Ferroelektrische Kristalle könnten in Zukunft für einen neuen Photovoltaik-Boost bei der Erzeugung sorgen. Wenn kristalline Schichten aus Barium-, Strontium- und Calciumtitanat, die sie abwechselnd in einer Gitterstruktur übereinandergelegt werden, dann lässt sich der photovoltaische Effekt in Solarzellen um den Faktor 1000 erhöhen, wie die Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer Studie „Strongly enhanced and tunable photovoltaic effect in ferroelectric-paraelectric superlattices“ zeigen, die sie in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlichten. Diese Ergebnisse könnten zu deutlich höheren Effizienzen bei Solarmodulen beitragen.
Da der Wirkungsgrad kristalliner Photovoltaik-Produkte begrenzt ist, wird seit Jahren auch an Alternativen geforscht, die höhere Effizienzen ermöglichen. Die Universität in Halle-Wittenberg hat vor einigen Jahren mit den Arbeiten an solchen Materialien begonnen, darunter an Ferroelektrika, wie Bariumtitanat, einem Mischoxid aus Barium und Titan. „Ferroelektrisch bedeutet, dass das Material räumlich getrennte positive und negative Ladungen besitzt“, erklärt der Physiker Akash Bhatnagar vom Zentrum für Innovationskompetenz „SiLi-nano“ der MLU. „Die Ladungstrennung führt zu einer asymmetrischen Struktur, die eine Stromerzeugung unter Licht ermöglicht.“ Die ferroelektrischen Kristalle bräuchten für den photovoltaischen Effekt keinen pn-Übergang, also positiv oder negativ dotierte Schichten, wie sie in kristallinen Solarmodulen genutzt werden. Dies würde die Herstellung der Solarmodule wesentlich erleichtern, so die Forscher.
Allerdings kommt es auf die richtige Kombination verschiedener ferroelektrischer Kristalle an. So würde reines Bariumtitanat nur wenig Sonnenlicht absorbieren. Die Kombination in extrem dünnen Schichten dagegen würde die Ausbeute deutlich erhöhen. „Wichtig dabei ist, dass sich ein ferroelektrisches mit einem paraelektrischen Material abwechselt. Letzteres weist zwar keine getrennten Ladungen auf, kann unter bestimmten Bedingungen, etwa bei niedriger Temperatur oder leichten Modifikationen der chemischen Struktur, jedoch ferroelektrisch werden“, erklärt Bhatnagar. Zusätzlich verstärkt werde der photovoltaische Effekt, wenn sich die ferroelektrische Schicht nicht nur mit einer, sondern mit zwei verschiedenen paraelektrischen Schichten abwechsele. „Wir haben das Bariumtitanat zwischen Strontium- und Calciumtitanat eingebettet“, ergänzt Yeseul Yun, Doktorandin an der MLU und Erst-Autorin der Studie. „Dafür werden die Kristalle mit einem Hochleistungslaser verdampft und auf Trägersubstraten wieder abgelagert. Das so hergestellte Material besteht aus 500 Schichten und ist etwa 200 Nanometer dick.“
Für die photoelektrischen Messungen sei das Material mit Laserlicht bestrahlt worden. Im Vergleich zu reinem Bariumtitanat mit ähnlicher Dicke sei der Stromfluss bis zu 1000 mal stärker gewesen, obwohl der Anteil des Bariumtitanats als photoelektrische Hauptkomponente um fast zwei Drittel reduziert wurde. „Offenbar führt die Interaktion der Gitterschichten zu einer wesentlich höheren Permittivität – also dazu, dass die Elektronen aufgrund der Anregung durch die Lichtphotonen deutlich leichter abfließen können“, erklärt Akash Bhatnagar. Der Effekt sei zudem sehr beständig und über einen Zeitraum von sechs Monaten nahezu konstant geblieben.
