IEA „Net Zero 2050“-Plan für COP 26: Photovoltaik und Windkraft werden weltgrößte Energiequellen

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Der diesjährige World Energy Outlook (WEO) der Internationalen Energieagentur IEA ist komplett auf die Klimaziele ausgerichtet. Bereits der um einen Monat vorgezogene Termin der Vorstellung auf Mitte Oktober war so gewählt, dass die „World Leaders“ genügend Zeit haben noch vor der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow die Inhalte zu goutieren – und zu verstehen.

Zentrum des WEO ist die „Net Zero 2050 Roadmap“, mit welchem das 1,5 Grad Ziel erreichbar ist. Mit den Analysen des World Energy Outlook hielt IEA-Direktor Fatih Birol der Welt den Spiegel vor: Wo stehen wir bezogen auf die Klimaziele? Was wurde seit dem Paris-Agreement erreicht? Was wäre nötig zu tun, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen? Dafür wurde das Szenarien-Modell des World Energie Outlook neu aufgestellt. Das Team um seine Energiemodelliererin Laura Cozzi und den Chief Economist Glen Gould analysierte die Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgase, welche bereits getätigt oder zugesagt wurden und modellierte die Emissionsreduktionen. Und es zeigt auch auf, was tatsächlich zu tun wäre. Dabei ergaben sich vier Hauptszenarien:

  • STEPS: Stated Policies

Stand der heutigen Regierungsprogramme und Ziele der Staaten zum Klimaschutz.

Heutiger Stand der in Gesetze gefassten Maßnahmen. Leider sind auch diese oft noch nicht tatsächlich umgesetzt beziehungsweise wurden häufig verwässert und verfehlt. Ein Beispiel dafür wäre das Deutsche Gebäudeenergiegesetz (GEG), welches wegen Lobbying der Bauwirtschaft auf schärfere Effizienzvorgaben verzichtet hat und so EU-Recht wie die EU „Energy Performance of Buildings Directive“ (= stated policy: „Nearly Zero Energy Buildings“ / Sanierungsquote für Bundesgebäude 3 Prozent jährlich in der EU) nicht umsetzt.

  • APS: Announced Pledges Scenario

Dieses Szenario modelliert, welche Veränderungen sich in Energieversorgung und bei Emissionen durch die für Glasgow neu zugesagten Klimaziele der Staaten ergeben. Hier ist zum Beispiel bereits das neue EU-Klimagesetz vom Sommer 2021 und das „Fit for 55“-Paket der EU als vollständig umgesetzt eingerechnet. Davon sind die EU-Staaten jedoch noch meilenweit entfernt. Für Deutschland bedeutet das etwa eine 50-prozentige Treibhausgas-Reduktion gegenüber dem Jahr 2005.

  • SDS: Sustainable Development Scenario

Dieses Szenario wurde als Zielszenario durch das Net Zero Szenario abgelöst, da es das 1,5 Grad Ziel nicht erreicht.

  • NZE: Net Zero Emissions by 2050 Scenario

Erstmals hat die IEA bereits im Mai 2021 ein Szenario vorgestellt, welches aufzeigt, wie das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden kann. In über 400 Maßnahmen wird schrittweise beschrieben, was zu tun ist. Windkraft und Photovoltaik werden die größten Energiequellen bis 2050.

Dieses Szenario spielt die zentrale Rolle als Lösungsweg, welchen die IEA den Staats- und Regierungschefs bei den Klimaverhandlungen COP 26 Ende Oktober ans Herz legt und ist Grundlage für die Empfehlungen im WEO 2021:

https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050

Wo stehen wir also heute?

Der eine Teil der Welt bemüht sich gerade die „Stated Policies“, welche im „STEPS“-Szenario modelliert wurden, umzusetzen. Der andere Teil der Welt bestehend aus insbesondere diversen Industrielobbies versucht, auch diese Bemühungen zu hintertreiben.

Im Ergebnis erleben wir in den Jahren 2019/2021 einen Höchststand der Treibhausgasemissionen, wie der Weltklimarat IPCC warnt. Im Jahr 2021 erlebt die Weltwirtschaft eine „not sustainable“ Erholung von der Corona-Krise mit einem Wirtschaftswachstum von prognostizierten knapp sechs Prozent. Dieses heutige Wirtschaftswachstum ist noch immer an ein Wachstum des fossilen Energieverbrauches gekoppelt.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Weltenergieversorgung ist seit dem Klimaabkommen von Kyoto 1990 weltweit zurückgegangen, da die fossilen Energien stärker gewachsen sind als die erneuerbaren Energien. Mit den aktuellen „Stated Policies“ aus dem STEPS-Szenario bewegen sich die Treibhausgasemissionen bestenfalls horizontal.

