pv magazine: Reduziert das neue Wohnungseigentümergesetz, kurz WEG, die formalen Hürden beim Einbau von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern?
Julia Wagner: Tatsächlich ist es leichter geworden. Es genügt eine einfache Mehrheit auf der Eigentümerversammlung. Schöner ist allerdings, wenn sich die Eigentümer bereits vorab einig sind, ob sie das wollen.
Also ohne Kampfabstimmung.
Man muss im Vorfeld viel klären. Die erste Frage ist, handelt es sich um eine bauliche Maßnahme, also den Austausch eines funktionierenden Heizsystems, oder eine Instandhaltung, weil die Heizung kaputt gegangen ist. Bei einer baulichen Maßnahme gilt: Sind mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen dafür und vertreten diese mindestens die Hälfte des Eigentums, müssen alle zahlen. Das gleiche gilt, wenn sich die Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Der ist wie definiert?
Das weiß ich nicht, und das weiß auch das Gesetz nicht. Das ist nicht die einzige juristische Ungewissheit. Bei einer einfachen Mehrheit mit zwei Dritteln oder weniger Stimmen zahlen in der Regel nur die Befürworter des Projekts. Dafür dürfen dann auch nur die die beschlossene Maßnahme nutzen. Zumindest in der Theorie.
Das weiß ich nicht, und das weiß auch das Gesetz nicht.
Wie soll das bei einer Heizungsanlage gehen?
Das ist genau das Problem. Bei Fahrstühlen und Fahrradschuppen ist das einfach, aber bei einer Heizung profitieren auch die, die nicht zahlen.
Und wenn die Anlage kaputt oder so in die Jahre gekommen ist, dass sie ausgetauscht werden muss?
Dann handelt es sich zunächst um eine Instandhaltungsmaßnahme, die durchgeführt werden muss und die nach dem Gesetz alle bezahlen. Aber es muss ja keine Wärmepumpe sein. Gasheizungen sind deutlich günstiger. Ob die Preisdifferenz noch zu den Instandhaltungsmaßnahmen gehört, darüber gibt es verschiedene Ansichten.
Wird nicht aus den Rücklagen gezahlt?
Bei einer Instandhaltung schon, bei einer baulichen Maßnahme nicht zwangsläufig. Schwierig wird es, wenn sich nicht alle daran beteiligen wollen. Meist dürften die Rücklagen zudem nicht hoch genug sein. Da ist dann der Verwalter gefragt, wie man das lösen kann.
Aber die WEG ist doch geschäftsfähig und kann Fördermittel beantragen.
Die Erfahrung zeigt, dass Banken sich bei Krediten eher sträuben, aber möglich ist das. Bei Zuschüssen ist das einfacher. Am besten holt der Verwalter Angebote von mehreren Banken ein und lädt auch mal Vertreter der Institute auf die Eigentümerversammlung ein. Oft wollen aber finanzstarke Eigentümer keinen zusätzlichen Kredit. Dann bleibt häufig nur, dass jeder selbst zusieht, wie er seinen Anteil beisteuert.
Können Vermieter die Kosten auf ihre Mieter umlegen?
Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Modernisierung im Sinne des Mietrechts. Hat der Vermieter mitgezahlt, kann er seinen Beitrag nach den gesetzlichen Vorgaben auch umlegen.
Er könnte sich aber auch zurücklehnen, wenn ohne seine Stimme eine Mehrheit dafür ist, nicht zahlen, und seine Mieter profitieren von der günstigen Wärme?
Ja, aber das ist nicht im Sinne der Solidarität des WEG und des Klimaschutzes.
Also haben engagierte Miteigentümer kaum eine Chance, mit so einer Idee durchzukommen.
Sie sollten es zumindest gut vorbereiten, auch in Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Und sie sollten vorab die Stimmung sondieren. Am Besten ist es, ein hohes Quorum auf der Eigentümerversammlung zu erzielen. Nur so vermeiden sie eventuelle jahrelange juristische Auseinandersetzungen. Denn es gibt noch keine Rechtsprechung dazu.
Das Gespräch führte Jochen Bettzieche.
Schwerpunkt Elektrisch Heizen im Bestand
Wärmepumpen- oder Infrarotheizungen für Neubauten sind schon beinahe Standard. Doch wenn man die Energiewende voran bringen will oder die alten Gasheizungen in Bestandshäusern kaputt gehen, was macht man dann? Für Bestands-Einfamilienhäuser gibt es bereits etliche Beispiele, doch für Bestands-Mehrfamilienhäuser sind die Herausforderungen noch groß.
Wir haben uns in der pv magazine Augabe November 2021 den Stand der Entwicklung angesehen (Premium Content):
- Welche Möglichkeiten gibt es derzeit bei Bestands-Mehrfamilienhäusern mit Photovoltaik und Wärmepumpen und was sind die Alternativen?
- Mit Wärmepumpe und Solarstrom in vier Wochen saniert
- Ein Blockheizkraftwerk kann Zeit erkaufen
- Wärmepumpen schaffen zwar mittlerweile hohe Vorlauftemperaturen, mit denen sie die meisten Heizanlagen in Altbauten ausreichend bedienen
- Wann ist eine Infrarotheizung sinnvoll?
In der pv magazine Ausgabe November 2020 finden Sie dazu:
- 20 Jahre altes Einfamilienhaus mit neuer Photovoltaik-Indachanlage und Luftwärmepumpe
- FAQ: Wärmepumpe im Bestand
- Wer erlaubt es, eigenen Solarstrom und gleichzeitig den günstigen Nebentarif zu nutzen?
- Schluss mit Gasheizungen im Bestand
- Wärmepumpe im Generationenwohnpark
-> Zum Abo/zur Einzelheftbestellung
Wenn Sie den Code „Abo10“ eingeben, erhalten Sie einen Rabatt von zehn Prozent auf ihre Bestellung. Mit einem Abonnement kann man auch auf die älteren Ausgaben im Archiv zugreifen.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.