René Siegerink aus Bentelo in den Niederlanden macht vor, wie er sich die Stromheizung der Zukunft vorstellt. Das Dach seines Einfamilienhauses aus dem Jahr 1978 ist dicht mit Solarmodulen belegt. Was man nicht sieht: Zwölf davon produzieren nicht nur Strom, sondern heizen auch sein Haus. Auf gerade einmal 20 Quadratmetern, also nur einem Teil der Dachfläche. Seit zwei Jahren heizt der Unternehmensgründer nicht mehr mit Gas, sondern mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe. Das wäre noch keine Überraschung, ist solch ein System doch Standard, wenn man die Sole über eine Erdbohrung mit Erdwärme aufheizt und Solarstrom vom Dach zum Betrieb der Heizung nutzt.
Allein, Siegerink kommt ohne Erdbohrung aus. Stattdessen hat er einen Aufsatz entwickelt, den er hinten auf die Photovoltaikmodule aufschnallt, als Wärmequelle für den Sole-Wasser-Kreislauf. Inzwischen produziert und vertreibt er ihn mit seinem Unternehmen Use All Energy. Mit diesem Aufsatz verwandelt er Standard-Photovoltaikmodule in Photovoltaik-Solarthermie-Kombimodule, oft als PVT-Modul abgekürzt, durch die ein Medium fließt, das die Wärme abtransportiert. Das ist meist Wasser mit Frostschutzmittel.
Solche Kombimodule gibt es schon seit Langem. Bislang konnten sie sich aber nicht in größerem Maßstab durchsetzen. Ein Grund dafür ist, dass durch den Umbau eines Standardproduktes dieses bisher meist die Garantie des Herstellers verlor. Käufer mussten dann auf die Garantien der meist kleinen Marken für die Kombimodule vertrauen. Ein anderer Grund ist, dass die Wassertemperaturen nicht an die Temperaturen herankommen, die reine Solarthermiekollektoren bieten. Die Wärmeausbeute blieb daher auf sehr sonnige Tage beschränkt. Beide Probleme konnte René Siegerink lösen. Die pv magazine Jury zeichnet das Produkt daher als highlight top innovation aus.
highlights und spotlights
Use All Energy – Kombimodul mit Niedertemperatur-Trick
Gelingt es auf praktikable Weise, nicht nur den Strom, sondern gleichzeitig die Wärme der Photovoltaikmodule zu nutzen, vervielfacht sich die Energieausbeute vom Dach. Das Start-up Use All Energy hat eine Kombination entwickelt, mit dem es Standard-Photovoltaikmodule nutzen kann, was im Vergleich zu Spezialanfertigungen Kosten senkt und sogar Nachrüstungen ermöglicht. Eine Zertifizierung und die Freigabe des Tier-1-Modulherstellers hat es auch bereits. Es kombiniert das System mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe. Dafür zeichnet die Jury die Entwicklung mit dem pv magazine highlight top innovation aus.
Die Juroren
Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl leitet das Produktmanagement bei Longi Solar in Deutschland.
Mehr Infos, bisherige Preisträger und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 7. Oktober 2021
Problem eins löste er dadurch, dass er sein Produkt, das „Solar Heat Multipanel“, nicht nutzt, um die Wärme direkt in die Heizung einzukoppeln, sondern als eine Quelle für die Wärmepumpe. Diese entzieht dem Medium Wärme und pumpt es, heruntergekühlt, auf das Dach zurück, wo es sich an der Luft und an der Modulrückseite wieder aufheizt. Er benötigt also nur niedrigere Temperaturen als klassische Solarthermie. Dadurch kann er nicht nur die Wärme nutzen, die durch direkte Absorption von Sonnenlicht entsteht. Jedes Modul fungiert automatisch auch als Wärmetauscher für die Umgebungsluft. Er verstärkt den Effekt, indem er die Rückseite seines Wärmetauschers nicht dämmt.
Das führt dann zu dem auf den ersten Blick überraschenden Effekt, dass das System auch an kühlen oder bedeckten Tagen immer noch funktioniert.
Das 1.250-Watt-Modul
Wie viel Wärmeenergie dadurch genutzt werden kann, überrascht ebenfalls. Wenn beispielsweise bei null Grad Außentemperatur die Wärmepumpe das Medium auf minus zehn Grad abkühlt, kann ein Modul bei Dunkelheit thermisch 300 Watt leisten. Scheint in so einer Situation aber die Sonne, steige die Wärmeleistung auf 650 Watt an, erläutert Siegerink. Bei 20 Grad Außentemperatur seien bis zu 873 Watt thermisch möglich. Unabhängig davon kommt bei Sonnenschein noch bis zu 380 Watt elektrische Leistung obendrauf.
