Das Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner (sbp sonne) hat seit Mitte Oktober einen 50-Kilowatt-Prototyp seines Floating-Photovoltaik-Systems in Ungarn im Wasser. Das System besteht nicht aus kleinen Plastikschwimmkörpern, die miteinander verbunden werden, sondern aus 40 Meter langen und 80 Zentimeter dicken Membranschläuchen, die erst bei der Installation vor Ort aufgeblasen werden. Das bietet gleich eine ganze Reihe an Vorteilen gegenüber anderen Systemen, so die Ingenieure von sbp.
Bei der Konstruktion werden je zwei Röhren mit einer Länge parallel zueinander aufgeblasen. Dazwischen wird ein Stahlgestell mit 4,5 Metern Breite befestigt, an dem die Module aufgebracht werden. Über die Länge der Röhre können 24 Module angebracht werden. Anders als bei dem Prototyp, bei dem nur 4 Röhrenpaare verbaut wurden, sollen 25 Röhrenpaare zu einer Insel verbunden werden. Zwei solcher Inseln nebeneinander bilden dann einen Block von einem Megawatt Leistung, bei dem die Leistungselektronik mit an Bord ist. Die Dimensionen eines Ein-Megawatt-Blocks lägen bei 80 Meter in der Länge und bis zu 108 Metern in der Breite. Auf einer Hälfte eines solchen Blocks würden 2708 Quadratmeter Modulfläche auf 4320 Quadratmeter Bruttofläche kommen. Das entspricht einem Flächennutzungsfaktur von rund 63 Prozent.
Markus Balz, Geschäftsführer des Büros sbp Sonne sagt im Gespräch mit pv magazine, man habe das erste für bifaziale Module optimierte Floating-System entworfen. Denn unterhalb des Stahlgestells wird eine helle Membranschicht mit einem Albedo-Wert von über 0,6 gespannt. Das bedeutet, dass 60 Prozent des Lichts von der Membran reflektiert werden. Zum Vergleich: 0,8 entspricht in etwa dem Albedo-Wert von frisch gefallenem Schnee. Wasseroberflächen haben in der Regel einen Albedo-Wert von 0,1 und eignen sich somit eigentlich gar nicht für den Gebrauch von bifazialen Modulen. Damit die Membran auch mit genügend direktem Sonnenlicht beschienen wird, hat sbp Sonne die Abstände zwischen den Modulen in einem optimalen Verhältnis von 50 Millimetern gewählt. „Wir mussten den Modulen etwas Abstand geben, damit sie bei schlechtem Wetter nicht miteinander kollidieren“, erklärt Balz. „Da haben wir den Abstand zwischen den Modulen gleich für den Nutzen mit bifazialen Modulen optimiert.“
Einfacher Transport
Auch der Transport lässt sich durch das aufblasbare System verbessern. Die Logistik ist bei Schwimmkörpern aus Plastikguss recht teuer, da diese viel Platz einnehmen. Die aufblasbaren Röhren hingegen können zusammengefaltet werden. So lässt sich in einem Schiffscontainer Floating Photovoltaik-Konstruktionsmaterial für die dreifache Kapazität wie bei einem herkömmlichen System transportieren. Die Röhren sollen zudem besseren Schutz vor Wellen und Wind bieten. Wegen der länglichen Form können die Röhren sich der Wellenform teilweise anpassen und so einen Teil der Bewegungen kompensieren. Außerdem bietet diese Rumpfform weniger Angriffsfläche als kleinteilige rechteckige Systeme, sodass die Verankerungen und Abspannungen etwas kleiner dimensioniert werden können.
Sei das Gewässer ruhig, werden nur wenige Millibar in die Röhren gepumpt. Da diese sehr groß sind, würden sie für Menschen trotzdem bretthart erscheinen. Wenn die Kräfte der Natur deutlich spürbarer werden und der Wind anzieht, können die Röhren über integrierte Pumpen auf höhere Drücke aufgeblasen werden. Der erhöhte Druck führe aber zu einer sehr hohen Steifigkeit des Systems. „Ähnlich wie beim Tracker wollen wir auch beim Floatingsystem die Steifigkeit erhöhen, wenn die Windlasten größer werden“, erklärt Markus Balz. Dadurch, dass der Druck in den Röhren adaptiv ist, kann das Material geschont werden, wenn das Wetter keine besonders hohe Steifigkeit verlangt.
Wie ein Kugelfisch
Eine Wetterstation an Bord des Systems überwacht die Windgeschwindigkeit und Wellenbewegung und kann so autonom entscheiden, ob die Röhren aufgeblasen werden sollen. Da sich das System bei Gefahr selbst aufbläst und der Prototyp in der Nähe des Geländes des Membranherstellers in Ungarn errichtet wurde, taufte sbp Sonne ihr System „Gömbhal“ – ungarisch für Kugelfisch.
Sollte an einer der Röhren mal die Luft entweichen, wären die Röhren zunächst durch die benachbarte Parallelröhre geschützt. Sollte wirklich die komplette Luft aus einer Doppelröhre entweichen, wäre die Anlage dennoch schwimmfähig, so Balz. An der 50-Kilowatt-Pilotanlage in Ungarn habe man auch schon die Luft aus einer der Röhren gelassen, um diese zu tauschen, während die Anlage auf dem Wasser schwimmt. Der Test habe fehlerfrei funktioniert, so der Geschäftsführer.
Über das nächste Jahr hinweg wollen die Ingenieure Daten sammeln. Dafür wurde allerhand Sensorik an dem System befestigt. So soll festgestellt werden, ob die Annahmen zur erhöhten Bifazialität auch den Realbedingungen entsprechen. Über die statischen Eigenschaften der Anlage sind sich die Ingenieure bei sbp jetzt schon sicher und sagen, dass einem kommerziellen Vertrieb dieser Systeme nichts im Wege steht. Dafür sei man auch schon mit den ersten Projektentwicklern und EPC-Unternehmen im Gespräch, ist aber auch weiter offen für weitere Interessenten, so Balz.
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Ein Punkt ist mir nicht klar: Wie werden die weissen Membranen gereinigt? Algen und vor allem Vogelkot können die Membranen auch chemisch angreifen. Ein Problem könnte sich bei Muschelansatz stellen, da die Mebran flexibel ist und scharfe Teile die Membran zerstechen könnten.
Hallo Herr Stöckl,
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Die eingesetzten Membranmaterialen setzten wir seit langer Zeit in Ingenieurbauwerken weltweit ein – Lebensdauer, Selbstreinigung etc. sind nach Jahren der Entwicklung mittlerweile kein Thema mehr. Bisher verfolgen wir den Einsatz im Süßwasser (ohne Muschelansatz).