Rechnete man das Volumen der Photovoltaik-Installationen auf die Einwohnerzahl um, lägen die Niederlande in Europa wohl vorne. Dieses Jahr erwartet Rolf Heynen, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Dutch New Energy Research, im Nachbarland einen Zubau von rund vier Gigawatt. Das teilte er am Rande der Solarmesse Solar Solutions International mit, die das Schwesterunternehmen Good! Events & Media ausrichtet und die am Dienstag ihre Pforten öffnete.
Diesem jährlichen Photovoltaik-Zubau in den Niederlanden entsprächen in Deutschland etwa 19 Gigawatt, wovon wir bekanntermaßen noch weit entfernt sind, der aber für eine Klimaneutralität 2035 oder 2040 notwendig wäre. Daran sieht man dreierlei: In Bezug auf Photovoltaik-Zubau sind die Niederlande auf einem Weg, der in Deutschland halbwegs kompatibel mit der Bekämpfung des Klimawandels betrachtet würde. Zweitens zeigt der Blick über die Grenze, dass solche Mengen durchaus installiert werden können. Drittens: Der Markt in den Niederlanden läuft bisher sehr gut, was auf der Solar Solutions International für gute Stimmung sorgte und auch etliche deutsche Unternehmen wie Goldbeck, Pfalzsolar, EWS, Baywa re und Krannich anlockt, die dort gut im Geschäft sind.
Der holländische Markt ist dabei eher ein Spätzünder. Das Wachstum fand vor allem in den letzten Jahren statt. Die Gründe liegen nicht zuletzt in den Geschäftsmodellen, die seitdem lukrativ sind. Net-Metering für kleine Photovoltaik-Anlagen bei 14 bis 20 Cent pro Kilowattstunde Strompreis führen zu Amortisationszeiten von unter 6 Jahren. Die Ausschreibungen nach den „SDE+“ und „SDE++“-Programmen erlaubten bisher eine höhere Profitabilität als hierzulande (Siehe auch: https://www.pv-magazine.de/2019/03/21/sonnige-aussichten-fuer-die-niederlande/ ).
Beide Vorteile könnten sich nun zwar abschwächen, allerdings nach Ansicht etlicher Gesprächspartner ohne den Markt dramatisch zu bremsen. Ursprünglich war geplant, das Net-Metering über zehn Jahre sukzessive auslaufen zu lassen. Das wäre jedoch langsam genug, um den Markt nicht abzuwürgen, wie etwa Maarten Oostrum, Sales Manager beim Großhändler VDH Solar, sagt. Außerdem sieht es jetzt so aus, als ob das Auslaufen nochmal verschoben wird.
Dass der Markt für private Dachanlagen bei gleichbleibender ökonomischer Situation trotzdem in den letzten Jahren gewachsen ist, schiebt Oostrum auf die zunehmende Bekanntheit von Solarlösungen in der Bevölkerung und darauf, dass der Einsatz gegen den Klimawandel an Bedeutung gewinne. „Mehr und mehr Menschen sind bereit, eine Photovoltaik-Anlage zu installieren“, sagt er, wobei eine Voraussetzung die schnelle Payback-Zeit sei. Nach einer Umfrage im „Trendreport“ ist es für die Hälfte der Verbraucher entscheidend, dass diese unterhalb von sechs Jahren liege. Nur 30 Prozent der Verbraucher akzeptiere eine Zeit von mehr als acht Jahren.
Netzanschluss und Modul-Verfügbarkeit
Doch auch bei den großen Dachanlagen und den Photovoltaik-Kraftwerken zeigen sich erste Wolken am Horizont. Zum einen ist, wie in Deutschland, die Versorgungslage mit Modulen schlecht und sie sind bereits um einige Cent pro Watt teurer geworden als vor einem Jahr. Man hört allenthalben, dass Projekte unter der Hoffnung auf baldige Besserung oft verschoben werden. Ganz aktuell drangen die ersten Nachrichten zu Stromverbrauchsbegrenzungen bei chinesischen Produzenten durch. Im Zusammenspiel von CO2-Verpflichtungen von Zentralregierung und Regionen zwinge das Unternehmen, die Produktion von Modulen zu drosseln, ist an mehreren Ständen zu hören.
Zum anderen kommt das Stromnetz in manchen niederländischen Regionen an seine Kapazitätsgrenze. „Alle sind besorgt wegen des Netzanschlusses“, sagt Dan Horan, CEO von Autarco. Sein Unternehmen sei ein „Total Solution Provider“ und bietet Lösungen für EPC-Unternehmen an, die unter anderem Module, Wechselrichter und eine Monitoring- und Asset Management Plattform zu Paketen zusammenfassen. Auf Wunsch gibt es sogar eine Performance-Garantie in Zusammenarbeit mit dem Versicherer Ariel Re und Lloyd‘s of London dazu. EPC-Firmen seien froh, wenn sie das Risiko nicht selber tragen müssten. Noch seien die Marktanteile solcher Systemlösungen nicht groß. Horan sieht einen klaren Trend in diese Richtung. Auch in der Auto- und Computerindustrie hätten sich solche Lösungen durchgesetzt.