Diese Ergebnisse überraschten sogar die Wissenschaftler selbst. Weitere Forschungen sollen nun zeigen, welche Ursachen genau für den überragenden photoelektrischen Effekt verantwortlich sind. Die Forschergruppe ist aber schon jetzt zuversichtlich, dass das demonstrierte Potenzial des neuen Konzepts für die praktische Anwendung in Solarmodulen genutzt werden kann. „Die Schichtstruktur zeigt in allen Temperaturbereichen eine höhere Ausbeute als ein reines Ferroelektrikum. Zudem sind die verwendeten Kristalle deutlich langlebiger und benötigen keine spezielle Verpackung“, so Bhatnagar.
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Die Überschrift „Studie: Drei Kristallschichten sorgen für 1000 mal mehr Power in Solarzellen“ ist irreführend, ja geradezu reißerisch.
Und technisch gesehen ist sie falsch, es sei denn, man würde eine Schicht Bariumtitanat als „Solarzelle“ bezeichnen.
Hier wäre mehr Sorgfalt bei der redaktionellen Bearbeitung solcher Meldungen angebracht, um diue Seriosität des Mediums zu wahren.
kann mich dem Vorredner nur anschließen. Ich habe diese Überschrift schon in social media gesehen und mir nur gedacht – was soll der Blödsinn, wenn die heutige Ausbeute bei rund 25% der Sonnenenergie liegt, würde bei einer Verbesserung um Faktor 1000 die Zelle 250 mal mehr Energie liefern, als die Sonne einstrahlt. hmm…
Ich finde es sehr bedauerlich, dass es solche Überschriften in eine seriöse Publikation schaffen.
Man muss zwar skeptisch sein aber das sind die wissenschaftler.
Und wenn der versuch sagt das die Ausbeute gegenüber solarplatte A bei dem neuen Herstllungsverfahren sich um den Faktor 1000 verbessert dann ist das erstmal keine falsche aussage.
Natürlich wird dort keine Bauanleitung eingestellt, da Patente sicherlich schon angemeldet sind und man auch noch (wie beschrieben) abwarten will was der laufende Langzeittest für Ergebnisse/Werte liefert.
Ich fänds gut wenn eine Solarzelle mit mehr wie 18-25% Leistung laufen würde.
Dann ist Deutschland selbstversorger und kann sogar noch andere Haushalte die sich weigern mit schleppen ohne gerade mal so Ihren eigenen Bedarf decken zu können.
Die Zeit wird es zeigen….
Muss dem Vorredner zustimmen. Wenn aktuell bereits 20% Wirkungsgrad erreicht sind, wäre alles über „5-fach“ ein Perpetuum mobile…
Es wurde mit Laserstrahlen getestet.
Da hast du einen groben Denkfehler. Ganz vereinfacht dargestellt wäre es so als würde man ganz viele Solarplatten übereinander stapeln und die Platte ganz unten eben noch genauso viel Energie produzieren kann wie die oberste Platte. Das alles natürlich im Nanometer bereich. Die Praxis sieht natürlich anders aus und die Zeit wird zeigen ob und wann es ein Verfahren gibt das die ganze Idee in Serienprodukion bringen kann. Das wird vielleicht ewig Dauern. Vergleichbar vielleicht mit dem Fusionsreaktor. In der Theorie machbar aber es wird schon seit einer halben Ewigkeit daran geforscht das ganze stabil zu betreiben.
Dito! Nur dass der „photovoltaische Effekt“ sich eigentlich in der Quantenausbeute manifestiert, und die liegt bet den heutigen kristallinen Solarzellen oberhalb 80%. Dies mal Faktor 1000… 😏
Außerdem würde mich ja nun der reale Wirkungsgrad der neuen Superzellen interessieren!
Die Kunst der Lüge besteht bekanntlich im Weglassen: Hier wurde der Bezugspunkt nur sehr verschämt erwähnt, nämlich die photovoltaische Ausbeute von Bariumtitanat ohne die Entwicklung der Forscher, so verschämt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich recht habe.