Doch selbst die „Announced Pledges“ aus dem APS-Szenario führen die Welt in eine Welt mit mindestens 2,1 Grad-Erwärmung. Bis zum Jahr 2030 reduzieren auch die bisher für die Weltklimakonferenz in Glasgow eingebrachten Vorschläge der Staaten, welche im „APS Announced Pledges Szenario“ modelliert sind nicht einmal 20 Prozent der bis zum Jahr 2030 erforderlichen Treibhausgasemissionen, um die Welt bei einer Klimaerwärmung von „nur“ 1,5 Grad zu halten.

Das Zielszenario der IEA: „Net Zero 2050“:

Um klarer zu machen, wie der Weg zum Erreichen des 1,5 Grad-Zieles aussieht, hat die IEA erstmal ein komplettes Szenario „Net Zero 2050“ (abgekürzt „NZE“) vorgelegt inklusive einer Roadmap mit 400 Einzelschritten: Im Jahr 2050 sollen so „netto“ keine Treibhausgase mehr im Energiesektor ausgestoßen werden.

IEA „Net Zero 2050“ Roadmap im World Energy Outlook als ”NZE” bezeichnet

Grafik: IEA

Die wichtigsten Maßnahmen aus dem „Net Zero 2050“-Szenario:

  • 2021: keine neuen Öl- oder Gasexplorationen mehr, keine neuen Kohleminen oder deren Erweiterung
  • 2030: 60 Prozent allerverkauften Autos mit Elektroantrieb
  • 2030: 1020 Gigawatt jährlicher Zubau von Photovoltaik und Windanlagen
  • 2035: Net Zero Carbon Emissionen im Elektrizitätssektor in allen „advanced economies”, also mindestens in allen OECD-Ländern
  • 2040: Treibhausgasfreier Elektrizitätssektor weltweit
  • 2040: 50 Prozent aller Gebäude saniert auf Nullenergiestandard
  • 2050: 70 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen
  • 2050: Nettonull-Treibhausgasemissionen, auch durch „Carbon Capture and Usage“ aus den verbliebenen etwa 22 Prozent fossilen Energien

Der Energiemix im „Net Zero 2050“-Szenario:

Bis zum Jahr 2050 wird Solarenergie – mittels Photovoltaik- und Solarthermieanlagen – die bedeutendste einzelne Energiequelle der Welt. Rund 70 Prozent der Energie wird aus erneuerbare Energien bereitgestellt, rund 10 Prozent aus Atomkraft und es verbleibt noch ein Rest von rund 20 Prozent fossilen Energien, welche teils mit Carbon Capture und Usage betrieben werden sollen. Kohle verschwindet fast ganz aus dem Energiemix.

Der Welt-Energiemix zum Erreichen der Ziele von „Net Zero 2050

Grafik: IEA

Peak fossiler Energien im Jahr 2025 im Net Zero 2050-Szenario (NZE):

Fossile Energien erleben einen beispiellosen Absturz im NZE „Net Zero 2050“-Szenario. Erstmals spricht die IEA davon, dass sogar in allen Szenarien der Ölbedarf ab 2025 sinkt. Bei der Vorstellung des World Energy Outlook 2021 Mitte Oktober in Paris sagte der Direktor „Fatih Birol“: „Die Ölförderung ist in line mit dem 1,5 Grad Ziel“, also dem NZE-Szenario, dem „Net Zero 2050“. In diesem Szenario stürzen die fossilen Energien ab 2025 nahezu senkrecht ab.

WEO 2021: Fossile Energien stürzen ab: Entwicklung der Energieträger in den Szenarien

Grafik: IEA

Seit seiner Ernennung als Direktor baute Birol die IEA um und erweiterte das Mandat vom ursprünglichen – der Sicherung der Öl- und Gasversorgung der OECD-Länder nach der Ölpreiskrise – zur allgemeinen Sicherung der Energieversorgung. Dass ab sofort keine neuen Öl- und Gasfelder mehr exploriert werden sollten – ebenso wenig wie Kohle – bedeutet, dass der Kapitän nun ruft: „Erneuerbare übernehmen bitte! Fossile abtreten!“. In Verbindung mit der Warnung vor „stranded investments“ im fossilen Sektor wird hier nichts weniger als eine Energierevolution losgetreten.