Bezüglich der Kapazitätsengpässe beim niederländischen Stromnetz erwarten die Anlagenbauer Besserung erst in einigen Jahren. Der EPC-Anbieter Goldbeck Solar, der 2021 in den Niederlanden Photovoltaik-Anlagen mit insgesamt 235 Megawatt installierte, hat daher die Kraftwerke in Stadskanaal und Buinerveen mit zusammen 146 Megawatt Leistung, an die Hochspannungsleitung angeschlossen, wo es keine Engpässe gibt.
Goldbecks Head of Solar Netherland, Tobias Friedrich, weist auf eine weitere Besonderheit hin. In den Niederlanden entstehen sehr große Dachanlagen. Goldbeck realisiert gerade eine solche mit 25 Megawatt Leistung in Maasvlakte. Sie besteht aus zehn kleineren Einheiten auf nebeneinander liegenden Dächern. Insgesamt sei ein Trend weg von den 100 Megawatt-Projekten, von denen Goldbeck Solar eine Reihe installierte, zu kleineren Anlagen zu erkennen. Es werde schwerer, Flächen für die sehr großen Anlagen zu finden.
Die Solar Solutions International, die am Donnerstag zu Ende geht, ist eine der ersten Veranstaltungen in Europa seit Beginn der Corona-Krise. Nach Aussage von Rolf Heynen haben sich 10 bis 15 Prozent mehr Teilnehmer registriert als für die letzte Solar Solutions 2019. Befragt nach ihrer Erfahrung geben etliche der Teilnehmer an, dass es zunächst nicht so viel neue Kontakte gegeben habe. Das Wiedersehen mit bestehenden Kontakten nach eineinhalb Jahren Pause nimmt viel Zeit ein und wäre auch sehr wertvoll. Die nächste Solar Solutions wird bereits wieder im März 2022 stattfinden.
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Man muss den ganzen Artikel lesen, sonst entgeht einem das wichtigste: Nachdem es am Anfang heißt, Deutschland solle sich doch mal ein Vorbild nehmen an dem Pro-Kopf-Zubau, den die Niederlande dieses Jahr voraussichtlich erreichen, kommt der Haken erst sehr viel später: Mit dem Netzanschluss wird es wegen Überlastung vielerorts schwierig. Aber je früher man an die Grenzen stößt, desto früher werden auch die Maßnahmen in Angriff genommen, um sie nach oben zu schieben. Unsere scheidende Regierung sah ihre Aufgabe nur darin, möglichst wenig ändern zu müssen, und bremste den Ausbau deshalb, wo sie konnte. Seien wir gespannt, was die kommende Regierung schafft, ob sie mehr Mut zur „Operation am offenen Herzen“ (Altmaier) aufbringt.
Wenn man es im detail betrachtet, ist die Situation natürlich komplexer als ich es im Artikel dargestellt habe. Ich glaube, die Netzprobleme in den Neiderlanden werden zu einem großen Teil durch den starken Windkraftausbau verursacht (daher auch im Norden des Landes). Der Gesamtzubau Photovoltaik ist in den Niederlanden ja noch nicht größer als in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl. Allerdings spielen Batteriespeicher in den Niederlanden noch kein Rolle. Ich denke, da ist Deutschland weiter.
Die Gasförderung in den Niederlanden hat sich in den letzten Jahren deutlich abgeschwächt, da die Gasfelder fast alle erschöpft sind. Mit subventioniertem Gas wurden die glasüberdachten landwirtschaftlichen Felder immer weiter ausgebaut. Dafür ist jetzt sehr viel Ökostrom vonnöten. Die Gaslobby hat nicht mehr das große Sagen. Hausspeicher sind in den Niederlanden unbekannt und werden auch als viel zu teuer angesehen, denn jeder private Erzeuger kann seinen Solarstrom ins Netz einspeisen. Sein Zähler läuft rückwärts und er kann den Strom irgendwann wieder verbrauchen. Wenn wir auch so eine politische Vorgabe hätten, dann wäre jede Kilowattstunde erzeugter Strom 30 Cent wert. Bei uns würden dann auch Solaranlagen auf privaten Dächern wie Pilze aus dem Boden schießen. In den Niederlanden hat man vergessen gleichzeitig mit dem Hochlauf des Solarausbaus gleichzeitig Speicherkapazitäten zur Entlastung des Netzes aufzubauen. Deswegen werden auch vermehrt Anstrengungen zum bidirektionalen Laden aufgebaut. In Deutschland sehe ich nur das ökologische und ökonomischer Fortschritt doch politische Lobbyarbeit über Jahre verhindert worden. Ich hoffe die neue politische Landschaft bringt hier Abhilfe.