Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Spricht man mit Elektrohandwerkern, hört man immer wieder, dass ein beträchtlicher Teil ihrer Arbeitszeit für die Netzanmeldung und den zusammenhängenden „Papierkram“ draufgeht, was den Kapazitätsengpass gerade im Elektrohandwerk verschärft. Dabei lässt sich dieser Prozess auch digitalisieren, wie Westnetz zeigt. Ende 2019 startete der Dortmunder Verteilnetzbetreiber das selbst entwickelte „Einspeiseportal“ zur Anmeldung von Photovoltaik-Anlagen, was nach eigener Aussage kinderleicht zu bedienen ist.
Eine Innovation mit ganz praktischen Folgen. Ein Elektrohandwerker, der nicht genannt werden will, sagt, dass es damit nur noch eine halbe Stunde dauert, eine Aufdachanlage von Endkunden anzumelden. Bei anderen Verteilnetzbetreibern, bei denen die Anmeldung schriftlich oder durch schwer auszufüllende PDF-Dateien zu erledigen ist, nehme diese Aufgabe mehrere Stunden in Anspruch. „Wir haben genauso wenig Bock auf PDFs wie unsere Kunden“, erklärt Marc Pewert von der WestnetzKundenbetreuung auf die Frage, wie es zu der Idee des Onlineportals kam. Ziel sei es nicht nur gewesen, eine elektronische Eingabemaske zu schaffen, sondern gleichzeitig so viele Prozesse wie möglich zu automatisieren. Ein Ansatz, den unsere Jury mit dem Prädikat pv magazine top business model honoriert.
Praxiserfahrungen flossen in Portalentwicklung ein
Um die Bedienung so einfach wie möglich zu machen, habe man eng mit den Solarteuren und Elektroinstallateuren zusammengearbeitet, sagt Jennifer Schönfelder, die im Entwicklungsteam des Portals bei Westnetz arbeitet. Bereits im Vorfeld habe man sich von einigen ausgewählten Endkunden und Handwerksbetrieben im Einzugsbereich die Arbeitsprozesse erklären lassen und so gelernt, welche Schritte in der Vergangenheit zu Verwirrungen und Mehrarbeit geführt hätten. Während der Entwicklung habe man auch immer wieder Zwischenstände an die Installateure weitergegeben und Rücksprache gehalten, um zu gewährleisten, dass jene, die das Portal nutzen, damit auch intuitiv umgehen können.
Privatpersonen, die eine Photovoltaik-Anlage anmelden, müssen sich nun mit einem Kundenkonto in das Portal einloggen. Sie geben die Adresse, an der eine Anlage errichtet werden soll, ein. Das System überprüft, ob Westnetz wirklich zuständig ist. Der Kunde kann dann die Angaben zu Leistung, Modulen und Wechselrichter selber eingeben oder ein Elektrohandwerksunternehmen damit beauftragen, wofür sich die meisten entscheiden würden, so Schönfelder.
Am Ende muss der Kunde sowieso einen Elektroinstallateur auswählen, um den Zähler zu montieren und zu plombieren. Betriebe, die hierfür infrage kommen, sind in einem umfangreichen Betriebsverzeichnis des gesamten Zuständigkeitsbereiches gelistet. Der Elektroinstallateur erhält danach eine E-Mail und kann sich mit seinem Konto einloggen und aktiv werden. Auf dem Portal findet sich die Vorgangsliste mit den verschiedenen Anmeldevorgängen, die der Installateur vornehmen soll, und deren Status.
Ausfüllhilfen beschleunigen den Prozess
Eine deutliche Vereinfachung, verglichen mit dem händischen Ausfüllen von Formularen, findet sich auch beim Anmelden der richtigen Komponenten. So seien alle gängigen Wechselrichterhersteller und Typen im System gelistet und könnten „einfach“ ausgewählt werden. Dadurch spare man sich, die vielen Parameter und Zertifizierungen händisch einzutragen. „Wir haben einfach gemerkt, dass wir für viele Wechselrichtertypen im Bereich der kleinen Anlagen dieselben Daten tausendfach neu eingeben“, so Pewert. Denn ohne Automatisierung und Digitalisierung müssen auch beim Verteilnetzbetreiber die Daten immer wieder von Neuem aufgenommen werden. Ein Speicher kann zur Anmeldung auch in das System eingetragen werden, auch wenn es hierfür keine einfache Listenauswahl gibt.
Sobald diese Schritte abgeschlossen sind, kann der Installateur aus unterschiedlichen Messkonzepten – zum Beispiel der Volleinspeisung, Überschusseinspeisung, ohne Vergütung nach dem EEG oder einem Marktintegrationsmodell – auswählen sowie Zähler und Plomben im Handumdrehen bestellen, erklärt Schönfelder. So entscheidet das System, welche Art von Zähler und wie viele davon zugeschickt werden müssen.
