Riesige Windfall-Profits bei größeren Wind- und Photovoltaik-Anlagen

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Im Podcast „Lets Talk Change“ habe ich die Bemerkung fallenlassen, dass neue Wind- und Photovoltaik-Anlagen die Billigmacher der Energiewende seien. Angesichts ihrer sehr niedrigen Stromerzeugungskosten ist das auch grundsätzlich richtig. Derzeit aber stimmt es nicht, denn der billige Strom kommt gar nicht an den Steckdosen an. Stattdessen dürften bei den Betreibern insbesondere jüngerer Wind- und Photovoltaik-Anlagen derzeit die Geldspeicher überlaufen – und das liegt an der CDU.

 

Auf Drängen insbesondere ihres inzwischen über eine Korruptionsaffäre gefallenen Energieexperten Joachim Pfeiffers und des bis vor kurzem für Energie im Bundeswirtschaftsministerium zuständigen Staatssekretärs Thomas Bareiß wurde 2014 die sogenannte Direktvermarktung von Strom von neuen Wind- und Solarstromanlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung verpflichtend. Das bedeutet: Wer Strom produziert, soll sich selbst oder über einen Dienstleister um dessen Vermarktung kümmern, etwa an der Strombörse. Die Preissignale des Marktes sollten wiederum für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgen – zum Beispiel dadurch, dass Photovoltaik-Anlagen so gebaut wurden, dass sie Strom eher vormittags oder nachmittags liefern, wenn Strom knapper und die Preise insgesamt höher sind als zur Mittagszeit.

 

Das war gegen die fixe Einspeisevergütung des ursprünglichen EEG gerichtet, die darin vom Bundestag festgelegt worden war und die als geradezu sozialistisch galt. Und tatsächlich hing die Höhe der Einspeisevergütung maßgeblich vom Geschick einiger Lobbyisten ab, ihre Festlegung war alles andere als ein transparentes Verfahren. Preissignale, an denen sich Erneuerbaren-Stromerzeuger hätten orientieren können, gab es ebenfalls nicht, auch das war ein Nachteil.

 

So weit, so einleuchtend. Allerdings gingen die Marktapologeten von der Prämisse aus, dass die Produktion von Strom aus erneuerbare Energien dauerhaft immer teurer sein würde als Strom an der Börse. Um diese Differenz auszugleichen, führten sie die so genannte Marktprämie ein. In Summe entsprachen Marktprämie und Marktpreis in etwa der Einspeisevergütung, die vor der Direktvermarktungspflicht galt. Höhere Erlöse konnten Windkraft- und Photovoltaik-Anlagenbetreiber nur erzielen, indem sie zu lukrativere Zeiten Strom produzierten als der Durchschnitt, denn der Marktwert wird monatsweise für Windkraft und Solartstrom separat errechnet, die Strompreise aber variieren je nach Angebot und Nachfrage stündlich. Auch gegen diesen Mechanismus ist nichts zu sagen, er hat dazu geführt, dass heute viele Solarstromanlagen nach Osten und Westen ausgerichtet werden (und damit vormittags und nachmittags mehr Strom produzieren als Süd-Anlagen, dafür in der Spitze weniger).

 

Derzeit aber liegen die Strompreise an der Börse weit jenseits der Stromgestehungskosten von Wind- und Solarstrom. Die Marktwerte Wind und Solar, die von den Übertragungsnetzbetreibern monatlich gemäß EEG veröffentlicht werden, betrugen im September rund 11,7 Cent pro Kilowattstunde. Für weniger als die Hälfte, nämlich etwa 5 Cent, sind neue Solarstromanlagen im Jahr 2020 und 2021 ans Netz gegangen. Ähnlich beim Windstrom: Hier betrug der Zuschlagswert bei den letzten Ausschreibungen 6 Cent. Die Betreiber neuer Anlagen produzieren also – recht risikolos und bereits inklusive ihrer Gewinnmarge – für fünf oder sechs Cent pro Kilowattstunde, können ihren Strom aber für etwa das doppelte dieses Betrages verkaufen.

