EWE/Tennet: Mit „agentenbasierten“ Algorithmen Reserven von Gewerbespeichern für Engpassmanagement nutzen

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Obwohl sie es könnten, stellen aktuell nur wenige Betreiber von Batteriespeichern dem Netzbetreiber einen Teil der Kapazität ihres Speichers als Flexibilität zur Verfügung. Nicht weil sie es partout nicht wollen, sondern weil es sich bisher nur schwer mit dem eigentlichen Nutzen und dem wirtschaftlichen Betrieb der Anlage vereinbaren ließ. Wer zum Beispiel einen Speicher zum Peak-Shaving installiert, muss sicher sein, dass der Speicher auch im richtigen Moment die Lastspitzen hinreichend kappen kann und nicht die nötigen Reserven für Systemdienstleistungen verbraucht werden. Genau da setzt jetzt ein Pilotprojekt des Übertragungsnetzbetreibers Tennet und der auf Batteriespeicher spezialisierten EWE-Tochter, be.storaged GmbH, an.

Ein sogenanntes agentenbasiertes System soll die Flexibilitätspotenziale von Batteriespeichern ermitteln und auf einer Plattform so aggregieren, dass sie für den Netzbetreiber sinnvoll eingesetzt werden können. Bisher werden Speicher für bestimmte Zwecke wie die Eigenverbrauchserhöhung des eigenen Solarstroms oder zur Lastspitzenkappung eingesetzt. Um den Primärnutzen nicht zu unterwandern, hat die EWE-Tochter gemeinsam mit dem Oldenburger OFFIS Institut für Informatik ein agentenbasiertes Energiemanagementsystem entwickelt, dass den Primärnutzen jedes Speichers berücksichtigen kann. Bei agentenbasierten Systemen werden künstliche Intelligenzen verteilt und durch kollaboratives Verhalten zu einem Schwarm gekoppelt.

„Im Falle der Funktion des Schwarmspeichers sieht das so aus, dass wir zunächst die lokale Optimierung für den jeweiligen Standort in Form von Nutzung unterschiedlichster Datenströme durchführen und hierbei kontinuierlich sehr flexibel auf die Änderung von äußeren Umwelteinflüssen reagieren können“, teilte der Geschäftsführer von be.storaged, Hendrik Brockmeyer, auf Anfrage von pv magazine mit. „Dieses lokale Ergebnis wird fortlaufend überprüft, da hieraus resultierend mögliche Flexibilitätspotenziale lang-, mittel- bis sehr kurzfristig bestimmt werden können. Alle diese Aufgaben übernimmt jeder dezentrale Agent weitestgehend autonom und individuell für seinen Kunden und wird hierbei fortlaufend besser.“

Bereits im Oktober startete die Kooperation, bei der be.storaged die Schnittstellen für ein Speicher-Portfolio entwickelte, um sie in der unternehmenseigenen Equigy Crowd Balancing Plattform, von der aus Tennet die Potenziale einfach abrufen kann, einzubinden. Dabei handelt es sich zunächst um ein Portfolio von fünf Batteriespeichern mit knapp 30 Megawattstunden Kapazität.

„Diese Kapazität verteilt sich auf den Hybrid-Großspeicher Varel, zwei Gewerbe- beziehungsweise Industriekundenspeicher, einen Vorladespeicher für Schnellladeinfrastruktur sowie einen weiteren netzgekoppelten Batteriespeicher in Oldenburg“, sagt Brockmeyer. „Der Fokus liegt anfangs auf Vorlade-, Gewerbe- und Industriespeicher sowie Batteriespeichern, die bisher zur Erbringung von Regelleistung beziehungsweise dem Handel am Intradaymarkt der EPEX Spot im Multi-Use eingesetzt werden.“ Das Portfolio besteht zum Teil aus unternehmenseigenen Speichern, aber auch einigen Kundenanlagen, die nicht zuletzt über Vorteile bei der Optimierung der Strombeschaffung zu Teilnahme am Projekt motiviert wurden. Aktuell sucht be.storage noch weitere Teilnehmer aus dem Segment der Gewerbe und Industriespeicher.

Grundsätzlich könnten alle Arten von Flexibilität daran teilnehmen. Die EWE-Tochter befindet sich eigenen Angaben zufolge bereits in Gesprächen mit Firmen, die Druckluftspeicher oder auch Elektrolyseure in die Plattform einbinden wollen. Auch Ladeinfrastruktur und Vehicle-2-Grid-Anwendungen können in das System integriert werden. Dazu sei die Installation proprietärer Hardware notwendig, doch die Kosten dafür würden im Pilotprojekts erst mal von be.storaged übernommen.

Betreiber von Anlagen, die in die Plattform eingebunden werden, gehen nicht leer aus, wobei sich die genaue Höhe der Erlöse vorher nicht festlegen lässt. „Wir werden unseren Kunden nur dann zur Bereitstellung von Flexibilitäten dauerhaft motivieren können, wenn dieser Prozess zumindest nicht zum Widerspruch seiner technischen oder wirtschaftlichen Optimierungsziele steht,“ so der Geschäftsführer. Dafür würden die lokalen Agenten aus den kundenspezifischen Parametern individuelle Kostenfunktionen erstellen, die die wirtschaftliche Effizienz von Flexibilität bestimmen können. „Neben der Nutzung der Flexibilität an der Equigy Plattform ermöglichen wir unseren Teilnehmern zusätzlich auch, von möglichen Optimierungen am Day Ahead und Intraday Markt zu partizipieren beziehungsweise ihre Flexibilität über den Ausgleich von Prognosefehlern in Echtzeit zu monetarisieren“, fügt Brockmeyer hinzu.

Erstes Ziel des Pilotprojektes ist es, unter Beweis zu stellen, dass die Equigy Crowd Balancing Plattform in das Engpassmanagementsystem eines Netzbetreibers eingebunden werden kann. Zum einen werde dabei die Robustheit und Resilienz eines dezentralen Konzepts untersucht, zum anderem werde man auch die Unterschiede hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Effizienz eines solchen Systems beurteilen. Das Pilotprojekt hat zunächst kein Enddatum. Stattdessen, soll die Plattform weiterentwickelt und neue Flexibilitätsprodukte hinzugefügt werden. Dafür braucht es schlussendlich aber auch die Politik. „Zuletzt gibt es sicher im Bereich der Regulatorik noch einiges zu tun, um solche Flexibilitätskonzepte diskriminierungsfrei allen potenziellen Flexibilitätsanbietern zugänglich zu machen,“ sagt Geschäftsführer Brockmeyer.

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