Das Europäische Klimagesetz sieht bis 2050 verbindlich die Klimaneutralität der EU vor. Als Zwischenschritt hat sich die EU verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Aurora Energy Research hat im Auftrag der European Climate Foundation analysiert, was die Anpassung des Erneuerbaren-Zubaus an dieses Fit-for-55-Paket für die Entwicklung des CO2-Preises und der Stromkosten bis 2030 bedeutet. Ergebnis: Im Vergleich zu heute würde in Deutschland der CO2-Preis stabil bleiben und der Großhandelspreis um 14 Prozent sinken. Und da sich in dem Fall zudem der Bedarf an Erdgas für den Stromsektor verringere, werde geopolitischen Abhängigkeiten sowie einem weiteren Preisrisiko bei Strom entgegengewirkt.
Bleibt der Zubau von Photovoltaik und Windenergie jedoch so schleppend wie ohne das Fit-for-55-Paket, zeichnen die Analysten ein eher düsteres Bild. In dem Fall würde der CO2-Preis bis 2030 um 80 Prozent steigen, die Stromkosten würden um 31 Prozent zulegen – und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie wäre wegen der erhöhten Preise gefährdet.
Eine Garantie für diese Wettbewerbsfähigkeit ist Autora zufolge aber auch das Fit-for-55-Paket nicht. Die Klimaziele des Pakets sollen zum großen Teil im Strom- und Industriesektor über den europaweiten Emissionsrechtehandel ETS erreicht werden. „Indem die Zahl der CO2-Zertifikate zurückgefahren wird, ergibt sich die angepeilte Emissionsreduktion automatisch“, so Studienleiter Casimir Lorenz. Aber: „Je nachdem, wie sich der Energiemix entwickelt, können sowohl der CO2-Preis als auch die Großhandelsstrompreise sehr unterschiedlich ausfallen – und diese beiden sind für die Unternehmen entscheidend.“
Aurora hat für die Analyse ein Modell entwickelt, das die Entwicklung in den Sektoren Strom und Industrie auf Grundlage sinkender Emissionsbudgets und weiterer Maßnahmen wie der Förderung von erneuerbaren Energien oder Carbon-Contracts-for-Difference simuliert. Die Studie betrachtet zwei Szenarien. In dem pessimistischen Szenario schaffen es die europäischen Länder nicht, die bestehenden Hürden für den Erneuerbaren-Ausbau wie fehlende Flächen, rigide Abstandsregeln oder lange Genehmigungsverfahren zu beseitigen. Als Folge wird angesichts des Kohleausstiegs und des steigenden Energiebedarfs mehr Strom aus Gaskraftwerken gebraucht, so dass insgesamt mehr fossile Energien im Stromerzeugungssystem sind – mit den entsprechenden Folgen für die Preise. Im zweiten Szenario nehmen die Studienautoren an, dass die Staaten ihre Ausbauziele für die Erneuerbaren an die Fit-for-55-Ziele anpassen und die bestehenden Hürden beseitigen.
In beiden Szenarien spielt übrigens der Anteil der Kohlekraftwerke an der Stromerzeugung eine zentrale Rolle. Lorenz weist darauf hin, dass ein möglichst schneller Ausstieg aus der Kohle sichergestellt werden muss, damit die CO2- und Großhandelsstrompreise nicht unnötig ansteigen. Das aktuell diskutierte Ausstiegsszenario der polnischen Regierung beispielsweise würde den CO2-Preis im pessimistischen Szenario um weitere 20 Prozent auf dann mehr als doppelt so hohe Werte wie Mitte 2021 erhöhen – mit erheblichen Folgen für die Strompreise auch in den anderen EU-Ländern.
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