Wirtschaft fordern 400 000 Fach- und Hilfskräfte aus dem Ausland pro Jahr. Wer dreimal im Jahr in Urlaub fliegen will, der kann sich in Deutschland keine Kinder leisten. Deswegen haben wir nur eine Geburtenrate von 1,4 pro Ehepaar. Außerdem machen diese Kinder auch noch Arbeit und Sorgen. In Syrien und anderen Kriegsgebieten gibt es auch sehr viele Jugendliche mit einer relativ guten Ausbildung. Diese Leute wollen auch ein sichereres besseres Leben haben und sie sind auch bereit dafür richtig zu arbeiten und nicht nur Aktienkurse hin und her zu schieben. Darum muss aber auch eine berufsbegleitende Ausbildung her und nicht erst nach 3 Jahren Wartezeit und Jahren der Bearbeitung von Anträgen.
Wir brauchen Desertec 2.0
Die Kapazitäten in Deutschland reichen bei weitem nicht um die Ziel umzusetzen
Die einzige Möglichkeit die Wende zu schaffen wäre Desertec 2.0
Da gäbe es sowohl die Fläche als auch die Arbeitskräfte und es wäre deutlich günstiger.
Deutschland braucht jährlich 3640 TWh ** ( das entspricht 364 Atomkraftwerken ).
Solche Mengen sind lokal nicht machbar.
3640 000 000 000 000 Wh = 3 640 000 000 000 kwh
( 1 Terawattstunde [TWh] = 1 000 000 000 kWh )
1 kWp in der Wüste in Ägypten macht ca 2400kWh
Dh wir brauchen 1 516 666 667 kWp Solarpanele
3 Module á 333Watt = 1kWp. Die brauchen ca 5qm
damit braucht so eine Anlage in der Wüste ca 7500 qkm oder 86×86 km
In Deutschland müsste sie 2.5 mal so groß sein für die gleiche Leistung.
Dazu kommt dass in Deutschland im Winter wenig Sonne scheint, in der Wüste schon, dh wir brauchen daher nochmals Speicher für 1500 TWh + Umwandlungswirkungsgrad von 30% für H2 = 2000+4500 TWh Solaranlagen
Wenn das Wp 0,2 Euro kostet, würde diese Solaranlage 728 Mrd kosten + UHGÜ-Leitungen nochmals für das gleiche Geld, also in Summe etwa 1500 Mrd Euro
Machen wir das in Deutschland, mit Speicher, würde es etwa das 10 fache kosten
**
https://de.wikipedia.org/wiki/Energieverbrauch
Herr Thümler, Sie sollten unbedingt Ihre Rechnung überarbeiten. Sie haben die enormen Umwandlungsverluste bei fossilen Energieträgern vergessen zu berücksichtigen. Der Primärenergiebedarf der Zukunft beträgt einen Bruchteil des heutigen Bedarfs.