Die thermische und elektrische Leistung des Moduls bei verschiedenen Temperaturen und Einstrahlungsverhältnissen wird durch das Solar-Keymark-Qualitätslabel bestätigt, das die Leistung von Solarthermieprodukten und Kombimodulen zertifiziert. Use All Energy steht, nach eigenen Angaben, kurz vor Abschluss der Zertifizierung durch TÜV Rheinland.
Die thermische Leistung sei, hochgerechnet auf zwölf Module, im Mittel ausreichend, um eine Wärmepumpe mit sechs Kilowatt Leistung zu beliefern. Bei einem Performancekoeffizienten (COP) von 3,5 benötigt sie für sechs Kilowatt Heizleistung 1,7 Kilowatt elektrische Energie und 4,3 Kilowatt Umweltwärme, die die Module bereitstellen müssen. Zwölf Module liefern auch elektrisch genügend Energie, um die Wärmepumpe bilanziell übers Jahr CO2-neutral zu betreiben.
So habe Siegerinks Wärmepumpe in den vergangenen zwei Jahren im Schnitt knapp 3.300 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht. Wer die Stromautarkie auch im Winter erhöhen will, kann das Modulfeld zudem durch optisch identische Module ohne Wärmetauscher problemlos erweitern. Denn zum Einsatz kommen hocheffiziente Photovoltaikmodule aus der Großfertigung.
Kompatibel mit günstigen Standardmodulen
Hierfür hat Siegerink die zweite Schwierigkeit beseitigt, die Kombimodulen bisher im Wege stand. Er hat den Modulhersteller Longi überzeugt, dass sein Wärmetauscher das Photovoltaikmodul nicht beschädigt, sondern die elektrische Performance durch die Kühlwirkung noch erhöht. Nun darf er an das HiMo4 plus andocken, ohne dass der Kunde dadurch Garantieansprüche gegenüber Longi verliert.
Der Einbau geht denkbar einfach. Der Wärmetauscher aus Aluminium mit Aussparungen für die Anschlussbox wird mit Metallklammern vollflächig an die Rückseitenfolie geheftet und kann jederzeit wieder entfernt werden, weil kein Klebstoff zum Einsatz kommt. Er ist dabei nur 19 Millimeter flach, so dass er von der Seite nicht zu sehen ist und die übliche Befestigung des Moduls nicht behindert. Alle Teile des Moduls bleiben für Inspektionen und Wartung weiter frei zugänglich.
Im Prinzip könnte Siegerinks Firma diese besonderen Kombimodule auch aus anderen Photovoltaikmodulen herstellen. Die Produktion der Wärmetauscher sei jedenfalls einfach und könne jederzeit auf andere Formate umgestellt werden, erläutert er. Einer Serienfertigung stünde somit nichts im Wege. Sein Unternehmen biete 25 Jahre Produktgarantie auf den thermischen Effekt und als Absicherung gegen Lecks im Absorber.
Effizienz mit Erdpuffer erhöhen
Auch eine Nachrüstung bereits existierender Photovoltaikanlagen wäre denkbar. Allerdings gilt das Solar Keymark Label nur für fertig zusammengebaute Produkte direkt aus der Werkstatt. Die Solar Heat Multipanel in Kombination mit Sole-Wasser-Wärmepumpen lassen sich am ehesten mit dem Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen vergleichen. Die Performance ist laut Siegerink ähnlich. Beide lassen sich einfach nachrüsten und benötigen wenig Platz. In einer engen Nachbarschaft kann aber die Lärmentwicklung bei Luft-Wasser-Wärmepumpen problematisch sein, die bei Kombimodulen entfällt.
Dem stehen die höhere Kosten für die Wärmetauscher und den Wasserkreislauf gegenüber. Pro Modul rechnet Siegerink mit Kosten von 300 Euro für den Wärmetauscher, zuzüglich Installation. Bei beiden Systemen sinkt die Effizienz, wenn die Außentemperatur fällt und spätestens bei minus 20 Grad ist keine Wärmegewinnung mehr möglich. Auch die Kühlmöglichkeit im Sommer ist bei sehr hohen Temperaturen begrenzt. Bei Neubauten und wenn Platz vorhanden ist, sollte man daher über einen kleinen zusätzlichen Erdspeicher nachdenken, rät Siegerink. Er selbst habe sich vor wenigen Wochen einen solchen nachrüsten lassen. Das sei weniger Aufwand, als es scheint, sagt er, da er mit 75 Quadratmetern etwa so groß sei wie die Grundfläche des Hauses selbst.
