Die Internationale Energieagentur IEA stellte ihren diesjährigen World Energy Outlook vor mit einem Knalleffekt: Direktor Fatih Birol forderte die Staatenlenker auf, klare Signale von der COP26 zu senden. „Investitionen in schmutzige Energien könnten verloren sein, stattdessen sollten Investitionen in saubere Energie erfolgen, um Gewinne zu erzielen.“ Er forderte zu einer weltweiten Verdreifachung der Investitionen in saubere Energien auf, um die Klimaziele zu erreichen und die Energiemärkte zu stabilisieren. Andernfalls könnte es zu ernsthaften Turbulenzen kommen. Parallel sollte in Effizienz und die Elektrifizierung des Verkehrssektors investiert werden, um den Verbrauch zu reduzieren. Die gegenwärtigen Politiken reichten aber bei weitem nicht aus, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen.
Laura Cozzi, Energie-Modelliererin der IEA erläutert: „Es besteht eine große Lücke: die bisher für die Klimakonferenz COP26 in Glasgow eingebrachten Verpflichtungen der Staaten decken bis 2030 nur rund 20 Prozent der erforderlichen Treibhausgasminderungen ab. Sollte sich das nicht ändern, steuerte die Welt auf 2,1 Grad Erwärmung zu. Insbesondere der Flugverkehr und die internationale Schifffahrt würden dazu beitragen.“
Es gebe jedoch die Möglichkeit mehr als 40 Prozent des bestehenden „Ambitionslücke“ durch wirtschaftliche oder kostenneutrale Maßnahmen abzudecken und so mehr als sechs Gigatonnen CO2-Äquivalente weltweit einzusparen, so Cozzi weiter. Wind und Solarenergie spielten hier die größte Rolle, sie seien in weiten Teilen der Welt günstiger als fossile Energien. Auch die Vermeidung von Methanemissionen hat einen bedeutenden Anteil ebenso wie größere Effizienz und Elektromobilität. Sie verstehe nicht, warum diese kosteneffizienten Maßnahmen nicht bereits umgesetzt werden. Es gebe keine ökonomischen Gründe dafür.
Wachstum der Weltwirtschaft nach Corona-Krise nicht nachhaltig
Fatih Birol ergänzt, die Weltwirtschaft wachse nun nach der Covid 19-Krise im Jahr 2021 um rund sechs Prozent, nur leider auf eine „unsustainable manner“ – also nicht nachhaltige Art und Weise. Der damit einhergehende steigende Energiebedarf müsse aber durch Erneuerbare gedeckt werden. Dafür müssten jedoch die Investitionen noch schneller steigen. Insbesondere die Schwellenländer brauchen Unterstützung dabei, da sie die größten Wachstumsraten beim Verbrauch haben. Hier brauche es bessere und funktionierende Finanzmechanismen der COP26, die bereits von den Industrieländern versprochenen 100 Milliarden US-Dollar jährlich sieht er nur als „Baseline“ an.
Und auch auf die Nachfrage von Bloomberg, ob tatsächlich nicht mehr in Öl- und Gasförderung investiert werden müsse, um die steigenden Preise fossiler Energien abzufedern, blieb er hart: Nein, denn der Öl- und Gassektor sei „in line“ mit dem 1,5 Grad-Zielszenario der IEA „Net Zero by 2050“. Tatsächlich sei es so, dass die aktuellen Öl- und Gas-Investitionen den zukünftigen Bedarf nicht abdecken könnten. Die Lösung sei aber nicht, mehr in fossile Energien zu investieren. Die „Global Energy Transition“ sei auch nicht der Grund für die aktuelle Energiekrise, sondern könnte vielmehr die Lösung sein. Es zeichne sich eine neue Energiewirtschaft ab: sauberer, sicherer, moderner, resilienter und weltweit fairer, basierend auf Elektrizität und sauberen Energietechnologien. Strom werde im Jahr 2050 rund 50 Prozent des Endenergiebedarfes abdecken können.
Tim Gould, Chief Energy Economist der IEA, erläutert: „Die Welt investiert derzeit nicht genügend, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Öl- und Gasmärkte werden stagnieren oder fallen.“ Jedoch müsse massiv mehr in erneuerbare Energie und Infrastruktur investiert werden, sagte Gould.
In der neuen Energiewelt würden bis zum Jahr 2050 rund 27 Billionen US-Dollar investiert werden und die Ölmärkte in ihrer Bedeutung ablösen.
Statt Öl würden zukünftig kritische Mineralien und Wasserstoff den Welthandel mit Energie dominieren.
Trendwende der IEA bereits im Sommer
Schon im Sommer vollzog die IEA eine Trendwende. Sie stellte ihre Roadmap „Net Zero by 2050“ vor, in der sie die Schritte zum Erreichen einer treibhausgasneutralen Energiewelt bis 2050 definierte. Auf dieses Szenario bezieht sich der World Energy Outlook als Ziel. Erster Schritt: Ab sofort (Jahr 2021) sollten keine neuen Öl-, und Gasfelder sowie Kohlevorkommen mehr erschlossen und keine Kohleminen erweitert werden.
Ab dem Jahr 2025 sollten keine fossilen Heizsysteme mehr verkauft werden. Im Jahr 2030 sollte bereits alle neuen Gebäude nahe Nullenergiegebäude sein und 60 Prozent der Autoverkäufe müssten elektrisch sein. Das jährliche Installationsvolumen für Photovoltaik- und Windenergieanlagen sollte ab dem Jahr 2030 rund 1020 Gigawatt betragen. Im Jahr 2040 sollte bereits weltweit eine treibhausneutrale Stromversorgung erreicht sein.
Der World Energy Outlook 2021 zeigt jedoch auf: Auch wenn die existierenden und für Glasgows COP26 avisierten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen, so verändern sie dennoch bereits maßgeblich die Energiemärkte. Der Öl- und Gasverbrauch würde bereits im Jahr 2025 den „Peak“ erreichen, während Photovoltaik und Windenergie bereits exponentiell wachsen und im Jahr 2030 bereits eine jährliche Zubaurate von 470 Gigawatt aufweisen werden. In wichtigen Märkten wie China und Europa würden heute bereits 20 Prozent der neu verkauften Autos elektrisch fahren.
Zum Aufheizen der derzeitigen fossilen Energiemärkte hätten drei Faktoren beigetragen, erklärt Birol abschließend. Erstens ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent nach der Covid 19-Krise, welches nicht nachhaltig gestaltet wurde und den zweitgrößten Anstieg der Emissionen seit langem mit sich bringen werde. Zweitens hätten Extremwetterereignisse die Energieversorgung gestört, seien es Trockenheit in China und Brasilien, die die Wasserkraft geschädigt hätten, ein kalter Winter oder Stürme und Überschwemmungen. Und drittens seien Instandhaltungsmaßnahmen nachgeholt worden, die wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt waren. Es sei ein Risiko von mehr und mehr Turbulenzen auf den Energiemärkten erkennbar wegen des steigenden Bedarfes.
Jedoch sei seine Botschaft nach Glasgow klar: Es sei eine massive Investitionssteigerung in saubere Energie und die Unterstützung der Schwellenländer erforderlich sowie die Inklusion der Bevölkerung bei der Umstellung. Die Marktgröße werde größer sein als der heutige Energiemarkt. Neue Investitionen in „schmutzige Energien“ seien jedoch potenziell „verlorene Investitionen“. Die Regierungen seien gefordert, in Glasgow entsprechende Signale an die Märkte zu senden und konkrete Maßnahmen zu ergreifen. (Astrid Schneider)
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