Diese Methode der Aufmerksamkeitserheischung wird von manchen Leuten für notwendig erachtet. Auf die Dauer tut man sich keinen Gefallen damit, wenn die Leute merken, wie man sie da belogen hat. Dann schlägt die ausgelöste Euphorie in ihr Gegenteil um. Jeder Physiker weiß sofort, dass eine maximale Ausbeute gibt, die durch die Thermodynamik vorgegeben ist, und mit Sicherheit unter 100% liegt. Physiker kann man deshalb mit solchen Schlagzeilen nicht beeindrucken. Leider gibt es davon zu wenig. Den meisten ist ein Physikstudium zu schwierig, was ich nicht nachvollziehen kann.
Mit Verlaub, dass man nicht mehr als 100% erreichen kann, weiß ich spätestens seit der 10. Klasse Gymnasium.
Dazu braucht man kein Studium,das ist elementarsten Allgemeinwissen.
Jemand,dem das nicht bekannt ist, kann man auch snad in der Wüste für viel Geld verkaufen.
An alle „Experten“
Ich gehe davon aus, dass die Autor/innen dieser Studie über ausreichende Kenntnisse verfügten, als sie schrieben:
„In addition, the photoresponse from SBC222 is 1000 times higher than that from BTO, although the tetragonality ratio in BTO is 1.02, while that in SBC222 is 1.01 (fig. S8). Therefore, it can be conjectured that strain does not appear to have a dominant role in the observed enhanced effects.“
Die Kommentare werden zwar redaktionell geprüft, bevor sie freigeschaltet werden. Aber offensichtlich sieht man angesichts der hier versammelten Kritik dennoch keinen Grund, die Überschrift zu präzisieren. Es zählen die Clicks, nicht die Qualität der Nachrichten.
Die Autoren der Studie trifft hier keine Schuld. Die bezogen sich eindeutig auf das BTO.
Eine ernsthafte Frage an die Kommentatoren (oder de Autorin) als absoluter Laie:
Lässt sich aus den Ergebnissen der Studie schließen, auf welchen Wirkungsgrad Solarzellen realistischerweise kämen, sollte man sie mit den genannten Materialien in Schichtstruktur konstruieren? Oder anders gefragt, resultiert ein derart gesteigerter Stromfluss überhaupt in einem höheren Wirkungsgrad?
Vielen Dank!
Bevor diese Technik praktische Bedeutung erlangt, wird sie noch viele Hürden nehmen müssen. Bisher hatten Perowskit-Materialien (BTO ist auch ein Perowskit) das Problem, sich unter Sonnenlicht so schnell zu ändern, dass sie für ein Investitionsgut zu schnell unbrauchbar wurden. Unabhängig von dem Wirkungsgrad, den man letztlich damit erreicht, ist es bei jeder Technik interessant, ob sie sich mit einer schon vorhandenen kombinieren lässt. Jeder Stoff hat sein eigenes spektrales Absorptionsmaximum, und damit lässt sich die Lichtenergie des breiten Sonnenspektrums besser ausbeuten. Da sind auch schon wenige % interessant, wie man an dem Kampf um 1/10tel-Prozente innerhalb der spezifischen Techniken sieht.
Guten Abend,
Mich stört die völlig falsche Einordnung der wissenschaftlichen Arbeit.
Es werden völlig verschiedene Verfahren falsch verglichen.
Evtl. ist es dann doch besser wenn diese Beiträge von Fachleuten geschrieben werden. Nach kurzer Recherche ist das hier ja nicht der Fall.
ein Politikstudium ist keine Ingenieurswissenschaft
Nur zur Einordnung.
Der 1000fach bessere Wert ist immer noch schlechter als der von klassischem Material.
Denn auch bei diesem Material wäre für einen korrekten Vergleich ein hochenergetischer Laser in optimaler Wellenlänge notwendig.
Es müssten also auch Äpfel mit Äpfeln verglichen werden.
Auf gut deutsch fühlt man sich vom Bericht etwas veräppelt. Ich bin sehr enttäuscht