Damit seien interessante zusätzliche Möglichkeiten gegeben. Die Wärmepumpe könne abhängig von den Außentemperaturen und der Temperatur im Puffer jeweils die günstigere Quelle wählen. An sehr sonnigen Tagen kann sie den Erdspeicher aufheizen. An sehr kalten Tagen kann das Kombimodul womöglich nur einen kleinen Beitrag leisten und der größte Teil der Energie stammt aus dem Erdreich. Falls dabei die Feuchtigkeit im Boden gefriert, lässt sich zusätzlich die Energie des Phasenübergangs von Wasser zu Eis nutzen. Mit einem Erdspeicher kann die Wärmepumpe unter Umständen auch die Module erwärmen, um ihre Vereisung zu verhindern.
An Referenzobjekten ist es nicht bei dem eigenen Haus des Erfinders geblieben. Das ausgeklügelte Gesamtsystem baut Use All Energy derzeit zwar nur für eigene Kunden und nur mit einer Wärmepumpe von Nibe, die so angepasst ist, dass sie zwei verschiedene Wärmequellen nutzen kann. In der Umgebung von Bentelo hat das Team aus sieben Mitarbeitern bereits 25 Referenzprojekte umgesetzt.
In Zukunft will René Siegerink sein Multipanel nun auch breit vermarkten und dazu anregen, alle Energieformen zu nutzen, sei es Solarstrom, Solarthermie, Erdwärme oder die Energie gefrierenden Wassers.
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Das klingt sehr ähnlich dem ISIEtherm-Ansatz.
Interessant wäre zu erfahren, ob die PV-Module infolge der Kühlung nennenswert höhere Erträge liefern. Mein Eindruck nach einem knappen Jahr PV ist schon, dass die Temperaturen eine recht ausgeprägte Rolle spielen. Fraglich ist natürlich, ob eine merkbare Temperatursenkung überhaupt möglich ist, jedenfalls außerhalb der Heizperiode, wo kaum Wärmebedarf besteht. Und mit einem Erdspeicher würde der Investitionsaufwand ja noch einmal weiter gravierend ansteigen.
Auf allen Datenbättern zu PV-Modulen stehen die Temperaturkoeffizienten für Strom, Spannung und Leistung drauf. Der Leistung-Temperaturkoeffizient liegt, wenn ich mich richtig erinnere, zumeist bei -0,4 bis -0,5%/K. Die Angaben auf dem Datenblatt sind für STC von 25°C angegeben. Im Sommer kann es durchaus vorkommen, dass sich PV-Module, vor allem bei schlechter Hinterlüftung auf bis zu 100°C aufheizen. Gehen wir bei einem Modul mal von 400 Wp @STC aus, dann führt die hohe Modultemperatur für Verluste von: (373,15-298,15)K*(-0,4)%/K = -30%. Das sind also etwa 120 Wp weniger Leistung im Hochsommer als die Nennleistung des Moduls. Die Kühlung der Module könnte also durchaus Mehrertrag im Hochsommer bringen. Knackpunkt ist allerdings, dass dann bereits sehr viel PV-Strom im Netz ist und die abgeführte Wärme oft nicht sinnvoll genutzt werden kann, außer vlt. zur Schwimmbadbeheizung.
Im Prinzip ist das ein wichtiger Baustein, um die Flächeneffizienz von Solarthermie und Photovoltaik zu erhöhen. Der gewählte Ansatz geht auch in die richtige Richtung: PV und ST sind so weit wie möglich unabhängig voneinander, so dass, wenn der Austausch des einen Systems aus Altersgründen notwendig wird, das andere weiterlaufen kann.
Wie man aber sieht, steckt der Teufel im Detail. Mir stellte sich beispielsweise die Frage, ob es nicht sinnvoller sei, statt zusätzliche PV-Module zu ergänzen, nicht lieber zusätzliche reine ST-Module zum „Nachheizen“ vorzusehen, um der Wärmepumpe die letzten, besonders ineffizienten Grad Aufheizung zu ersparen. Vielleicht könnte man bei richtiger Auslegung dann ganz auf die Wärmepumpe verzichten, und das System damit stark vereinfachen und verbilligen? Die Optimierungsrechnung über alle Jahreszeiten ist sicher nicht einfach, könnte sich aber lohnen.
Mich würde noch interessieren, wie es mit den Handwerkern aussieht: PV-Module müssen ja von einem Elektriker kommen, für die Solarthermie fühlt sich bei uns der Sanitär- und Heizungsbauer zuständig. Für die Kombination dieser zwei Kompetenzen braucht es Firmen, die Spezialisten aus beiden Gewerken unter einem Dach beschäftigen.
Ich werde mir das System jedenfalls genau anschauen, wenn die Neuaufteilung meines Daches (bisher: 1/4 ST und 3/4 PV) ansteht.