Highlights und spotlights
Preis für gute Ideen: In der September-Runde zeichnet pv magazine zwei Einreichungen als highlight aus. Ein spotlight ist dieses Mal nicht dabei.
Das sagt die Jury:
Westnetz
Weniger Hürden für die Installation: Bürokratische Hindernisse, welche die Energiewende bremsen, gehören abgeschafft. Westnetz geht mit gutem Beispiel voran. Der Verteilnetzbetreiber hat die Netzanmeldung digitalisiert und automatisiert. Statt sich mit Papierkram aufzuhalten, läuft die gesamte Kommunikation in einem Bruchteil der Zeit online ab. Für die Installateure gibt es eine Statusübersicht für alle eigenen Projekte. Das System versendet auch Push-Nachrichten, falls der Prozess stockt. Als Vorbild für andere Netzbetreiber vergibt unsere Jury dafür die Auszeichnung pv magazine highlight top business model.
Die Juroren
Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl leitet das Produktmanagement bei Longi Solar in Deutschland.
Mehr Infos, bisherige Preisträger und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 7. Oktober 2021
Anschlusszusage innerhalb einer Minute
Überschreitet die Leistung der Anlage nicht 30 Kilowatt, erstellt das Portal automatisiert innerhalb von einer Minute eine Zusage, dass die Anlage so gebaut und angeschlossen werden darf, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind. Es informiert auch automatisiert Betreiber und Elektrohandwerksbetrieb, was sie noch tun müssen. Auf der Plattform können alle Beteiligten, also Westnetz-Mitarbeiter, Installateure und Betreiber, immer sehen, welche Aufgaben bei den jeweils anderen Parteien noch anstehen. Das hilft, sollte es noch irgendwo stocken.
Davon profitieren auch Anlagen mit einer Leistung über 30 Kilowatt. Kommunikationswege und StatusUpdates sowie die digitale Eingabe der erforderlichen Daten sind auch für große Freiflächenanlagen möglich, nur benötigen diese eben eine individuelle Überprüfung der Netzauslastung an dem geplanten Ort. Die Kommunikation zwischen den Parteien geht sogar per Push-Nachricht. Wenn zum Beispiel doch mal ein Dokument falsch ausgefüllt wurde oder irgendwas nicht stimmt, wird der Installateur per E-Mail benachrichtigt und kann die betreffende Information im Portal nachtragen. Bei Netzbetreibern ohne Online-Portal werden bei solchen Fehlern auch schon mal Briefe hin und her geschickt, was wieder viel Zeit frisst.
Daniel Kehler, Manager Leitung Expansion bei Installion, ist jedenfalls begeistert. Es gebe Stadtwerke, die wollten grundsätzlich alles auf Papier. Das zu standardisieren und zu automatisieren, sei ein großes Thema. „Westnetz ist ganz vorne“, sagt er. Er muss es wissen, Installion baut schließlich bundesweit Photovoltaik-Anlagen.
Auch der Versand von Zähler und Plomben erfolgt in dem Westnetz-System automatisiert. Sobald alle notwendigen Informationen eingetragen wurden, gibt das Portal ohne weiteres Zutun den Auftrag. „Der Vorteil ist, dass niemand mehr darauf warten muss, dass das Personal bei Westnetz die Anträge manuell überprüft“, sagt Schönfelder. Das spare einfach sehr viel Zeit, nicht nur bei kleineren Anlagen.
Die Digitalisierung stößt allerdings auch noch an Grenzen. Die Anlagenbetreiber müssen zum Beispiel die Anlage noch in das Marktstammdatenregister eintragen. Eine direkte Schnittstelle, bei der es möglich wäre, die Daten aus der Anmeldung beim Verteilnetzbetreiber in das Marktstammdatenregister zu übernehmen, gibt es leider noch nicht. Der Blick in die Zukunft fällt allerdings erst einmal auf die ganz kleinen Anlagen, sagt Schönfelder. Auch wer ein einzelnes steckerfertiges Modul anschließe, muss es anmelden, und das geht noch nicht über das Portal. Aktuell prüfen die Entwickler bei Westnetz, inwieweit eine Datenbankanbindung der gängigen Typen möglich ist.
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…und dann könnte man doch gleich noch ein Häkchen einführen „Daten an Marktstammdatenregister übermitteln“ ?
Das wäre mal en Betätigungsfeld, in dem die bisher eher erfolglose aber designierte Ministerin für Digitales, Frau Dorotheer Bär besser als bisher mit Fakten glänzen könnte.