Und auch der Ölkonzern Total sieht es in seinem Energy Outlook vom September 2021 ähnlich: Photovoltaik und Windkraft werden bis 2050 die Hauptenergiequellen der Welt, Öl sinkt recht rasch ab, wenn auch etwas langsamer als bei der IEA. Der Hauptunterschied der Szenarien ist, dass Total den Gasverbrauch gegenüber heute sogar noch wachsen lässt.

Total Energie’s Energy Outlook 2021: Öl nimmt rasch ab, erneuerbare übernehmen

Grafik: Total

Elektrizität erreicht im NZE etwa 50 Prozent des Energieverbrauches

Eine maßgebliche Rolle beim Umschwenken auf mehr erneuerbare Energien spielt die Elektrizität, sie wächst auf 50 Prozent des globalen Endenergieverbrauches. Öl, Gas und Kohle spielen hier keine Rolle mehr, Windkraft und Photovoltaik übernehmen.

Entwicklung des globalen Endenergieverbrauches im „Net Zero 2050“-Szenario

Grafik: IEA

Photovoltaik liefert rund ein Drittel der Stromversorgung

Insgesamt verdreifacht sich der Elektrizitätssektor zwischen 2010 und 2050. Photovoltaik wird zusammen mit Windkraft zur wichtigsten Energiequelle.

Entsprechend groß sind auch die Zuwächse, Solarstrom aus Photovoltaik soll bereits im Jahr 2030 global rund 6000 Terrawattstunden mehr Strom liefern als im Jahr 2020.

WEO 2021: Entwicklung des Energiemixes in den verschiedenen Szenarien

Grafik: IEA

WEO 2021: im Jahr 2030 müsste Photovoltaik rund 6000 Terrawattstunden mehr produzieren als heute

Grafik: IEA

Ab dem Jahr 2030 müssten laut IEA jährlich global mehr als 1000 Gigawatt Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen zugebaut werden um „Net Zero 2050“ zu erreichen. Der größte „implemetation gap“ sei dabei in den entwickelten Industrienationen wie den USA, Kanada, Australien und Europa.

IEA „Net Zero 2050“-Szenario: ab dem Jahr 2030 müssen jährlich 630 Gigawatt Photovoltaikanlagen zugebaut werden, rund fünf mal so viele wie im Jahr 2020

Grafik: IEA

Ab dem Jahr 2030 fordert die IEA im „Net Zero 2050-Szenario“ jährliche Zuwächse an Photovoltaik-Anlagen von 630 Gigawatt, um die Klimaziele zu erreichen. Das ist knapp fünfmal so viel, wie im Jahr 2020 zugebaut wurde. Explizit ruft die IEA im WEO 2021 dazu auf, die Erneuerbaren wesentlich stärker auszubauen als bislang geplant, um die Energiemärkte zu stabilisieren, die fossilen Energien zu ersetzen und so die Preise für Verbraucher niedrig zu halten – auch um einen reibungslosen Übergang weg von den Fossilen zu ermöglichen.

Ein weiterer wichtiger Baustein beim beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Erhöhung der Flexibilität des Energiesystems. Bis 2030 sollten rund 30 Prozent des Elektrizitätsbedarfes gespeichert, verlagert oder flexibel abgerufen werden können.

WEO 2021: Ausbau von Flexibilitätsoptionen auf rund 25 Prozent des Verbrauches in Europa

Grafik: IEA

Im Vergleich zu anderen Szenarien zur Treibhausgasneutralen Energieversorgung macht die IEA nun klar, dass sie einen sehr modernen Ansatz gewählt haben, bei welchem Solarenergie und Windkraft die Hauptrolle spielen und Bioenergie sowie „CCUS – Carbon Capture and Use“ im Vergleich zu anderen Szenarien zurückhaltend genutzt werden. Eine wichtige Rolle kommt hingegen Wasserstoff zu.

IEA „Net Zero 2050“-Szenario: Vergleich der Maßnahmen verschiedener globaler Studien zur Erreichung des 1,5 Grad-Zieles

Grafik: IEA

Der Anteil von Wind- und Solarstrom variiert innerhalb der vom IPCC betrachteten Szenarien sehr erheblich zwischen nur 25  und rund 80 Prozent.

Autorin: Astrid Schneider, Solar Architecture, www.astrid-schneider.de

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