Interessant wird es dabei schon für Photovoltaik-Anlagen, die ab etwa 2016 gebaut wurden – die seinerzeitige Ausschreibung endete erstmals mit Gebotswerten von unter 9 Cent pro Kilowattstunde. Für sie wären also schon Mehrerlöse von rund 2,7 Cent möglich. Je jünger die Anlagen sind, desto höher liegen die Mehrerlöse am Strommarkt, denn seit 2016 sind die Gebotswerte kontinuierlich gesunken. Ähnliches gilt für die Windenergie, wobei hier auch Anlagen gut dastehen, die älter als 20 Jahre sind und deshalb keine EEG-Einspeisevergütung mehr erhalten. Sie benötigen etwa 3 Cent Betriebskosten und erlösen somit mehr als 8 Cent je Kilowattstunde. Eine Studie, die anhand von erwarteten Strompreisen, Stromgestehungskosten und Wettersimulationen ermittelt, wie groß die Windfall-Profits genau werden, tut dringend not, überschlagsmäßig sind es aber mehrere hundert Millionen Euro im Monat.

An dieser Stelle höre ich das Argument, dass aber Atom- und Kohlekraftwerke aktuell auch heftige Windfall-Profits ernten. Das ist erstens nur zum Teil richtig, weil deren Strom oft langfristig und zu niedrigeren Preisen verkauft wurde, Erneuerbare-Energien-Strom jedoch überwiegend am Spotmarkt einen Tag vor Lieferung vermarktet wird – zu den aktuellen hohen Börsenstrompreisen. Zweitens hat die Marktprämie das Risiko für die Betreiber von Wind- und Photovoltaik-Anlagen extrem reduziert, sie hat ähnlich wie die feste Einspeisevergütung über einen sehr langen Zeitraum gut kalkulierbare Erträge ermöglicht – und damit geringe Finanzierungskosten und eine attraktive Rendite. Das ist bei konventionellen Kraftwerken anders – viele von ihnen haben in den vergangenen Jahren Verluste eingefahren.

 

Ich meine daher, dass eine Risikobegrenzung auf der einen Seite auch mit einer Begrenzung der Gewinnchancen auf der anderen Seite einhergehen sollte. Das ist sozusagen eine Frage der Fairness. Die einseitige Ausgestaltung der Marktprämie offenbart hingegen eine weitverbreitete neoliberale Grundhaltung. Sie lautet: Verluste sozialisieren – nämlich über die Marktprämie -, Gewinne privatisieren – über die Mitnahme der Windfall-Profits. Bezahlt wird sie von den Stromverbrauchern über den Strompreis, der nächstes Jahr deutlich steigen dürfte. Dieses Problem hätte es mit der von der CDU vor knapp zehn Jahren vehement bekämpften, festen Einspeisevergütung nicht gegeben.

 

Wie es heute anders gehe könnte, hat schon 2018 eine Gruppe von Energieökonomen um Karsten Neuhoff vom DIW, Mario Ragwitz vom Fraunhofer ISI  und Silvana Tiedemann von Ecofys beschrieben: Einnahmen aus der Vermarktung von Erneuerbaren-Energien-Strom könnten den Stromkunden wieder zurückgegeben werden und auf das EEG-Konto eingezahlt werden. Das hätte im nächsten Jahr einen drastisch senkenden Effekt auf die EEG-Umlage. Das Mutterland des Marktliberalismus – England – praktiziert das über sogenannte Contracts-for-Difference seit Jahren so und fährt damit angesichts der auch dort derzeit sehr hohen Großhandelspreise für Strom deutlich besser.

 

Für die bestehenden Wind- und Photovoltaik-Anlagen ist eine Umstellung auf ein Contracts-for-Difference-Modell vermutlich nicht mehr möglich, denn sie dürften rechtlichen Bestandsschutz genießen. Für künftige Anlagengenerationen sollte die nächste Regierung aber dringend nacharbeiten, damit der billige Wind- und Solarstrom auch bei den Verbrauchern ankommt.


— Der Autor Christoph Podewils war lange für Agora Energiewende tätig und hat im September das Buch „Deutschland unter Strom – Unsere Antwort auf die Klimakrise“ veröffentlich. Es ist im Verlag C.H: Beck erschienen und zeigt auf, warum Strom aus Wind und Sonne Deutschlands günstige rund schneller Weg in die Klimazukunft ist. Auf dem gleichnamigen Blog www.deutschlandunterstrom.de schreibt Christoph Podewils regelmäßig über aktuelle Entwicklungen aus der Energiewelt. Dieser Kommentar ist dort erstmals in leicht anderer Form erschienen. —

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